Begonnen hatte Vallentin seine schauspielerische Karriere als jugendlicher Charakterdarsteller und im Rollenfach des leichtlebigen, eleganten Mannes, auch mit komischen Parts konnte er sein Publikum begeistern. Eine seiner herausragenden Interpretationen war die des unterdrückten und eher unsympathischen jüdischen "Winkeljournalisten" Schmock in Gustav Freytags Lustspiel "Die Journalisten", auch in Operetten wurde er gefeiert, so 1916 am Berliner "Metropol-Theater" als Graf Boni in der Operette "Die Csárdásfürstin" von Emmerich Kálmán" neben Fritzi Massary in der Titelrolle. In späteren Jahren gestaltete er altersbedingt gesetzte Herren, Väter und Patriarchen jedweder Couleur, Direktoren, Richter und Honoratioren der Gesellschaft. "Die vollblütige Beweglichkeit dieses sehr tüchtigen Schauspielers, seine urtümliche Verstellungslaune, erinnert ebenso an Schildkraut3), wie das Nebeneinander überströmender Gefühlsweichheit und in gefährlicher Ballung explodierenden Jähzorns. ( ) Aber die Gefühlsweichheit kann er nicht wie Schildkraut in jene letzte Tiefe führen, wo sie dem Sentimentalen entwächst und etwas Gottähnliches bekommt." notierte 1926 der Dramatiker Julius Bab2). Wichtige Rolle waren unter anderem der Hofmarschall von Kalb in Schillers "Kabale und Liebe", der Schreiber Vansen in Goethes "Egmont" oder der Kapuziner in Schillers "Wallensteins Lager". An den "Reinhardt-Bühnen" glänzte er zu Beginn der 1930er Jahre unter anderem mit der Figur des Uniformschneiders Wormser in Zuckmayers "Der Hauptmann von Köpenick" (Regie: Heinz Hilpert), den er auch 1931 in der Filmversion von Richard Oswald neben Max Adalbert in der Titelrolle verkörperte. Er gestaltete den Wirt Köchler in dem pazifistisch ausgerichteten Stück "Wunder um Verdun" (Regie: Karl-Heinz Martin) von Hans Chlumberg oder den Dr. Peter in Max Reinhardts Inszenierung von Ferenc Molnárs Komödie "Harmonie". Seine letzte Bühnenrolle in Deutschland vor der Emigration ins Ausland war 1933 der Rechtsanwalt in dem Boulevardstück "Hokuspokus" von Curt Goetz. Ab 1920 engagierte sich Vallentin auch beim Kabarett, trat in dem von seiner Schwester Rosa Valetti am 23. Dezember 1920 gegründeten, berühmt gewordenen "Kabarett Größenwahn" in den Räumen des ehemaligen "Café Größenwahn"2) auf, das rasch zum Anziehungspunkt der literarischen, politisch links gerichteten Künstlerszene geworden war. Als Rosa Valetti am 19. November 1922 mit "Die Rampe" am Kurfürstendamm ein weiteres Kabarett ins Leben rief, konnte man Vallentin auch dort mit eigenen Songs und Texten erleben. 1932/33 brachte er in Willi Schaeffers "Kabarett für alle" und im "Kabarett der Komiker"2) den Zeitgeist auf den Punkt: "Was interessiert das Publikum? Reparationen, Sanktionen, Inflationen ? Hunger, Elend, Not von Millionen? Daß Tausende im Zuchthaus verrecken? Interessiert das das Publikum? I wo, der nackte Hintern der Anita Berber, der interessiert das Publikum!".***)
Mit der sogenannten Machtergreifung durch die Nationalsozialisten floh der als Jude geltende Hermann Vallentin über die Tschechoslowakei zunächst in die Schweiz, inszenierte am Stadttheater in Basel 1933/34 eine Operette. Dann ging er in die Tschechoslowakei zurück, erhielt zur Spielzeit 1934/35 ein Engagement am Stadttheater von Aussig (heute Ústí nad Labem, Tschechien) und gab Gastspiele am Theater in Prag. Seit Anfang Mai 1936 am "Theater an der Wien" verpflichtet, musste Vallentin nach dem "Anschluss Österreichs" bzw. der De-facto-Annexion Österreichs durch das nationalsozialistische Deutsche Reich Mitte Mai 1938 erneut emigrieren. Er reiste wieder in die neutrale Schweiz ein, spielte an den Theatern in Zürich und Basel. Am "Zürcher Schauspielhaus" setzte der von Kollegen liebevoll "Männe" genannten Vallentin 1938 die Komödie "Dyckerpotts Erben" von Robert Grötzsch in Szene, zur Jahreswende 1938/39 zeigte er sich dort in dem musikalischen Lustspiel "Das Ministerium ist beleidigt" (Regie: Leonard Steckel) von Fred Heller und Bruno Engler mit der Musik von Leonhard K. Märker. Wenig später glänzte er neben anderen Exil-Kollegen wie Albert Bassermann, Erwin Kaiser, Leonard Steckel, Karl Paryla und Wolfgang Heinz in "Talleyrand und Napoleon" (auch "Der Mann, der Napoleon schlug"), einer "dramatischen Chronik in Szenen" von Hermann Kesser2). Anfang Oktober 1939 entschloss sich Vallentin zur Auswanderung in das unter britischem Mandat stehende Palästina, konnte hier jedoch wegen mangelnder hebräischer Sprachkenntnisse als Schauspieler nicht Fuß fassen. Er gab Rezitationsabende unter anderem mit Werken von Goethe, Heinrich Heine, Alfred Polgar, Kurt Tucholsky, Detlev von Liliencron und Theodor Herzl. Während des 2. Weltkrieges war er regelmäßig für das deutschsprachige Programm von "Radio Jerusalem" tätig, brachte dort eigene Lieder und Verse zu Gehör oder rezitierte Gedichte, die in modernisierter Form Bezug auf aktuelle politische Ereignisse nahmen. Auch als Sprecher deutschsprachiger Nachrichten war er zeitweise im "Palestine Broadcasting Service" (P.B.S.) zu hören. Darüber hinaus veröffentlichte er kurze Beiträge in der seit 1942 von Arnold Zweig2) und Dr. Wolfgang Yourgrau2) in Haifa herausgegebenen deutschsprachigen Exil-Wochenzeitschrift "Orient", geprägt von dem Versöhnungsgedanken mit den Arabern und einen bi-nationalen Staat aus Arabern und Juden. Aufgrund zionismuskritischer Positionen, wurde das Blatt zur Zielscheibe militanter Zionistenverbände und musste 1943 geschlossen werden. Nur wenige Monate nach Kriegsende starb Hermann Vallentin am 18. September 1945 im Alter von 73 Jahren in Tel Aviv (heute Israel). Seine Nichte Lotte Stein1) (1894 1982) machte sich ebenfalls einen Namen als Schauspielerin. |
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Quellen (unter anderem)*)
**):
Wikipedia,
www.cyranos.ch
sowie CineGraph Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 15***) Siehe auch tls.theaterwissenschaft.ch**) Fotos bei www.virtual-history.com |
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*) Kay Weniger: Es wird im Leben
dir mehr genommen als gegeben … Lexikon der aus Deutschland und
Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht.
(ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 517 ff) **) Thomas Blubacher: Hermann Vallentin, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz (Chronos Verlag, Zürich 2005, Band 3, S. 1992–1993) ***) CineGraph LG 15 mit den Quellen:
3) gemeint ist Rudolph Schildkraut (18621930); Link: Wikipedia Lizenz Foto Hermann Vallentin (Urheber: Wilhelm Willinger): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers. |
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