Olaf Fønss (Olaf Holger Axel Fønss) wurde am 17. Oktober 1882 in Aarhus (Jütland, Dänemark) in eine gut bürgerliche Familie
hineingeboren. Der Vater Vilhelm Fønss (verstorben 1918)
ernährte seine Familie, zu der auch Olafs jüngere Brüder Johannes
(1884 1964) und Aage Fønss (1887 1976)
gehörten, als Leiter einer Schule, betätigte sich in seiner
Freizeit als Organist. 1899 kam der knapp 17-jährige Olaf Fønss
nach Kopenhagen, 1903 gab er sein Theaterdebüt am "Dagmarteatret". Nur
ein knappes Jahrzehnt stand er auf der Bühne, 1912 beendete er
seine Karriere als Theaterschauspieler und wandte sich dem jungen
Medium Film zu.
Mit Beginn des vergangenen Jahrhunderts gehörte
Dänemark, wenn auch nur für kurze Zeit, zu den führenden Ländern
der frühen Stummfilm-Ära, genoss internationale Anerkennung.
Berühmte Filmpioniere wie die Regisseure Holger-Madsen1)
(1878 1943), August Blom1)
(1869 1947) oder Urban Gad1)
(1879 1947) prägten die aufstrebende
Filmszene, legendäre Stummfilm-Stars, allen voran die unvergessene Asta Nielsen2)
(1881 1972), Viggo Larsen2) (1880 1957),
Valdemar Psilander2)
(1884 1917) oder auch
das Komikerduo "Pat und Patachon"2)
(Carl Schenstrøm1); 1881 1942)/Harald Madsen1); 1890 1949)
stammten aus dem Königreich Dänemark.
Nach Arbeiten für "Det Skandinavisk-Russisk Handelshus"
und die "Alfred Lind-Film", wurde Fønss
1915 von dem Filmproduzenten Ole Olsen1)
(1863 1943) für dessen "Nordisk
Film"1) verpflichtet, trat in etlichen
dänischen stummen Sensations- und Zirkusfilmen oder Melodramen in Erscheinung. Er avancierte rasch
zu einem beliebten Darsteller, der auch im europäischen Ausland
Furore machte Sprachbarrieren waren zu Zeiten des Stummfilms ja
nicht zu überwinden.
Foto: Olaf Fønss ca. 19191924
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1)
(1888 1929)
Quelle: Wikimedia Commons
bzw. Wikipedia;
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So zeigte sich der ganz dem Zeitgeschmack entsprechende Mime unter anderem in August Bloms
"Atlantis"3) (1913),
auf die Leinwand gebannt nach dem gleichnamigen, im März 1912
veröffentlichten Unterhaltungsroman von Gerhart Hauptmann, in dem der
Autor eine tragische Schiffskatastrophe vorwegnahm, die sich am 14. April 1912 tatsächlich ereignete der Untergang
der "RMS Titanic"1).
In dem starbesetzten, aufwendig gedrehten Drama wird die Geschichte des
Chirurgen Dr. Friedrich von Kammacher (Olaf Fønss) erzählt, der von der
Nachricht, dass seine Frau an einem Gehirntumor leidet, in Berlin Abstand
gewinnen will. Dort lernt er die junge Tänzerin Ingigerd (Ida Orloff1)) kennen und verliebt sich in sie. Als
Ingigerd nach New York aufbricht, kauft er ebenfalls ein Ticket für die
"SS Roland" und folgt ihr. Auf halbem Wege kollidiert der
Dampfer mit einem unbekannten Objekt und sinkt. Kammacher und Ingigerd
können sich in einem Rettungsboot in Sicherheit bringen, werden mit
wenigen anderen Passagieren von einem Frachtflugzeug aufgenommen. In New York trennt sich Ingigerd von Kammacher, der bald darauf die feinsinnige
Bildhauerin Eva Burns (Ebba Thomsen3))
kennenlernt. Als der Chirurg vom Tod seiner Frau erfährt,
kommt es zwischen ihm und Eva Burns zum Happy End.
Eine weitere wichtige Arbeit wurde der von Holger Madsen in Szene gesetzte
Antikriegsfilm "Die Waffen nieder!" (1914, Ned Med
Vaabnene) nach dem gleichnamigen
Roman1) von Bertha von Suttner, in dem er sich als Baron
Friedrich Tilling, zweiter Mann der überzeugten Pazifistin Gräfin Martha Althaus (Augusta Blad; 1871 1953) zeigte.
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1916 ging Fønss nach Berlin und wurde noch im gleichen Jahr von der
"Deutschen Bioscop-Gesellschaft" bzw. von Regisseur Otto Rippert1) (1869 1940) mit der
Titelrolle in "Homunculus"1),
einer sechsteiligen utopischen Tragödie mit jeweils vier Akten um einen künstlich erschaffenen Menschen,
betraut. Er ist von Wissenschaftlern in der Retorte erschaffen, idealtypisch in Aussehen
und Intelligenz. Aber er lernt die Menschen hassen, weil er als Handlanger des Teufels gilt, ohne Seele und ohne
Liebe. Er wandert ruhelos und sehnsuchtsvoll durch die Welt, entfacht Aufstände. Erst als er einen Weltkrieg
entfesselt, trifft ihn der Blitz. Der Sechsteiler ist nicht nur in Deutschland ein Erfolg; er gilt stilistisch als
Vorläufer des Expressionismus und bietet bereits vieles, was sich in späteren
"Frankenstein"-Filmen finden lässt.4) "In
der Riesenrolle des "Homunculus" erneuerte der dänische
Schauspieler Olaf Fønss seine Bekanntschaft mit dem Berliner
Publikum. Fønss ist ein Darsteller mit außerordentlichen
Ausdrucksmitteln, dessen hinreißendes Temperament alle Klippen, die sich
der logischen Durchführung seiner Rolle entgegenstellen, überwindet."
schrieb unter anderem die "B.Z. am Mittag" (zit. nach
"Lichtbild-Bühne", Nr. 34, 26.8.1916). "Fønss
wurde mit dieser Figur noch berühmter, als er ohnehin schon war, seine
Gage soll nach Auskunft der "Lichtbild-Bühne" (Ausgabe vom 06.05.1916) die höchste
gewesen sein, die bis dahin je im deutschen Film
gezahlt worden sei, vermerkt Wikipedia.
Foto: Olaf Fønss um 1922
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1)
(1888 1929)
Quelle: Wikimedia Commons
bzw. Wikipedia;
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Danach ging Fønss zunächst wieder in sein Heimatland zurück, übernahm
die künstlerische Leitung der "Psilander-Film" seines
plötzlich verstorbenen Kollegen Valdemar Psilander (vermutlich
Selbstmord), zeichnete für einige Produktionen verantwortlich und
übernahm wieder Hauptrollen in dänischen Stummfilmen.
Nach dem Streifen "Seelenqualen" (1920,
Samvittighedskvaler/Moderen) drehte Fønss in Deutschland mit Friedrich Wilhelm Murnau
das Melodram "Der Gang in die Nacht"5) (1921) und verkörperte den Arzt Dr. Eigil Boerne, der den
Verführungskünsten der jungen Tänzerin Lily (Gudrun Bruun-Steffensen)
erliegt; weitere Hauptrollen spielten Erna Morena und Conrad Veidt. Eine
erneute Zusammenarbeit mit Veidt (Maharadscha von Eschnapur) gab es in Joe Mays zweiteiligem, monumental-opulentem
mit viel Exotik gewürztem Abenteuer "Das
indische Grabmal"1) (1921), hier agierte er als Partner
von Mia May2)
(1884 1980) und verlieh dem Architekten Herbert Rowland Kontur. Thea von Harbous1) Roman
wurde noch zwei weitere Male verfilmt,
1938 (→ Wikipedia "Der
Tiger von Eschnapur"/"Das
indische Grabmal") von Richard Eichberg1) (1888 1952) mit La Jana und Frits van Dongen
und 1959 (→ Wikipedia "Der
Tiger von Eschnapur"/"Das
indische Grabmal") von Harbous Ex-Ehemann bzw. dem berühmten Fritz Lang1) (1890 1976) mit Debra Paget und Paul Hubschmid.
In der 1921er und 1959er Verfilmung war Fritz Lang als Co-Autor (1921 zusammen mit Thea von Harbou) am Drehbuch beteiligt.
Bis Ende der 1920er Jahre drehte Fønss in Deutschland noch einige Stummfilme, unter anderem mit Curtis Bernhardt die zu Herzen gehende Geschichte
"Die Waise von Lowood" (1926; nach dem Roman "Jane Eyre"1) der britischen Autorin Charlotte Brontë), wo
sich Fønss neben der Titelheldin Evelyn Holt als Lord Edward Rochester zeigte. William (Wilhelm) Dieterle besetzte ihn
in dem Drama "Ich lebe für Dich" (1929, mit Lien Deyers) als Fürsten Wronsky, sein letzter Stummfilm
hieß "Die seltsame Vergangenheit der Thea Carter" (1929; Regie: Ernst Laemmle), hier stand er mit
der Figur des Direktors Carter als Partner von June Marlowe vor der Kamera.
Den Sprung zum Tonfilm schaffte Olaf Fønss wie etliche andere
Stummfilmstars nicht, die deutsch-dänische Produktion "Vask, videnskab og velvære" (1932) blieb
sein einziger Tonfilm, zugleich sein letzter Auftritt als
Filmschauspieler seine Karriere war beendet. Stattdessen versuchte er,
wieder am Theater Fuß zu fassen, fungierte zwischen 1933 und 1947 als
Vorsitzender des dänischen Schauspielerverbandes sowie als Film-Zensor;
er war auch politisch aktiv und engagierte sich für die dänischen Sozialdemokraten.
Darüber hinaus verfasste er sieben Bücher über seine Erfahrungen
als Leinwanddarsteller. 1946 erhielt er eine Kino-Konzession und eröffnete
in Kopenhagen das "World Cinema", welches im Sommer auch als Zirkus genutzt
wurde; dieses Unternehmen führte er bis zu seinem Tod.
Vereinzelt stand Fønss auch hinter der Kamera, so unter anderem für das experimentelle
Drama "Seelenqualen" (1920, Samvittighedskvaler. Er gibt einen
Börsenspekulanten, der in den Ruin getrieben wird und dadurch an seiner Geliebten, die ihn verlässt, zum Mörder
wird. Er steht ganz allein vor der Kamera. Der Film kommt ohne Zwischentitel aus und zeigt trotzdem eindrucksvoll
die inneren Seelenzustände des Protagonisten.4)
Olaf Fønss starb am 3. November 1949 in Kopenhagen wenige Wochen
nach seinem 67. Geburtstag.
Sein jüngerer Bruder Johannes Fønss machte sich später als
Opernsänger (Bass) vor allem in Deutschland einen Namen, Aage Fønss
war ebenfalls ein bekannter Schauspieler im dänischen Film und spielte
zwischen 1910 und Mitte der 1960er Jahre in etlichen Stumm- und Tonfilmen,
wie unter anderem auch in Deutschland in dem Drama "Das
Haus der Leidenschaften"5) (1916) als Partner von Maria Carmi.
Darüber hinaus trat Aage Fønss ebenfalls als Opernsänger in
Erscheinung.
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