Rosa Valetti vor 1929; Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: www.cyranos.ch Die Schauspielerin, Kabarettistin und Chansonnière Rosa Valetti wurde am 25. Januar 1876*) (nach anderen Quellen 1878**)) als Rosa Vallentin in Berlin geboren und gehört bis heute zu den wichtigsten Frauen in der Kabarett-Geschichte. Die Tochter des Holzhändlers und Fabrikbesitzers Felix Vallentin wuchs gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Hermann Vallentin1) (1872 – 1945) auf, der sich später als Schauspieler einen Namen machen sollte. Schon als junges Mädchen zog es Rosa zur Bühne, ohne Wissen der Eltern machte sie an Vorstadtbühnen erste Erfahrungen auf den "Brettern, die die Welt bedeuten" und nahm heimlich Schauspielunterricht. Mitte der 1890er Jahre ging sie nach Paris sowie Wien, vertiefte ihre Studien und ließ sich zur Chansonette ausbilden. Zurück in Berlin, wirkte sie als Gast an verschiedenen Bühnen und entwickelte sich zu einer gefragten Charakterdarstellerin; 1908 erhielt sie ein festes Engagement am "Neuen Theater". Während des 1. Weltkrieges wurde sie mit der Leitung des "Residenztheaters" betraut und führte dort auch erstmals Regie.
Nach Kriegsende entdeckte sie – animiert durch die Novemberrevolution und durch die Begegnung mit Kurt Tucholsky2) – ihre Liebe zum Kabarett, trat zunächst an der von Max Reinhardt2) (1873 – 1943) mitbegründeten legendären Kleinkunstbühne "Schall und Rauch"2) auf. Am 23. Dezember 1920 gründete sie mit dem berühmt gewordenen "Kabarett Größenwahn" in den Räumen des ehemaligen "Café Größenwahn"2) ihre eigene Bühne, die rasch zum Anziehungspunkt der literarischen, politisch links gerichteten Künstlerszene wurde.
 
Foto: Rosa Valetti vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder2) (1888 – 1929)
Quelle: www.cyranos.ch;
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Im Mittelpunkt der Vorführung standen das Chanson "Berlin simultan" von Walter Mehring, Tucholskys "Rote Melodie", eine Warnung an den rechts-reaktionären General Ludendorff, Klabunds Adaptation des Berliner Lieds "Obdachlosenasyl" sowie die von Hollaender für Blandine Ebinger verfassten und komponierten "Lieder eines armen Mädchens". Über Rosa Valettis Chanson-Vorträge schrieb in jener Zeit der Lyriker, Theater- und Kabarettkritiker Max Herrmann-Neiße: "… ihr besonderes Gebiet ist dort, wo aus einer missachteten oder misshandelten Kreatur der große Aufschrei der Empörung, des Hasses oder Trotzes dringt …" Mit Rücksicht auf das zahlungskräftige Publikum des Berliner Westens war die Prinzipalin bei den politischen Chansons mehrmals zu inhaltlichen Abstrichen gezwungen.3)
Ende 1922 gab Rosa Valetti die Leitung des "Kabarett Größenwahn" an den Schriftsteller Hanns Schindler ab, übernahm im März 1922 für einige Monate als Mitdirektorin das literarisch-politische Kabarett "Die Rakete". Am 19. November 1922 rief sie mit "Die Rampe" am Kurfürstendamm ein weiteres Kabarett ins Leben, mit ihr wollte sie die Tradition des "Größenwahn" fortsetzen. Doch die Zeitumstände – die Weimarer Republik befand sich nach der Inflation im wirtschaftlichen Aufwind – und die seit Ende 1921 ihr Unternehmen bedrängende ernsthafte Konkurrenz durch Trude Hesterbergs "Wilde Bühne", ließ Rosa Valetti 1925 aufgeben.2)
 
Daneben trat sie an allen wichtigen Berliner Kabaretts auf, etwa in dem 1928 von ihr mit dem Komponisten Erich Einegg2) gegründeten Kabarett "Larifari" oder im berühmten "Kabarett der Komiker"2). Auch auf der Theaterbühne feierte sie Erfolge, so mit der Rolle der Mrs. Peachum an der Seite von Erich Ponto1) (Jonathan Peachum) und Harald Paulsen1) (Mackie Messer) in der Uraufführung (31.08.1928) der Brecht/Weill'schen "Die Dreigroschenoper" im "Theater am Schiffbauerdamm" → Foto2) des Theaterzettels zur Uraufführung der "Dreigroschenoper", der Name der Hauptdarstellerin Lotte Lenya1) fehlt (Seeräuber-Jenny) versehentlich. "Verludert, versoffen, giftig-süß" beschrieb der Literaturkritiker Ernst Friedrich Heilborn2) Valettis Interpretation der Mrs. Peachum in der "Frankfurter Zeitung" (07.09.1928). Drastisch war sie auch in dem mit Songs und Tanznummern gespickten Revuestück "Zwei Krawatten" als Corned-Beef-Fabrikantin Robison (UA: 05.09.1929, "Berliner Theater", Regie: Forster Larringa)**), der Text stammte von Georg Kaiser2), die Musik von Mischa Spoliansky2). In dieser Aufführung zeigten sich mit Hauptrollen Hans Albers1) (Kellner Jean) sowie Marlene Dietrich1) (reiche Amerikanerin Mabel), die hier von Josef von Sternberg2), der gerade eine Hauptdarstellerin für den Film "Der Blaue Engel" suchte, entdeckt wurde und damit eine Weltkarriere startete.

Schon früh fühlte sich Rosa Valetti zum noch jungen Medium Film hingezogen, ihren ersten Leinwandauftritt hatte sie in Viggo Larsens kurzem Streifen "Madame Potiphar"4) (1911) neben dem Regisseur selbst und Max Mack. 1916 entstanden mit "Rosa kann alles" und "Rosa als Straßensängerin" unter der Regie von William Wauer sogar zwei ganz auf sie abgestellte kurze Filmgeschichten. In den nachfolgenden Jahren trat sie mit prägnanten Nebenrollen in zahlreichen stummen Produktionen in Erscheinung und verkörperte meist resolute Frauen-Typen. "Ihre Figuren waren schillernde, teils skurrile, teils hintertriebene und schurkisch-verschlagene Typen, raffinierte Kaschemmenfrauen und solche aus niedrigen sozialen Schichten, giftige alte Weiber, verkommene Wirtinnen, bösartige Haushälterinnen und verlebte Puffmütter." notiert Kay Weniger.*)
So mimte sie beispielsweise die mannstolle Pensionswirtin Lesser in Richard Oswalds Drama "Kurfürstendamm"5) (1920) an der Seite von Conrad Veidt und Asta Nielsen, eine bös-hinterhältige Schankwirtin in Fritz Wendhausens "Der ewige Fluch"4) (1921) oder die Großmutter in der deutsch-britischen Co-Produktion "Die Prinzessin und der Geiger"2) (1925; Regie: Graham Cutts). Die durchtriebene, giftmischerische Haushälterin zeichnete sie in Friedrich Wilhelm Murnaus Molière-Adaption "Tartüff"2) (1925) mit Emil Jannings in der Titelrolle: "In der Verkörperung dieser Figur feierte Rosa Valetti einen Triumph derb zupackender Gestaltung." konnte man im "Vorwärts" (31.01.1926) lesen.**) Weitere beachtenswerte, stumme Rollen waren unter anderem die Puffmutter in Ludwig Bergers Romanze "Das brennende Herz"5) (1929) mit Mady Christians und Gustav Fröhlich und die verlotterte Wirtin in Joe Mays "Asphalt2) (1929), "ein Sozialstück aus dem Berliner Kleine-Leute-"Milljöh"6) erneut mit Gustav Fröhlich sowie Betty Amann. 
Ihre erste Tonfilm-Rolle gestaltete Rosa Valetti in dem Klassiker "Der blaue Engel"2) (1930) als Frau des Zauberkünstlers Kiepert (Kurt Gerron) und bot als Guste "die bodenständige Professionalität, Gegenpol zur Verruchtheit von Marlene Dietrichs Lola-Lola".**) Als Wirtin kam sie in einem weiteren Film daher, der Kino-Geschichte schrieb: Fritz Langs "M – Eine Stadt sucht einen Mörder"2) (1931) mit Peter Lorre in der Hauptrolle des Kindermörders. Es folgten weitere bemerkenswerte Nebenrollen in Filmen wie der ganz auf Max Adalbert zugeschnittenen Komödie "Das Ekel"4) (1931), der Geschichte "Die Abenteuerin von Tunis"4) (1931) oder dem Musikfilm "Zwei Herzen und ein Schlag"4) (1932). In der von Fritz Lang in Frankreich gedrehten Molnár-Adaption "Liliom" (1934; doppelsprachige Fassung Französisch und Deutsch) trat sie letztmalig neben Protagonist Charles Boyer mit einem kleinen Part in einem Kinofilm auf.
 
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde die Karriere der Künstlerin mit jüdischen in Deutschland Wurzeln abrupt beendet. Rosa Valetti emigrierte 1933 nach Österreich, wo sie bis 1935 am "Theater in der Josefstadt" Beschäftigung fand. Gastspiele führten sie unter anderem an das "Neue Theater" in Prag sowie 1936 nach Palästina., wo sie einen Abend mit hebräischen Liedern gestaltete. Im September 1937 feierte sie, an der Seite von Ernst Deutsch, ihren letzten Bühnenerfolg an den Wiener "Kammerspielen" mit dem Stück "Rovina".*)
Wenig später starb Rosa Valetti am 10. Dezember 1937 im Alter von 61 Jahren (legt man das Geburtsjahr 1876 zugrunde) in Wien; ihre letzte Ruhestätte fand sie im dortigen Urnenhain der "Feuerhalle Simmering"2) → Foto bei www.knerger.de.
In Berlin-Mahlsdorf erinnert die "Rosa-Valetti-Straße" an die legendäre Künstlerin.
 
Rosa Valetti war mit dem Schauspieler Ludwig Roth verheiratet, der 1938 in die USA emigrierte und dort unter anderem als Mitarbeiter an deutschsprachigen Rundfunksendungen beteiligt war. Die gemeinsame Tochter Lisl Valetti2) (1914 – 2004) ergriff ebenfalls den Beruf der Schauspielerin und debütierte bereits 17-Jährig mit einem winzigen Part in Leontine Sagans Klassiker "Mädchen in Uniform"2) (1931). Mit ihrem Vater ging sie ins US-amerikanische Exil, wirkte in den 1940er Jahren in etlichen, überwiegend antinazistisch-propagandistisch ausgerichteten Filmproduktionen mit.

Quellen (unter anderem)*): Wikipedia, www.exilarchiv.de sowie
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 14**)
Siehe auch filmportal.de
Fotos bei www.virtual-history.com
mit Artikeln aus "Filmwelt": Nr. 22 (31.05.1931); Nr. 3 (17. 01.1932); Nr. 7 (12.02.1933)
*) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben … Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S.  516)
**) CineGraph LG 14 mit den Quellen:
  • Rosa Valetti. In: Walter Firaer (Hg.): Wir und das Theater (München: Bruckmann 1932)
  • Julius Bab: Rosa Valetti und Hermann Vallentin oder Geschwister spielen. In: J. B.: Schauspieler und Schauspielkunst (Berlin: Oesterheld 4. erw. Aufl. 1926, S. 66–72)
  • Hans Flemming: Rosa Valetti. In: Karl Wilczynski (Hg.): Funkköpfe. (Berlin: Verlag Funk-Dienst 1927, S. 133–136)
  • Klaus Völker: Rosa Valetti. In: Uta Berg-Ganschow, Wolfgang Jacobsen (Hg.): …Film…Stadt…Kino…Berlin… (Berlin/West Argon 1987, S. 78/79)
Link: 1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia, 4) Murnau Stiftung, 5) filmportal.de
3) Quelle: www.wissen.de; Links: Wikipedia sowie Kurzportrait innerhalb dieser HP
6) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben … Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 338)
Lizenz Foto Rosa Valetti (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
Filme
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie
verschiedene Stummfilme bei www.earlycinema.uni-koeln.de
(Link: Murnau Stiftung, Wikipedia, filmportal.de)
Stummfilme
  • 1911: Madame Potiphar
  • 1911: Die Ballhaus-Anna
  • 1914: Wollen sie meine Tochter heiraten ?
  • 1914: Kleine weiße Sklaven (Kurzfilm)
  • 1915: Das Laster
  • 1916: Spiel im Spiel
  • 1916: Rosa kann alles
  • 1916: Rosa als Straßensängerin
  • 1916: Die Gräfin Heyers
  • 1917: Nicht lange täuschte mich das Glück
  • 1918: Wanderratten (Kurzfilm)
  • 1918: Die lachende Maske
  • 1918: Othello oder: Das Verhängnis eines Fürstenhauses
  • 1918: Schwiegermutter
  • 1918: Der verlorene Sohn (nur Regie)
  • 1919: Seelenverkäufer
  • 1919: Die Geächteten
  • 1919: Hang Lu oder: Der verhängnisvolle Schmuck
  • 1919: Der blasse Albert
  • 1920: Die rote Katze
  • 1920: Der gelbe Tod, 2 Teile
  • 1920: Der fliegende Tod
  • 1920: Verlorene Töchter, Teil 3: Die Menschen nennen es Liebe
  • 1920: Die Tänzerin Barberina
  • 1920: Kurfürstendamm
  • 1920: Moral
  • 1920: Anständige Frauen
  • 1920: Christian Wahnschaffe, Teil 1: Weltbrand
  • 1920: Die Schuld der Lavinia Morland
  • 1920: Steuermann Holk → Wikipedia
  • 1920: Die entfesselte Menschheit
  • 1920: Die glühende Kammer
  • 1920: Narrentanz der Liebe
  • 1920: Der Dummkopf
  • 1920/21:: Das Mädchen aus der Ackerstraße
  • 1921: Die im Schatten gehen
  • 1921: Das Haus zum Mond
  • 1921: Hannerl und ihre Liebhaber
  • 1921: Die drei Tanten
  • 1921: Das Gewissen der Welt, Teil 1: Schattenpflanzen der Großstadt
  • 1921: Madeleine
  • 1921: Der ewige Fluch
  • 1922: Gespenster
  • 1922: Der Graf von Essex
  • 1922: Der Strom
  • 1922: Die Schneiderkomtess
  • 1924: Zwischen Morgen und Morgen
  • 1924: Steuerlos
Noch: Stummfilme Tonfilme
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