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Die Schauspielerin, Kabarettistin und Chansonnière Rosa Valetti
wurde am 25. Januar 1876*)
(nach anderen Quellen 1878**))
als Rosa Vallentin in Berlin
geboren und gehört bis heute zu den wichtigsten Frauen in der
Kabarett-Geschichte. Die Tochter des Holzhändlers und Fabrikbesitzers Felix Vallentin
wuchs gemeinsam mit ihrem älteren Bruder Hermann Vallentin1)
(1872 1945) auf, der sich später als Schauspieler einen Namen
machen sollte. Schon als junges Mädchen zog es Rosa zur Bühne, ohne Wissen
der Eltern machte sie an Vorstadtbühnen erste Erfahrungen auf den
"Brettern, die die Welt bedeuten" und nahm heimlich
Schauspielunterricht. Mitte der 1890er Jahre ging sie nach Paris sowie Wien,
vertiefte ihre Studien und ließ sich zur Chansonette ausbilden. Zurück in Berlin,
wirkte sie als Gast an verschiedenen Bühnen und entwickelte sich zu einer
gefragten Charakterdarstellerin; 1908 erhielt sie ein festes Engagement am
"Neuen Theater". Während des 1. Weltkrieges wurde sie mit der
Leitung des "Residenztheaters" betraut und führte dort
auch erstmals Regie.
Nach Kriegsende entdeckte sie animiert durch die Novemberrevolution und durch die Begegnung mit
Kurt Tucholsky2) ihre Liebe zum Kabarett,
trat zunächst an der von Max Reinhardt2)
(1873 1943) mitbegründeten legendären Kleinkunstbühne
"Schall
und Rauch"2) auf. Am 23. Dezember 1920 gründete sie mit
dem berühmt gewordenen "Kabarett Größenwahn" in den Räumen des
ehemaligen "Café
Größenwahn"2) ihre eigene Bühne, die rasch zum
Anziehungspunkt der literarischen, politisch links gerichteten Künstlerszene
wurde.
Foto: Rosa Valetti vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander
Binder2) (1888 – 1929)
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Im Mittelpunkt der Vorführung standen das Chanson "Berlin
simultan" von Walter Mehring, Tucholskys "Rote Melodie", eine
Warnung an den rechts-reaktionären General Ludendorff, Klabunds Adaptation
des Berliner Lieds "Obdachlosenasyl" sowie die von Hollaender für
Blandine Ebinger verfassten
und komponierten "Lieder eines armen Mädchens".
Über Rosa Valettis Chanson-Vorträge schrieb in jener Zeit der Lyriker,
Theater- und Kabarettkritiker Max Herrmann-Neiße: "
ihr
besonderes Gebiet ist dort, wo aus einer missachteten oder misshandelten
Kreatur der große Aufschrei der Empörung, des Hasses oder Trotzes dringt
"
Mit Rücksicht auf das zahlungskräftige Publikum des Berliner Westens war
die Prinzipalin bei den politischen Chansons mehrmals zu inhaltlichen
Abstrichen gezwungen.3)
Ende 1922 gab Rosa Valetti die Leitung des "Kabarett Größenwahn" an
den Schriftsteller Hanns Schindler ab, übernahm im März 1922 für
einige Monate als Mitdirektorin das literarisch-politische Kabarett "Die
Rakete". Am 19. November 1922 rief sie mit "Die Rampe" am Kurfürstendamm
ein weiteres Kabarett ins Leben, mit ihr wollte sie die Tradition
des "Größenwahn" fortsetzen. Doch die Zeitumstände die
Weimarer Republik befand sich nach der Inflation im wirtschaftlichen Aufwind und die seit Ende 1921
ihr Unternehmen bedrängende ernsthafte
Konkurrenz durch Trude Hesterbergs "Wilde Bühne", ließ Rosa Valetti 1925 aufgeben.2)
Daneben trat sie an allen wichtigen Berliner Kabaretts auf, etwa in dem 1928
von ihr mit dem Komponisten Erich Einegg2) gegründeten Kabarett "Larifari" oder im
berühmten "Kabarett der
Komiker"2). Auch auf der Theaterbühne feierte sie
Erfolge, so mit der Rolle der Mrs. Peachum an der Seite von Erich Ponto1)
(Jonathan Peachum) und Harald Paulsen1)
(Mackie Messer) in der Uraufführung (31.08.1928) der Brecht/Weill'schen "Die
Dreigroschenoper" im "Theater am Schiffbauerdamm" → Foto2) des
Theaterzettels zur Uraufführung der "Dreigroschenoper", der Name
der Hauptdarstellerin Lotte Lenya1) fehlt
(Seeräuber-Jenny) versehentlich. "Verludert, versoffen, giftig-süß"
beschrieb der Literaturkritiker Ernst Friedrich Heilborn2) Valettis Interpretation der Mrs. Peachum
in der "Frankfurter Zeitung" (07.09.1928). Drastisch war sie auch in
dem mit Songs und Tanznummern gespickten Revuestück
"Zwei Krawatten" als Corned-Beef-Fabrikantin Robison (UA: 05.09.1929,
"Berliner Theater", Regie: Forster Larringa)**),
der Text stammte von Georg Kaiser2),
die Musik von Mischa Spoliansky2). In
dieser Aufführung zeigten sich mit
Hauptrollen Hans Albers1) (Kellner Jean)
sowie Marlene Dietrich1) (reiche Amerikanerin Mabel),
die hier von Josef von Sternberg2),
der gerade eine Hauptdarstellerin für
den Film "Der Blaue Engel" suchte, entdeckt wurde und damit eine
Weltkarriere startete.
Schon früh fühlte sich Rosa Valetti zum
noch jungen Medium Film hingezogen, ihren ersten Leinwandauftritt hatte sie
in Viggo Larsens kurzem Streifen "Madame
Potiphar"4) (1911) neben dem Regisseur selbst
und Max Mack. 1916 entstanden mit "Rosa kann alles"
und "Rosa als Straßensängerin" unter der Regie
von William Wauer sogar zwei ganz auf sie abgestellte kurze Filmgeschichten.
In den nachfolgenden Jahren trat sie mit prägnanten
Nebenrollen in zahlreichen stummen Produktionen in Erscheinung und
verkörperte meist resolute Frauen-Typen. "Ihre Figuren waren schillernde, teils skurrile, teils
hintertriebene und schurkisch-verschlagene Typen, raffinierte Kaschemmenfrauen und solche aus niedrigen
sozialen Schichten, giftige alte Weiber, verkommene Wirtinnen, bösartige Haushälterinnen und verlebte Puffmütter."
notiert Kay Weniger.*)
So mimte sie beispielsweise die mannstolle Pensionswirtin Lesser in
Richard Oswalds Drama "Kurfürstendamm"5) (1920) an der Seite
von Conrad Veidt und Asta Nielsen, eine
bös-hinterhältige Schankwirtin in Fritz Wendhausens "Der ewige Fluch"4) (1921) oder die
Großmutter in der deutsch-britischen Co-Produktion "Die
Prinzessin und der Geiger"2) (1925; Regie:
Graham Cutts). Die durchtriebene, giftmischerische Haushälterin zeichnete sie
in Friedrich Wilhelm Murnaus Molière-Adaption "Tartüff"2) (1925) mit
Emil Jannings in der Titelrolle: "In der Verkörperung dieser Figur feierte Rosa Valetti einen Triumph derb zupackender
Gestaltung." konnte man im "Vorwärts" (31.01.1926) lesen.**)
Weitere beachtenswerte, stumme Rollen waren unter anderem die Puffmutter in
Ludwig Bergers Romanze "Das brennende Herz"5) (1929) mit Mady Christians und Gustav Fröhlich
und die verlotterte Wirtin
in Joe Mays "Asphalt2) (1929), "ein Sozialstück aus dem Berliner
Kleine-Leute-"Milljöh"6) erneut mit Gustav Fröhlich sowie Betty Amann.
Ihre erste Tonfilm-Rolle gestaltete Rosa Valetti in dem Klassiker "Der
blaue Engel"2) (1930) als Frau des Zauberkünstlers Kiepert (Kurt Gerron) und bot
als Guste "die bodenständige Professionalität, Gegenpol zur Verruchtheit von Marlene Dietrichs
Lola-Lola".**) Als
Wirtin kam sie in einem weiteren Film daher, der Kino-Geschichte schrieb: Fritz Langs "M Eine Stadt sucht einen Mörder"2) (1931)
mit Peter Lorre in der Hauptrolle des Kindermörders. Es folgten
weitere bemerkenswerte Nebenrollen in Filmen wie der ganz auf Max Adalbert
zugeschnittenen Komödie "Das Ekel"4) (1931),
der Geschichte "Die Abenteuerin von Tunis"4) (1931)
oder dem Musikfilm "Zwei Herzen und ein Schlag"4) (1932).
In der von Fritz Lang in Frankreich gedrehten Molnár-Adaption
"Liliom" (1934; doppelsprachige Fassung Französisch und
Deutsch) trat sie letztmalig neben Protagonist Charles Boyer mit einem
kleinen Part in einem Kinofilm auf.
Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde die Karriere der
Künstlerin mit jüdischen in Deutschland Wurzeln abrupt beendet. Rosa Valetti emigrierte
1933 nach Österreich, wo sie bis 1935 am "Theater in der Josefstadt"
Beschäftigung fand. Gastspiele führten sie unter anderem an das "Neue
Theater" in Prag sowie 1936 nach Palästina., wo sie einen Abend mit hebräischen Liedern
gestaltete. Im September 1937 feierte sie, an der Seite von Ernst Deutsch, ihren letzten Bühnenerfolg an den Wiener
"Kammerspielen" mit dem Stück "Rovina".*)
Wenig später starb Rosa Valetti am 10. Dezember 1937 im Alter von 61 Jahren (legt
man das Geburtsjahr 1876 zugrunde) in Wien; ihre letzte Ruhestätte fand sie im dortigen Urnenhain
der "Feuerhalle Simmering"2)
→ Foto bei www.knerger.de.
In Berlin-Mahlsdorf
erinnert die "Rosa-Valetti-Straße" an die legendäre
Künstlerin.
Rosa Valetti war mit dem Schauspieler Ludwig Roth verheiratet, der 1938 in die USA
emigrierte und dort unter anderem als Mitarbeiter an deutschsprachigen
Rundfunksendungen beteiligt war. Die gemeinsame Tochter Lisl Valetti2) (1914 2004) ergriff ebenfalls den Beruf der
Schauspielerin und debütierte bereits 17-Jährig mit einem winzigen Part in
Leontine Sagans Klassiker "Mädchen
in Uniform"2) (1931). Mit ihrem Vater ging sie ins
US-amerikanische Exil, wirkte in den 1940er Jahren in etlichen, überwiegend
antinazistisch-propagandistisch ausgerichteten Filmproduktionen mit.
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*) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben
Lexikon der aus Deutschland und Österreich
emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 516)
**) CineGraph LG 14 mit den Quellen:
- Rosa Valetti. In: Walter Firaer (Hg.): Wir und das Theater (München: Bruckmann 1932)
- Julius Bab: Rosa Valetti und Hermann Vallentin oder Geschwister spielen. In: J. B.: Schauspieler und
Schauspielkunst (Berlin: Oesterheld 4. erw. Aufl. 1926, S. 6672)
- Hans Flemming: Rosa Valetti. In: Karl Wilczynski (Hg.): Funkköpfe. (Berlin: Verlag Funk-Dienst 1927, S. 133136)
- Klaus Völker: Rosa Valetti. In: Uta Berg-Ganschow, Wolfgang Jacobsen (Hg.):
Film
Stadt
Kino
Berlin
(Berlin/West Argon 1987, S. 78/79)
Link: 1) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 2) Wikipedia, 4) Murnau Stiftung, 5) filmportal.de
3) Quelle: www.wissen.de;
Links: Wikipedia sowie Kurzportrait innerhalb dieser HP
6) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben
Lexikon der aus Deutschland und Österreich
emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht. (ACABUS Verlag, Hamburg 2011, S. 338)
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