Filmografie als Darsteller / als Regisseur
Reinhold Schünzel wurde am 7. November 1888 in Hamburg geboren. Der Vater Bernhard Theodor Hermann Schünzel (1856 – 1924) war ein ehemaliger Schauspieler, der später Kaufmann wurde, Mutter Dorothea jüdischer Abstammung. Seine Kindheit und Jugend verbrachte Schünzel in St. Pauli1), etwa 1898 zog die Familie nach Berlin, wo er später nach dem Abschluss an der "Höheren Bürgerschule" eine kaufmännische Ausbildung im Berliner "Verlagshaus August Scherl"1) absolvierte und dort zunächst arbeitete.
1912 spielte er unter einem Pseudonym Theater und entschied sich für die Bühnenlaufbahn. Bereits zwei Jahre später, zur Spielzeit 1914/15, erhielt er ein Engagement als jugendlicher Komiker am "Stadttheater Bern"1), ab 1915 wirkte der vom Kriegsdienst befreite Schünzel in Berlin als Regisseur und Theaterschauspieler, trat unter anderem am "Komödienhaus am Schifferbauerdamm"1) und am "Theater in der Königgrätzer Straße"1) auf.
Reinhold Schünzel 1921; Urheber: Alexander Binder (1888–1929); Quelle: Wikipedia bzw. Wikimedia Commons; Ross-Karte Nr. 361/2; Lizenz: gemeinfrei Sein Leinwanddebüt gab Schünzel 1916 in dem von Carl Froelich1) in Szene gesetzten Stummfilm "WernerKrafft – Der Maschinenbauer"1) und mimte neben Protagonist Eduard von Winterstein als Heinz Kleinschmidt einen missratenen Fabrikantensohn. Im gleichen Jahr begann seine fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Regisseur Richard Oswald1). Ob in Oswalds Sitten- und Aufklärungsfilmen wie "Das Tagebuch einer Verlorenen"1) (1918), "Anders als die Anderen"1) (1919), "Die Prostitution"1) (1919) oder in dessen Grusel- und Verbrecherfilmen wie "Unheimliche Geschichten"1) (1919), ob in den Kriminalfilmen der Max-Landa-Detektiv-Serie von E. A. Dupont1) und Carl Müller-Hagens – Schünzel mimte den zügellosen Lebemann und Verführer, den verschlagenen Zuhälter und Erpresser. Er "bediente" nicht nur das Unterhaltungskino sondern übernahm auch Aufgaben in anspruchsvollen Produktionen, wie seine Rolle des Herzogs Étienne-François de Choiseul1)1)1) in Ernst Lubitschs1) Historienstreifen "Madame Dubarry"1) (1919) neben Pola Negri als Marie-Jeanne Bécu1), comtesse du Barry, Mätresse des französischen Königs Ludwigs XV.1) (Emil Jannings), oder sein Part des Hofmarschalls von Kalb in Carl Froelichs Adaption "Luise Millerin"1) (1922) nach dem Drama "Kabale und Liebe"1) von Friedrich Schiller1) mit Lil Dagover als Luise und Paul Hartmann als zeigen.
 
 
Foto: Reinhold Schünzel 1921
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: Wikimedia Commons; Ross-Karte Nr. 361/2
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier
1918 führte Schünzel erstmals Regie bei kleinen, humoristischen Zwei-Aktern mit Ehefrau Hanne Brinkmann1) als Protagonistin, die zwar Dutzendware waren, ihm aber das Handwerk ermöglichten. Doch erst mit dem opulenten Biopic "Der Graf von Cagliostro"1) (1920) mit sich selbst als der Abenteurer Alessandro Cagliostro bzw. Graf Phönix und Anita Berber als dessen Sklavin/Ehefrau Lorenza sowie vor allem dem Monumentalfilm "Katharina die Große"1) (1920) mit Lucie Höflich als Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, die spätere russische Zarin Katharina die Große1), und seiner Rolle als Zar Peter III.1) etablierte er sich als Filmregisseur, gründete seine eigene "Lichtbild-Fabrikation Schünzel-Film", mit der er auch Co-Produktionen mit der Wiener "Micco-Film"2) realisierte. Bis Ende der 1920er Jahre drehte er weitere stumme Streifen wie "Der Roman eines Dienstmädchens"1) (1921), "Das Geld auf der Straße" (1921), "Hallo Caesar!"1) (1927) oder "Peter der Matrose"1) (1929) und übernahm in verschiedenen der Filme zudem tragende Rollen → Übersicht Stummfilme als Darsteller/als Regisseur.
Mit Beginn der Tonfilm-Ära realisierte Schünzel vor allem ironische Komödien mit musikalischem Schmiss und Renate Müller als weiblichem Star, wie beispielsweise "Der kleine Seitensprung"1) (1931), "Wie sag ich's meinem Mann?"1) (1932) sowie den meisterlichen Kassenschlager "Viktor und Viktoria"1) (1933).
 

Reinhold Schünzel zwischen den Boxern Max Schmeling (rechts) und José Santa bei den Dreharbeiten zum Film "Liebe im Ring" (1930); Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 102-09082; Fotograf: Unbekannt / Datierung: Januar 1930 / Lizenz CC-BY-SA 3.0.

Reinhold Schünzel zwischen den Boxern Max Schmeling (rechts)
und José Santa*) (1902–1968) bei den Dreharbeiten zu dem Film
"Liebe im Ring"1) (1930)
 
Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 102-09082;
Fotograf: Unbekannt / Datierung: Januar 1930 / Lizenz CC-BY-SA 3.0.
Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb
dieser Webpräsenz wurde am 11.10.2010 erteilt.
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv Bild 102-09082 bzw. Wikimedia Commons
*) Link: Wikipedia (englisch)

Unter anderem drehte er mit Renate Müller, Adolf Wohlbrück, der legendären Adele Sandrock, Fritz Odemar und Georg Alexander die turbulente Gesellschaftskomödie "Die englische Heirat"1) (1934), mit Willy Fritsch, Paul Kemp und Käthe Gold die berühmte musikalische Komödie "Amphitryon – Aus den Wolken kommt das Glück"1) (1935), mit Anny Ondra und Viktor Staal "Donogoo Tonka, die geheimnisvolle Stadt"1) (1936) oder "Das Mädchen Irene"1) (1936) mit Lil Dagover und Sabine  Peters.
Als Schauspieler wechselte er zwischen Bühne und Leinwand, gestaltete unter anderem in Georg Wilhelm Pabsts1) freien Verfilmung "Die Dreigroschenoper"1) (1931) nach dem gleichnamigen Bühnenstück1) von Bertolt Brecht/Kurt Weill1) neben Rudolf Forster (Mackie Messer) den Polizeichef Tiger-Brown. Zusammen mit Käthe von Nagy und Willy Fritsch präsentierte er sich in der Tonfilmoperette "Ihre Hoheit befielt"1) (1931) und mimte den Staatsminister Graf Herlitz, oder war als Alfred Kampf, Ehemann von Jeanne (Lucie Mannheim) bzw. Vater von Antoinette (Dolly Haas), in dem Streifen"Der Ball"1) (1931) nach der Erzählung von Irène Némirovsky1) zu sehen.
  
Seit Mitte der 1930er Jahre wurde die künstlerische Arbeit des im Nazi-Jagon als "Halbjude" bezeichneten Schünzel von den braunen Machthabern durch befristete Arbeitserlaubnisse behindert, durfte nur mit von Propagandaminister Joseph Goebbels1) jeweils ausgestellten Sondergenehmigungen tätig sein. 1937 schloss er die satirische Persiflage "Land der Liebe"1) ab, verließ noch vor der Uraufführung im Juni 1937 Deutschland und emigrierte in die USA, wo er weiterhin inszenierte sowie als Schauspieler auftrat. Doch obwohl die drei von im inszenierten Musikfilme/Komödien "Rich Man, Poor Girl" (1938) "Balalaika"1) (1939) und "The Ice Follies of 1939"1) (1938/39, "Tanz auf dem Eis"), die er in den nächsten zwei Jahren für die MGM-Studios1) drehte, zum Teil sehr erfolgreich waren, gelangt ihm der Durchbruch als Regisseur in Amerika nicht. "New Wine" (1941, "Die Unvollendete") mit Alan Curtis1) als Komponist Franz Schubert1) und unter anderem Albert Bassermann als dessen Förderer Ludwig van Beethoven1) war schließlich Schünzels letzte Regiearbeit in Hollywood →  Übersicht Tonfilme als Regisseur. Große Anerkennung dagegen erlangte er durch seine Inszenierungen bei den "Players from Abroad"1), einem Ensemble in die USA emigrierter europäischer Schauspieler.
Als Darsteller wurde Schünzel gerne in der Maske des (mitunter finsteren) Nazi-Schurken besetzt, wie als Inspektor Ritter in "Hangmen Also Die!"1) (1942, "Auch Henker sterben"). Er trat als General Erich Ludendorff1) in dem Historien-Drama "The Hitler Gang"1) (1944) neben Robert Watson1) als Adolf Hitler1) in Erscheinung oder als Walther, alter Freund des deutschen Wissenschaftlers und Friedensaktivisten Dr. Bernhardt (Paul Lukas1)) in dem Thriller "Berlin-Express"1) (1948). Zum Höhepunkt seines differenzierten Spiels geriet unter der Regie von Alfred Hitchcock1) seine Rolle des Nazi-Verschwörers "Dr. Anderson" in dem Krimi "Notorious"1)  (1946, "Berüchtigt") mit Ingrid Bergman und Cary Grant, für Mitchell Leisens1) melodramatischen Spionagefilm "Golden Earrings"1) (1947, "Goldene Ohrringe") nach dem Roman von Yolanda Foldes1) stand er mit Marlene Dietrich und Ray Milland vor der Kamera und spielte er den deutschen Professor Otto Krosigk, der eine spezielle Giftgas-Formel entwickelt hatte, in W. Lee Wilders1) Drama "The Vicious Circle" (1948) nach dem Theaterstück "The Burning Bush" von Heinz Herald1) und Géza Herczeg1) den Baron Arady.
Ende Juni 1949 kehrte Schünzel nach Deutschland zurück, arbeitete als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, als Schauspieler trat er im Film nur noch wenige Male in Erscheinung. Für seine Rolle des Konsul Rittinghaus, Vater von Bim (Anneliese Kaplan1)), im 2. Teil der Clemens Laar1)-Verfilmung "Meines Vaters Pferde" (1954) mit dem Titel "Seine dritte Frau"1) erhielt er im Sommer 1954 den "Bundesfilmpreis" als "Bester männlicher Nebendarsteller"1). Einen letzte Leinwandauftritt hatte Schünzel als Impresario Schlumberger in Rudolf Jugerts1) ebenfalls melodramatischen Story "Eine Liebesgeschichte"1) (1954) nach der Novelle von Carl Zuckmayer1) mit Hildegard Knef, O. W. Fischer und Viktor de Kowa → Übersicht Tonfilme als Darsteller.
Reinhold Schünzel vor 1929; Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: www.cyranos.ch Der vielseitig begabte Regisseur, Autor und Schauspieler Reinhold Schünzel war eine der großen Gestalten des deutschen Films. Als Charakterdarsteller wurde er sowohl in heiteren wie tragischen Streifen eingesetzt, spielte Bösewichter ebenso überzeugend wie komische Rollen. Er gab Asoziale, Frauenverführer, Kleinkriminelle, Despoten, alle nur denkbaren, unerbittlichen Schurken – und gleichzeitig die heiteren Naturelle der unbekümmerten zwanziger Jahre. In seinen intensivsten Auftritten, vor allem auch im zweiten Teil seiner Karriere, verstand er es, beide Elemente seiner Kunst zu verschmelzen und tragikomische Alltagsmenschen sensibel zu gestalten. Seine erfolgreichen Filme sind turbulente, vor Einfällen überschäumende Werke, die ihn in die Nähe des großen Ernst Lubitschs1) rücken.*)

Reinhold Schünzel starb am 11. September 1954 kurz vor Vollendung seines 66. Lebensjahres an den Folgen eines Herzinfarktes, den er nach einer Aufführung von Kurt Hoffmanns1) Filmerfolg "Das fliegende Klassenzimmer"1) in den Münchener "Luitpold-Lichtspielen" auf der Rückfahrt in sein Hotel erlitten hatte. Zuletzt war er an den "Münchner Kammerspielen"1) tätig gewesen, wo er als Ratgeber Polonius in Leopold Lindtbergs1) Inszenierung der Shakespeare-Tragödie "Hamlet"1) auf der Bühne stand.
 
Reinhold Schünzel vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: cyranos.ch; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Zwischen 1919 und 1928 war der Künstler in erster Ehe mit der Schauspielerin Hanne Brinkmann1) (1895 – 1984) verheiratet, aus der Verbindung stammte eine Tochter, die 1937 mit ihrem Vater nach Amerika ging. Annemarie Schünzel (1922 – 1992) ergriff später ebenfalls den Schauspielerberuf, wirkte in den USA unter dem Namen Marianne Stewart1) am Broadway und im Film. Nach der Scheidung von Hanne Brinkmann ging Schünzel zwei weitere Ehen ein, mit Eleonore Erath sowie mit Lena Peters, die bis zu seinem Tod an seiner Seite war.**)
In der Reihe "CineGraph Buch"1) erschien 1989 in Zusammenarbeit mit Jörg Schöning die Dokumentation "Reinhold Schünzel – Schauspieler und Regisseur" mit dem an einen "Vergessenen" des deutschen Films erinnert werden sollte → www.cinegraph.de. Angeregt durch diese Publikation drehte Hans-Christoph Blumenberg1) 1995 eine filmische Auseinandersetzung mit der Biografie Schünzels unter dem Titel "Beim nächsten Kuß knall ich ihn nieder!"1). In den 33 Spielszenen aus dem Leben des Hamburger Schauspielers und Regisseurs Reinhold Schünzel wird dieser von Peter Fitz dargestellt → filmportal.de.
 
Seit 2004 vergibt eine internationale Jury jeweils jährlich zur Eröffnung von "CineFest – Internationales Festival des deutschen Film-Erbes"1) einen "Reinhold Schünzel-Preis"1) als Ehrenpreis für langjährige Verdienste um die Pflege, Bewahrung und Verbreitung des deutschen Film-Erbes → bisher Ausgezeichnete bei Wikipedia.
 

Foto: Reinhold Schünzel vor 1929
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle:
virtual-history.com; Ross-Karte Nr. 361/1
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Reinhold Schünzel vor 1929; Urheber: Alexander Binder (1888–1929); Quelle: virtual-history.com; Ross-Karte Nr. 361/1; Lizenz: gemeinfrei

Siehe auch deutsches-filminstitut.de, cyranos.ch, Wikipedia,
deutsche-biographie.de, filmportal.de, rolf-krekeler.com sowie
den Artikel "Zum 100. Geburtstag des Films: Die erstaunliche Lebens-Geschichte
des deutschen Schauspielers und Regisseurs Reinhold Schünzel"
in "Focus Magazin" (Nr. 44, 1994) → www.focus.de
Fotos bei virtual-history.com
*) "Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars" von Adolf  Heinzlmeier/Berndt Schulz (Ausgabe 2000, S. 330)
**) Ulrike Krone-Balcke: "Schünzel, Reinhold", in "Neue Deutsche Biographie" (NDB) (Band 23, S. 640 f.) → online-Version
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) geschichtewiki.wien.gv.at
Lizenz Foto Reinhold Schünzel (Urheber Alexander Binder): Die Schutzdauer (von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers) für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei.
Kinofilme
Als Darsteller: Stummfilme / Tonfilme
Als Regisseur: Stummfilme / Tonfilme
Drehbuch-Autor
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de;
siehe auch Stummfilme (als Darsteller) bei der German Early Cinema Database
(Fremde Links: Wikipedia, Murnau Stiftung, filmportal.de, cyranos.ch)
Als Schauspieler (R=Regie, P=Produktion) Als Regisseur (D=Darsteller, P=Produktion) Als Drehbuch-Autor (Auszug)
(D=Darsteller, P=Produktion, R = Regie)
Lizenz Standfotos/Szenenfotos aus "Die Erzkokotte" (1917/"Das Mädchen aus der Ackerstraße", Teil1 (1920): Dieses Bild ist gemeinfrei, da das Urheberrecht abgelaufen und der Autor anonym ist. Das gilt in der EU und solchen Ländern, in denen das Urheberrecht 70 Jahre nach anonymer Veröffentlichung erlischt.
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