Der Filmpionier Rudolf Biebrach erblickte am 24. November 1866 als Sohn des Kürschners Gotthelf Julius Biebrach und dessen Ehefrau Amalie in Leipzig1) das Licht der Welt. Er besuchte eine Grund- und Realschule, ließ sich anschließend an der Kunstakademie zum Xylographen1) (= Formschneider/Holzschneider) ausbilden. Nachdem er diesen Beruf einige Jahre ausgeübt hatte, entschied er sich, Schauspieler zu werden und nahm in Leipzig entsprechenden Unterricht. Ein erstes Engagement erhielt er anschließend als jugendlicher Liebhaber und Komiker am "Neuen Theater" in Gießen1), weitere Stationen wurden Theater in Halle1) (Saale), Magdeburg1), Stettin1) (heute: Szczecin, Polen), Düsseldorf1) und Bremen1) sowie zwischen 1899 und 1901 das "Thalia Theater"1) in Hamburg. Dann ging Biebrach für vier Jahre zurück in seine Geburtsstadt Leipzig, wirkte anschließend zwischen 1905 und 1910 am "Stadttheater" in Chemnitz1), wo er auch als Oberspielleiter fungierte.
Anschließend zog es den Schauspieler in die Metropole Berlin und Biebrach kam mit der aufstrebenden Kinematographie1) in Berührung, die für die nächsten Jahrzehnte sein Hauptbetätigungsfeld sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur werden sollte. Seine erste, nachweislich größere Rolle erhielt er von Regisseur Adolf Gärtner1) als Filmvater von Henny Porten bzw. "tragisch zwischen Amtspflicht und väterliche Liebe gestellter Dorfpfarrer"*) in dem kurzen Melodram "Des Pfarrers Töchterlein"1) (1913). Mit Henny Porten stand Briebach in den kommenden Jahren bzw. bis Ende der 1920er Jahre wiederholt vor der Kamera, so anfangs unter anderem in den von Porten-Ehemann Curt A. Stark1) (1880 – 1916) in Szene gesetzten Dramen "Weg des Lebens"2) (1913), "Nordlandsrose"1) (1914) oder "Das Tal des Traumes"1) (1914), besetzte sie zwischen 1913 und 1920 auch als Protagonistin in etlichen seiner von ihm selbst inszenierten stummen Streifen.
  
Enorme Beachtung fand Biebrach mit der Rolle des Tiroler Bauernführers Andreas Hofer1) in Carl Froelichs1) monumentalem, patriotischem Historienfilm "Tirol in Waffen"1) (1914). Die Außenaufnahmen des heute nur noch als Fragment erhaltenen gebliebenen Films entstanden in heutigen Südtirol1) rund um Meran1), die Innenaufnahmen im Berliner Atelier der "Messter Film GmbH" von Filmpionier Oskar Messter1) → cinegraph.de. "Im Vordergrund seiner Darstellung steht nicht kraftvoll-energisches Führertum, sondern das stolze Pathos des Nationalhelden; Biebrachs Interesse gilt dem tragischen Schicksal des Privatmenschen und Familienvaters." notiert CineGraph*).
 
Drehpause während der Meraner Aufnahmen zu "Tirol in Waffen" von Carl Froelich, dahinter Rudolf Biebrach als Andreas Hofer; Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, N 1275 Bild-255; Fotograf: Unbekannt / Datierung: 1913 / Lizenz CC-BY-SA 3.0; Originalfoto und Beschreibung: Deutsches Bundesarchiv N 1275 Bild-255 bzw. Wikimedia Commons
Drehpause während der Meraner Aufnahmen zu "Tirol in Waffen" von Carl Froelich,
dahinter Rudolf Biebrach als Andreas Hofer
Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, N 1275 Bild-255;
Fotograf: Unbekannt / Datierung: 1913 / Lizenz CC-BY-SA 3.0
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Originalfoto und Beschreibung: Deutsches Bundesarchiv N 1275 Bild-255 bzw. Wikimedia Commons
  
Mit dieser Rolle etablierte sich Biebrach endgültig in der Stummfilm-Szene, mimte meist altersbedingt väterliche Figuren, gab oft Personen adligen Geblüts wie Grafen, Barone und Fürsten oder Angehörige der gehobenen Gesellschaft wie Kommerzienräte oder Professoren. Er spielte aber auch "humorig-bodenständige Spießbürger, deren patriarchalische Ansprüche mit dem Elan der Jugend kollidieren und die vor diesem gutmütig kapitulieren müssen"*) wie jeweils mit Henny Porten in "Komtesse Ursel"1) (1913) und "Ihre Hoheit"1) (1914) oder unter eigener Regie in "Auf der Alm, da gibt's ka Sünd"1) (1915.) Dass er auch unsympathische Typen zu gestalten wusste, bewies er unter anderem in zwei Henny Porten-Tragödien, so als grober alter Baron Reczel in "Das Tal des Traumes"1) (1914) oder als widerlicher Lokalbesitzer Korachi in "Die blaue Laterne"1) (1918), wo er auch für die Regie verantwortlich zeichnete.
Rudolf Biebrach als Herr Wieland mit Henny Porten als Magdalena von Ringwall in dem Stummfilm "Das Geschlecht derer von Ringwall" (1918), gedreht von Rudolf Biebrach für "Messter (Film)Projektion" (Berlin); Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000844) aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film" von Dr. Oskar Kalbus (Berlin 1935, S. 21) / Sammelwerk Nr. 10 bzw. Ross-Verlag 1935; Copyright SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf; Quelle: www.deutschefotothek.de Seit Mitte der 1910er Jahre entstanden unter Biebrachs Regie zahllose stumme Produktionen, in denen er seine bevorzugte Hauptdarstellerin Henny Porten gekonnt in Szene zu setzen wusste und vielfach auch selbst prägnante Rollen übernahm. Es entstanden Dramen wie der Zweiteiler "Die Faust des Riesen"1) (1917; Teil 1/Teil 22)) oder "Das Geschlecht derer von Ringwall1) (1918), aber auch Komödien wie "Die Dame, die Probiermamsell und der Teufel"1) (1919). Nachdem Biebrach nicht mehr mit Henny Porten zusammenarbeitete, blieb er "dem alten Stil und dem gewohnten Arbeitskreis verbunden".*) So drehte er beispielsweise das Drama "Kean"1) (1921) nach dem Schauspiel "Kean, ou Désordre et génie" ("Kean oder Unordnung und Genie") von Alexandre Dumas d. Ä.1) mit Heinrich George in der Titelrolle des legendären englischen Schauspielers Edmund Kean1), "… ein guter Spielfilm in ausgezeichneter Besetzung. Aber von dem Untertitel, den Dumas ihm gab, "Genie und Leidenschaft", ist nicht viel zu verspüren." notierte "Der Kinematograph"1) (25.12.1921).*)

  
Rudolf Biebrach als Herr Wieland mit Henny Porten als Magdalena von Ringwall
in dem Stummfilm "Das Geschlecht derer von Ringwall"1) (1918),
gedreht von Rudolf Biebrach für "Messter (Film)Projektion" (Berlin)
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000844)
aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film"
von Dr. Oskar Kalbus1) (Berlin 1935, S. 21) / Sammelwerk Nr. 10 bzw. Ross-Verlag 1935
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
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Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017

Regie-Arbeiten und Auftritte vor der Kamera wechselten sich ab, so mimte Biebrach beispielweise in Richard Oswalds1) tragisch endendem, nach Motiven von Friedrich Schiller1) und einem Prolog von Ludwig Fulda1) realisiertem Historienfilm "Don Carlos und Elisabeth"1) (1924) über die unglückliche Liebe zwischen dem spanischen Thronfolger Don Carlos1) (Conrad Veidt) und der Prinzessin Elisabeth von Valois1) (Dagny Servaes) deren Vater, den Herzog von Valois. Als Dorn, alter Förster des Grafen Oetzbach (Heinrich Schroth, tauchte er in dem Heimatstreifen "Der Wilderer"1) (1926; Regie: Johannes Meyer1)) auf, gab den Rentier Krüger in Erich Schönfelders1) Adaption "Der Biberpelz"1) (1928) nach dem gleichnamigen Drama1) von Gerhart Hauptmann1) mit Lucie Höflich als Mutter Wolffen und Ralph Arthur Roberts als Amtsvorsteher Wehrhahn. Letzte schauspielerische Aufgaben im Stummfilm übernahm er als Kommissar in dem Krimi "Der Mann mit dem Laubfrosch" (1929) neben Heinrich George in der Titelrolle, als Oberpolizeimeister Petroff in der nach einer Vorlage von Wenzel Goldbaum1) gedrehten Geschichte "Hochverrat"1) (1929) und als Kapitän in "Wenn du einmal dein Herz verschenkst"1) (1929) nach dem Roman von Ludwig von Wohl1); eine nachsynchronisierte Version mit Dialogen, Musik und Geräuschen gelangte 1930 in die Lichtspielhäuser → Übersicht Stummfilme als Darsteller sowie Stummfilme (Spielfilme) als Regisseur.
  
Im Tonfilm blieb Rudolf Biebrach ein vielbeschäftigter Nebendarsteller, zeigte sich unter anderem als Bootsverleiher bzw. Zeuge Morchen in Gustav Ucickys1) Verfilmung der Krimi-Komödie "Hokuspokus"1) (1930) nach dem gleichnamigen Bühnenwerk von Curt Goetz mit dem "Traumpaar" Willy Fritsch und Lilian Harvey in den Hauptrollen oder als Wachtmeister Jeschke in der von Gerhard Lamprecht1) nach einem Drehbuch von Erich Kästner1), Billy Wilder1) und Emeric Pressburger1) in Szene gesetzten Adaption "Emil und die Detektive"1) (1931) nach dem gleichnamigen Roman1) Kästners . An der Seite von Titelheldin Marianne Hoppe verlieh er dem Oberst von Bernewitz1) in dem Historienfilm "Schwarzer Jäger Johanna"1) (1934) Kontur, danach wurden seine (oft ungenannten) Rollen zunehmend kleiner. Zuletzt gehörte er als Dorfschulze von Mesum zur Besetzung von Joe Stöckels, mit Rudi Godden gedrehten Militärschwank "Musketier Meier III" (1938) → Übersicht Tonfilme als Darsteller.
 
Ab Mitte der 1920er Jahre verlegte sich Biebrach als Regisseur vermehrt auf Dokumentar- und Kulturfilme. Bereits 1920 hatte er mit dem rund 45-minütigen Film "Die Pocken, ihre Gefahren und deren Bekämpfung"2) ein brisantes Thema aufgegriffen. Mit dem Lehrfilm über Geschlechtskrankheiten "Falsche Scham"1) (1926), welcher als "Vier Episoden aus dem Tagebuch eines Arztes" untertitelt war, erregte er noch einmal Aufsehen. Weitere von ihm realisierte stumme Aufklärungsstreifen waren "Grippe"2) (1926/27) und "Volksgesundheit und Körperschulung" (1929). Biebrachs Wirken als Regisseur blieb im Tonfilm bedeutungslos, als Co-Regisseur fungierte er unter anderem bei dem jeweils mit Spielszenen durchsetzten Kulturfilm "Examensnöte oder das Geheimnis der Eischale"2) (1930) und bei der Dokumentation "Am Rande der Sahara"3) (1930), wo er zudem als Darsteller in Erscheinung trat.
"Ab Oktober 1926 leitete Biebrach "die Darstellerschule der Ufa; in dieser Zeit entstehen etliche Kurzfilme, u.a. mit seiner Tochter Erika als Darstellerin. 1932 drehen Vater und Tochter einen Werbefilm für Telefunken."*)
  
Rudolf Biebrach, der in rund 120 Produktionen als Schauspieler vor der Kamera stand, mehr als 70 Filme selbst inszenierte und zu den prominenten Vertretern der Stummfilm-Ära zählt, starb am 5. September 1938 im Alter von 71 Jahren in Berlin; die letzte Ruhe fand er auf dem dortigen "Friedhof Wilmersdorf"1) → Foto der Grabstätte bei Wikimedia Commons.
In dieser Grabstelle wurde auch seine wesentlich jüngere zweite Ehefrau Gertrud Biebrach (1886 – 1975) beigesetzt. Am Stadttheater von Leipzig hatte Biebrach die Leipziger Bürgermeistertochter Gertrud Wiesel kennen und lieben gelernt und diese 1919 nach der Scheidung geheiratet. Aus der Verbindung stammte die bereits am 26. Dezember 1914 geborene Tochter Erika-Margot, welche in den 1930er Jahren in einigen Kinoproduktionen zu sehen war, unter anderem in dem von Leontine Sagan1) nach dem Bühnenstück "Gestern und heute" von Christa Winsloe1) inszenierten Drama "Mädchen in Uniform"1)  (1931) , produziert von Carl Froelichs1) "Froelich-Film GmbH", bei der Vater Rudolf zeitweise als Geschäftsführer fungierte.
Aus der ersten, 1895 geschlossenen Ehe mit Elisabeth Letzer ging Sohn Rudolf (geb. 1899) hervor.
Quelle: Wikipedia sowie
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 8*)
Siehe auch filmportal.de, cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com
*) CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film (Lieferung 8)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) Murnau Stiftung, 3) filmportal.de
Filme
Als Darsteller: Stummfilme / Tonfilme
Als Regisseur: Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de sowie
Stummfilme bei "The German Early Cinema Database": Als Darsteller / Als Regisseur
(Fremde Links: filmportal.de, Wikipedia, Murnau Stiftung, biographien.ac.at, felix-bloch-erben.de)
Als Darsteller (R = Regie) Als Regisseur (D = Darsteller)
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