Gertraud Jesserer wurde am 13. Dezember 1943 in Wien geboren. Schon als junges Mädchen spielte sie 15-jährig in Rolf Thieles Verwechslungskomödie "Die Halbzarte"1) (1958) an der Seite von Romy Schneider und Carlos Thompson die Rolle der Brigitte Dassau. Eine fundierte Ausbildung zur Schauspielerin begann sie wenig später am Wiener "Max-Reinhardt-Seminar"1), wurde jedoch mit 16 Jahren entlassen, da man sie für unbegabt hielt. Gertraud Jesserer ließ sich davon nicht beeindrucken und gab wenig später am Wiener "Theater in der Josefstadt"1) ihr Bühnendebüt in Ferenc Molnárs "Liliom"1). Bis 1969 gehörte Gertraud Jesserer zum "Josefstadt"-Ensemble, dann ging sie bis 1973 nach Hamburg an das "Deutsche Schauspielhaus"1), seit der Spielzeit 1973/1974 bereicherte sie das Ensemble des berühmten Wiener "Burgtheaters"1), eine Übersicht der Theaterrollen bzw. Stücke findet man hier.
Das Repertoire der vielseitigen Schauspielerin umfasste sowohl klassische als auch moderne Stücke, ernste als auch komische Rollen. Sie brillierte in Dramen von William Shakespeare1) und Friedrich Schiller1) ebenso wie in Bühnenstücken von Arthur Schnitzler1), Hugo von Hofmannsthal1), Ödon von Horváth1) oder Johann Nestroy1). Auch bei den "Salzburger Festspielen"1) zeigte sie ihre darstellerische Kunst, so 1987/1988 als "Die Zufriedenheit" in "Der Bauer als Millionär"1) von Ferdinand Raimund1) (mit Otto Schenk als Fortunatus Wurzel), 1989/1990 als Frau von Erbsenstein in "Das Mädl aus der Vorstadt"1) von Johann Nestroy, 1991 als Crescence in "Der Schwierige"1) von Hugo von Hofmannsthal (mit Karlheinz Hackl in der Titelrolle) – jeweils Inszenierungen von Jürgen Flimm1). 1995 glänzte sie in Salzburg als "Der Glaube" in "Jedermann"1) von Hugo von Hofmannsthal (Regie: Gernot Friedel1), mit Gert Voss in der Titelrolle) und 1996/1997 als Sophie in der "Alpenkönig und der Menschenfeind"1) von Ferdinand Raimund (Regie: Peter Stein1), mit Helmuth Lohner in der Titelrolle). Gertraud Jesserer gab zudem zahlreiche Gastspiele, interpretierte beispielsweise unter der Regie von Niels-Peter Rudolph1) die zentrale Figur der Maja in "Im Palais des Erzbischofs" (1987) von Arthur Miller1) am Münchener "Cuvilliés-Theater"1) oder im Frühjahr 2017 am "Stadttheater Klagenfurt"1) die Frau von Cypressenburg in der Posse mit Geang "Der Talisman"1) von Johann Nestroy (Regie: Lore Stefanek1)). Zuletzt gehörte sie am "Burgtheater" als eine Frau zur Besetzung der von Philipp Hauß1) am "Akademietheater" Szene gesetzten Uraufführung des Stücks "Zu der Zeit der Königinmutter" von Fiston Mwanza Mujila1) (Premiere: 23.02,2019)  → fischer-theater.de, nachtkritik.de.

Gertraud Jesserer anlässlich der Verleihung der
"Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien"1) in Gold
am 6. Mai 2015 im Wiener Rathaus
Urheber: Franz Johann Morgenbesser; Lizenz: CC BY-SA 2.0
Quelle: Wikimedia Commons (Ausschnitt)

Gertraud Jesserer anlässlich der Verleihung der "Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien" in Gold am 6. Mai 2015 im Wiener Rathaus; Urheber: Franz Johann Morgenbesser; Lizenz: CC BY-SA 2.0; Quelle: Wikimedia Commons (Ausschnitt)
Verschiedene Aufführungen des "Theaters in der Josefstadt" wurden seit Mitte der 1960er Jahre im Fernsehen gesendet (→ siehe hier), in jüngerer Zeit zeigte sie sich zur Spielzeit 2010/11 als Hedwig Schuster in Thomas Bernhards1) skandalumwittertem Drama "Heldenplatz"1) (Premiere: 09.09.2010; unter anderem mit Michael Degen als Professors Robert Schuster → diepresse.com, josefstadt.org). Seit der Premiere am 1. Dezember 2011, überzeugte sie das Wiener Publikum als elegische Schwiegermutter bzw. Baronin Duverger in Georges Feydeaus Komödie "Ein Klotz am Bein" →  josefstadt.org.
Gertraud Jesserer um 1965; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber/Autor: Photo Simonis; Datierung: um 1965; Copyright ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer SIM 61) Neben ihrer umfangreichen Arbeit für das Theater blieb Gertraud Jesserer immer dem Film verbunden und war im Verlaufe ihrer Schauspielerkarriere in vielen Kino- und Fernsehproduktionen präsent. Ab Ende der 1950er Jahre spielte sie zahllose Folgen lang die Tochter Gerda in der populären österreichischen TV-Serie "Familie Leitner"1), auf der Leinwand sah man sie beispielsweise 1963 neben Heinz Rühmann als dessen Filmtochter Biggi in der heiteren Geschichte "Meine Tochter und ich"1), in der Verwechslungskomödie "Das hab' ich von Papa gelernt"1) mit dem Vater-Sohn-Gespann Willy und Thomas Fritsch mimte sie ein Jahr später die weibliche Hauptrolle der jungen Schauspielerin Monika Holl. Man sah Gertraud Jesserer unter anderem 1966 in dem Schlagerstreifen "Das Spukschloss im Salzkammergut"1), 1973 mit der Figur der Prostituierten Leocadia in Otto Schenks Arthur Schnitzler-Adaption "Reigen"1) oder 1988 in Klaus Buebs Regiedebüt "Adrian und die Römer" → filmdienst.de. In jüngerer Zeit stand sie unter anderem als "Wunschfee" für Gabriel Baryllis1) Komödie "Wer liebt, dem wachsen Flügel"1) (1999), als Mutter des Protagonisten Heinz Hoschek (Alfred Dorfer1)) für Peter Payers1) eigenwillige Produktion "Ravioli"1) (2003) und als Grundschullehrerin für den Thriller "Lautlos"1) (2004) vor der Kinokamera → Übersicht Kinofilme.

Gertraud Jesserer um 1965
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Photo Simonis; Datierung: um 1965
© ÖNB Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer SIM 61)

Seit Ende der 1960er Jahren war Gertraud Jesserer vermehrt auf dem Bildschirm präsent. Neben Rollen in Adaptionen von Theaterstücken wie beispielsweise dem Shakespeare-Drama "Der Kaufmann von Venedig" (1968) oder dem František Langer-Lustspiel "Das Kamel geht durch das Nadelöhr"2) (1970) zeigte sich die Schauspielerin beispielsweise als Titelheldin in dem zweiteiligen Krimi "Lucilla" (1980). Sie spielte in beliebten Serien wie "Monaco Franze – Der ewige Stenz"1) (1983) oder "Rette mich, wer kann"1) (1986), übernahm Gastrollen in so populären Krimiserien wie "Der Alte"1), "Derrick"1) oder "Kommissar Rex"1). 1997 beispielsweise überzeugte sie neben Nicole Heesters in Xaver Schwarzenbergers1) Drama "Lamorte"1) als Fritzi, in der zweiteiligen Historienverfilmung "Princesse Marie"3) (2004, "Marie und Freud"), mit Weltstar Catherine Deneuve in der Titelrolle der Marie Bonaparte1) und Heinz Bennent als Sigmund Freud1), übernahm sie den Part von Sigmund Freuds Schwägerin Minna. Sie war die reiche Witwe Maria in dem Ehedrama "Ein ganz normales Paar"3) (2005), danach folgten Auftritte unter andrem in den Serien "Der Elefant – Mord verjährt nie"1), "Typisch Sophie"1) (jeweils 2006), "Das Traumschiff"1) (2008, Episode "Vietnam"), "Kommissar Rex" (2009) und "Der Alte" (2009, Episode "Ich muss dich opfern"). In Julian Pölslers1) Historienfilm "Geliebter Johann Geliebte Anna"1) (EA ORF: 30.12.2009, ZDF: "Anna und der Prinz"), der Liebesgeschichte zwischen Erzherzog Johann von Österreich1) (Tobias Moretti1)) und der Postmeistertochter Anna Plochl1) (Anna Maria Mühe1)) kam sie als Freifrau von Palffy-Batthyány daher, in Thomas Nennstiels1) Komödie "Nicht mit mir Liebling"1) (EA: 23.03.2012) mit Ursula Karven1) und Hans-Werner Meyer1) in den Hauptrollen trat sie als Gräfin von der Heyden in Erscheinung → Übersicht TV-Produktionen.
 
Die 1986 zur "Kammerschauspielerin"1) ernannte Gertraud Jesserer war bereits 1974 für ihre außergewöhnliche schauspielerische Leistung bzw. die Interpretation der Marianne in Ödon von Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald"1) mit der "Kainz-Medaille"1) geehrt worden, 1998 erhielt sie den "Nestroy-Ring"1). Anlässlich ihres 60. Geburtstages wurde sie 2003 von der Stadt Wien mit dem "Großen Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien"1) ausgezeichnet. An weiteren Ehrungen sind unter anderem die  "Goldene Kamera"1) (1981) für ihre Darstellung der Elisabeth in Michael Kehlmanns Verfilmung des Ödön von Horvath-Dramas "Glaube, Liebe, Hoffnung"4) (1980) zu nennen sowie die "Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien"1) in Gold (2015) → Wikipedia.
 
Die gefeierte Schauspielerin Gertraud Jesserer kam am 9. Dezember 2021 – vier Tage vor ihrem 78. Geburtstag – bei einem Wohnungsbrand in Wien-Alsergrund1) ums Leben. Bei dem tragischen Unfall wurde eine weitere Personen leicht verletzt, Fremdverschulden, hieß es, sei auszuschließen.
"Es gibt sie nicht oft, diese Ausnahmekünstlerinnen in der darstellenden Kunst, denen es gelingt, die ganze Breite des Genres spielend auszufüllen. Gertraud Jesserer war eine von ihnen", reagierte Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler1) (SPÖ) betroffen auf die Todesnachricht. Die "wahrhafte, facettenreiche und vielseitige Charakterdarstellerin mit zauberhafter Ausstrahlung" habe mit "ihrem feinfühligen Spiel" das Publikum bewegt, so unter anderem die Stadträtin. "Der tragische Tod von Kammerschauspielerin Gertraud Jesserer erfüllt mich mit tiefer Traurigkeit", ließ Grünen-Kunst- und -Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer1) am Abend verlauten. "Österreich verliert mit ihr eine große Theater- und Filmschauspielerin. Gertraud Jesserer hat in den 60 Jahren ihrer erfolgreichen Karriere ihr Publikum stets begeistert. (…) Sie personifizierte die Leidenschaft zum Theater und die Freude am Beruf, den sie trotz vieler Schicksalsschläge mit Begeisterung und Hingabe ausübte", so die Politikerin. (Quelle: wien.orf.at
  
Gertraud Jesserer war bis zu ihrer Scheidung mit dem Schauspieler Peter Vogel verheiratet, der am 21. September 1978 durch Freitod aus dem Leben schied; aus der Verbindung gingen die Söhne Nikolas und Michael hervor. Nikolas Vogel1) kam am 28. Juni 1991 während des 10-Tage-Krieges in Slowenien als Fotoreporter bei einem Bombenangriff am Flughafen von Ljubljana ums Leben. Jesserers Verbindungen mit dem Künstler André Heller1) sowie ihrem Schauspielerkollegen Gerd Böckmann waren nicht von Dauer und gingen nach einiger Zeit auseinander. 
Quelle (unter anderem) "Henschel Theaterlexikon"*)
Siehe auch Wikipedia,
geschichtewiki.wien.gv.at sowie
den Nachruf bei wien.orf.at
*) Henschel Theaterlexikon (Hrsg. C. Bernd Sucher; Henschel Verlag, 2010, S.  411)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) Die Krimihomepage, 3) prisma.de, 4) deutsches-filmhaus.de
     
Rollen/Stücke am "Burgtheater" (Auswahl)
Quelle: "Burgtheater" sowie Henschel Theaterlexikon"*)
(Fremde Links: Wikipedia, fischer-theater.de; R = Regie, P = Premiere, UA = Uraufführung)
Spielzeit …
Filme
Kinofilme / Fernsehen
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, prisma.de, Die Krimihomepage,
deutsches-filmhaus.de, fernsehserien.de)
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