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Der Schauspieler Fritz Schulz wurde am 25. April 1896 im damals
zur k.u.k. Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörenden Karlsbad (heute
Karlovy Vary, Tschechien) geboren. Schon früh erhielt er Violin-Unterricht,
gab bereits im Alter von sieben Jahren sein erstes Konzert. Nach einer
kaufmännischen Lehre in Königsberg wandte er sich der Schauspielerei zu
und erhielt zur Spielzeit 1913/14 ein erstes Engagement als Sänger
und Schauspieler am Stadttheater in Halle. Über Tilsit kam Schulz
schließlich 1916 nach Berlin, wo er bis 1934 an verschiedenen
Bühnen wie dem dem
"Lustspielhaus", dem "Theater in der Behrenstraße", der "Komischen Oper", der "Komödie"
oder den "Meinhard-Bernauer-Bühnen" wirkte und in Komödien
überwiegend Frauenhelden oder jugendliche Liebhaber mimte.
Mitte der 10er Jahre des vergangenen Jahrhunderts begann sich Schulz
für das neue Medium Film zu interessieren und stand erstmals für das
kurze Lustspiel "Fräulein Puppe Meine Frau" (1914) vor der Kamera.
Ab 1919 tauchte er dann hauptsächlich
mit prägnanten Nebenrollen in unzähligen stummen, patriotischen Dramen und Kriminalfilmen
auf. Zu seinen Hauptrollen jener Jahre zählt beispielsweise der junge Kurt Sivers, der in Richard Oswalds kontrovers
diskutiertem Drama zum Thema Homosexualität "Anders
als die Andern"1) (1919) den Geigenvirtuosen
Paul Körner (Conrad Veidt) bewundert und sich zu diesem hingezogen
fühlt, oder der Lothar von Raff in dem Melodram "Die Marchesa d'Armiani"1) (1920) an der Seite von Pola Negri.
Fritz Schulz als Lothar von Raff, Sohn des Polizeichefs
Joachim von Raff (Ernst
Dernburg1)), und Pola Negri als
Marquesa Assunta d*Armiani in dem Stummfilm
"Die Marchesa d'Arminiani" (1920),
gedreht von Alfred Halm1)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000847)
aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film"
von Dr. Oskar Kalbus1) (Berlin 1935, S. 32) / Sammelwerk Nr. 10 bzw.
Ross-Verlag 1935
©/Rechteinhaber SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung
zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Der attraktive Schulz war die ideale Besetzung, wenn es darum ging, formvollendete Gentlemen,
chevalereske Liebhaber, kecke Rekruten und schmucke Offiziere zu spielen. Vor allem in einer Reihe von
Militärkomödien
gegen Ende der Weimarer Republik verzeichnete er einige Erfolge.*),
wie unter anderem 1928 mit der Titelfigur des
Offiziersburschen Kaczmarek in Carl Wilhelms gleichnamigem
Militärschwank.
Den Übergang zum Tonfilm schaffte Schulz problemlos und blieb ein
vielgefragter Leinwanddarsteller, war in den Jahren zwischen 1930 und 1933 einer der meistbeschäftigten deutschen Filmdarsteller und
spielte zudem in Berlin verschiedene Schallplatten-Aufnahmen ein. Schulz
zeigte sich in etlichen Komödien und musikalischen Unterhaltungsstreifen,
mimte beispielsweise den Theaterschüler Jallings in dem
Schwank "Pension
Schöller"1) (1930), von Georg Jacoby unter
anderem mit Paul Henckels als Direktor Schöller und Jakob Tiedtke als Philipp Klapproth
in Szene gesetzt.
In der Militärklamotte "Dienst ist Dienst" (1931) kam er wieder als der
Offiziersbursche Kaczmarek daher, tauchte als
Infanterist Franz in dem Lustspiel "Die Schlacht von Bademünde"2) (1931) auf
oder tat sich als Heiratsschwindler Koretzky hervor, der in Anatole Litvaks Verwechslungskomödie "Das
Lied einer Nacht"1) (1932) in die Rolle des
Startenors Enrico Ferraro (Jan Kiepura) schlüpft, um seine Angebetete (Magda Schneider) mit diesem Trick für sich zu gewinnen.
Foto: Fritz Schulz vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: filmstarpostcards.blogspot.de
bzw. www.flickr.com;
Ross-Karte Nr. 8086/2
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten ging Fritz Schulz
zunächst nach Großbritannien und drehte dort zwei Filme: Mit dem zunächst
in das britische Königreich emigrierten Wilhelm Thiele die
Operetten-Adaption "Waltz Time" (1933, Die Fledermaus) hier gab er
den Eisenstein und mit Basil Dean das Melodram "The Constant Nymph" (1933) nach dem gleichnamigen
Roman von Margaret Kennedy. Zurückgekehrt nach Deutschland wurde
Schulz aus der "Reichsfilmkammer" ausgeschlossen, da er vermutlich Jude
war, und ging nach Wien, wo er gemeinsam mit dem ebenfalls emigrierten deutschen
Filmproduzenten Rudi Loewenthal1)
und dem früheren "Terra"-Chef Erich Morawsky die erste unabhängige Filmgesellschaft
"Wiener Film KG, Morawsky & Co" gründete. Es entstanden
lediglich zwei von Fritz Schulz inszenierte Filme, "Salto in die
Seligkeit"3) (1934), wo er auch die männliche Hauptrolle spielte,
sowie "Letzte Liebe"3) (1935) mit etlichen, ebenfalls nach
Österreich geflüchteten Publikumslieblingen wie Albert Bassermann, Felix Bressart oder
Oskar Karlweis.
In Österreich nahm Schulz seine Arbeit für das Theater wieder auf, spielte
unter anderem am Wiener "Theater in der Josefstadt". Kurz nach der De-facto-Annexion Österreichs
durch das nationalsozialistische Deutsche Reich
am 13. März 1938 wurde der Schauspieler noch im März 1938 aus "rassischen Gründen"
verhaftet und vermutlich in dem berüchtigten Wiener Polizeigefängnis Rossauerlände
inhaftiert.*) Nur
durch Bemühungen seiner Frau, dem Stummfilmstar Agnes Esterházy 4)(1891 1956),
mit der er seit 1910 verheiratet war, kam
Schulz nach mehreren Wochen Ende Mai/Anfang Juni 1938 wieder auf freien
Fuß und flüchtete in die Schweiz nach Zürich.
Foto: Fritz Schulz vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: www.virtual-history.com;
Ramses Film-Fotos Nr. 93;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Dort arbeitete er zunächst als Gastschauspieler und -regisseur am
Schauspielhaus, erhielt dann 1940 ein festes Engagement am Stadttheater, wo er
bis 1956 als Komiker wirkte sowie als Nachfolger von Walter Felsenstein1) auch als Oberregisseur der Operetten-Aufführungen
fungierte. Das "Theaterlexikon der Schweiz"**)
notiert unter anderem: Aus der Fülle seiner durch ihre vielfarbige
Skurrilität überwältigend komisch wirkenden Operettengestalten seien stellvertretend der Obereunuch in Lehárs
"Das Land des Lächelns" und der Njegus in dessen "Die lustige
Witwe" sowie der Roi Ménélas in Offenbachs "La Belle
Hélène" und der Fürst Ypsheim in Johann Strauß' "Wiener
Blut" genannt. Höhepunkte seines Wirkens als Darsteller und Regisseur gleichzeitig waren die Uraufführungen von
Paul Burkhards "Tic-Tac" (1947, musikalische Leitung: Paul Burkhard,
Schulz als Meister Pendel) und Oscar Straus' "Die Musik kommt" (1948, musikalische Leitung:
Fred Widmer; Schulz als Rubritus). Bei der deutschsprachigen Erstaufführung von
Arthur Honeggers "Les Aventures du roi Pausole" (1953, musikalische Leitung:
Victor Reinshagen) schuf Schulz die Übersetzung, Bearbeitung, Inszenierung und spielte die Titelpartie. Am
Stadttheater Basel inszenierte Schulz 1948 Lehárs "Paganini".
1956 wechselte der Künstler wieder an das "Schauspielhaus
Zürich", dem er bis 1963 sowie zwischen 1964 bis 1969 als
Ensemblemitglied verbunden blieb und sowohl in klassischen als auch modernen Stücken
glänzte. Hier ist beispielsweise die Rolle des Julien Du Mesnil in der Uraufführung von Henri Becque/Burkhards "Die Pariserin" (1957) zu nennen, ein Jahr
später begeisterte Schulz als Götterbote Merkur in Kleists Tragikomödie "Amphitryon"1).
Weitere herausragende Bühneninterpretationen waren der ehemaliger
Theaterdirektor Harro Hassenreuter in Gerhart Hauptmanns Drama "Die Ratten"1) (1965), der Narr in
der Shakespeare-Komödie "Was ihr wollt"1) (1966) oder der Antonin Verduret in François Billetdoux' bürgerlichem Epos "Durch die Wolken" (1966) jeweils in Inszenierungen
von Leopold Lindtberg1). Schulz, der zwischen 1962 und 1964 am
"Schauspiel der Bühnen der Stadt Köln"
engagiert war, machte sich auch als Übersetzter bzw. Bearbeiter verschiedener
Operetten-Libretti einen Namen.
Sporadisch übernahm Schulz ab den 1950er Jahre wieder Aufgaben für den
Film und zeigte sich mit kleineren Rollen in österreichischen, meist heiteren
Unterhaltungsstreifen wie "Ich und meine Frau"1) (1953, mit Attila Hörbiger, Paula Wessely)
oder "Die Wirtin zur Goldenen Krone"1) (1955, mit Paula Wessely).
Letztmalig wirkte er in Alfred Weidenmanns Heimatfilm "An
heiligen Wassern"1) (1960) als Dorfpfarrer in
einer Kino-Produktion mit. 1950 führte er noch einmal bei einem Film Regie
und inszenierte die musikalische Romanze "Gruß und Kuss aus der Wachau"3),
unter anderem mit Waltraut Haas, Rolf Wanka, Lotte Lang und Walter Müller.
Nach seinem endgültigen Abschied von der Leinwand trat er noch in verschiedenen
Fernsehstücken in Erscheinung, unter anderem als Uniform-Schneider Adolph Wormser in Rainer Wolffhardts Zuckmayer-Adaption "Der Hauptmann von Köpenick" (1960)
mit Rudolf Platte als Schuster Wilhelm Voigt oder als Kaiser von China
in dem von Gert Westphal inszenierten Märchen "Turandot" (1963,
nach dem Hörspiel "Prinzessin Turandot" von Wolfgang Hildesheimer) mit Martin Benrath als der falsche
und Hans Korte als der echte Prinz von Astrachan sowie Barbara Rütting als
Turandot.
In der der 13-teiligen Vorabend-Serie "Zimmer 13"5) (1968),
den kurzweiligen Geschichten aus einem kleinen Hotel, mimte er den
Herrn Wurm. Seine letzte Rolle war die des Professors Buco in der ORF-Komödie "Finder, bitte melden" (1970), danach
zog er sich ins Privatleben zurück.
Fritz Schulz, der seit Kriegsende in Porto Ronco (Ronco sopra Ascona)
lebte, starb am 9. Mai 1972 im Alter von 76 Jahren in Zürich (Schweiz). Er hinterließ
mit über 150 Kino- und TV-Produktionen, von denen etliche aus der
Stummfilm-Ära allerdings als
verschollen gelten, eine beeindruckende Filmografie.
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*) Weitere Quelle: Kay Weniger:
"Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben
". Lexikon der aus Deutschland
und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945: Eine Gesamtübersicht (Verlag
Acabus, 2011, S. 449)
**) Suter, Paul: Fritz Schulz, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz, Chronos Verlag Zürich
2005 (Band 3, S. 1640) → tls.theaterwissenschaft.ch
Link: 1) Wikipedia, 2) Murnau Stiftung, 3) www.film.at, 4) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 5) fernsehserien.de
Lizenz Fotos Fritz Schulz (Urheber: Alexander Binder):
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Kinofilme (Auszug)
Filmografie bei der Internet Movie Database,
filmportal.de
(Link: Murnau Stiftung, Wikipedia (deutsch, englisch),
filmportal.de, film.at)
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