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Erna Nitter, eine von Johannes Heesters
abgesehen der längsten aktiven Darsteller der deutschen
Bühnen- und Filmgeschichte, wurde am 28. August 1888 in
Hamburg geboren. Bereits als 10-Jährige stand sie erstmals auf der
Bühne, und spielte in einem Weihnachtsmärchen eine kleine Elfe. Etwa
in dieser Zeit soll sie auch vor den Kindern Kaiser Wilhelm II.
aufgetreten sein, später, vermutlich um 1905 herum, war der Kaiser
selbst zugegen, als Erna Nitter auf der Bühne stand.
Die Charakterdarstellerin hatte sich unter anderem in Dresden und
Hannover einen Namen gemacht, trat beispielsweise 1908 in dem
Lustspiel "Seine Hoheit" von Freiherr von Schlicht und
Walter Turszinsky am "Deutschen Theater zu Hannover" auf
oder begeisterte auch in New York, wo während einer Tournee sie
gemeinsam mit Otto Gebühr am "Irving Place Theatre"
glänzte. Bis Ende des 2. Weltkrieges hatte Erna Nitter
vornehmlich in Berlin ihre künstlerische Heimat gefunden,
1945 ließ sie sich in Hamburg nieder, wo sie bis Anfang der 1980er Jahre
regelmäßig auf der Bühne stand.
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin
Virginia Shue
(Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue. |
Ihre letzte Rolle spielte sie 1982 am "Ernst Deutsch Theater" und war in Brechts
"Der kaukasische Kreidekreis" zu bewundern. Ihr
Rollenrepertoire war breit gefächert, in den 84 Jahren ihres Theaterwirkens
hatte sie fast alles gespielt, von der jugendlichen Naiven über die Liebhaberin bis
hin zur "Grande Dame" und komischen Alten. Zu ihren späten,
herausragenden Interpretationen zählt beispielsweise die Titelfigur in Jean Giraudoux's
"Die Irre von Chaillot", sie glänzte in der schwarzen
Komödie "Arsen und Spitzenhäubchen" ebenso wie in Franz Werfels
"Komödie einer Tragödie", "Jacobowsky und der Oberst".
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Erna Nitter in einer ihren letzten
Rollen als alte Frau
in Brechts "Mutter
Courage und ihre Kinder"2)
(17.03.1981)
Die Fotos wurden mir freundlicherweise von der Fotografin
Virginia Shue
(Hamburg) zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue. |
Neben ihrer umfangreichen Arbeit für das Theater gehörte Erna Nitter
zu den Pionieren der Leinwanddarsteller. Bereits Anfang der 10er Jahre
des vergangenen Jahrhunderts trat sie in verschiedenen stummen Streifen auf
und übernahm Rollen in Melodramen der Berliner Filmgesellschaft "Vitascope".
Sie agierte in Stummfilmen wie "Weiße Sklavin 3.
Teil" (1911), "Die Braut des Freundes" (1911) und
"Komtesse und Diener" (1911). Die Mimin gehörte zur Besetzung
von Harry Piels Regiedebüt bzw. Abenteuer "Schwarzes
Blut"2) (1912), im gleichen Jahr heiratete die bildhübsche
Erna Nitter ihren Filmpartner, den Regisseur, Bühnenautor und
Schauspieler Curt Goetz1)
(1888 1960), von dem sie sich fünf Jahre später 1917
wieder scheiden ließ. Eine weitere Produktionen mit Erna Nitter war der
Stummfilm "Hanni, kehre zurück! Alles vergeben!" (1914) mit
Felix Basch (1885 1944) als Partner; danach legte sie eine
längere Pause ein.
Während des Nazi-Regimes trat Erna Nitter lediglich mit einem
kleinen Part in dem Melodram "Die
goldene Maske"3) (1939) in
Erscheinung, erst in den frühen 1950er Jahren stand sie wieder vor der Kamera
und spielte Nebenrollen etwa in Helmut Käutners Zuckmayer-Adaption
"Der
Hauptmann von Köpenick"2) (1956, mit Heinz Rühmann),
Arthur Maria Rabenalts "Skandal um Dr. Vlimmen"4) (1956,
mit Bernhard Wicki) und Ladislao Vajdas "Der
Lügner"2) (1961, mit Heinz Rühmann).
Im Fernsehen wirkte sie nach dem Krieg seit den Anfängen mit, in den 1960ern
sind kleinere Auftritte in Serien wie "Polizeirevier Davidswache"
und "Percy Stuart" zu nennen. Sie tauchte bei "Die
Unverbesserlichen und ihre Sorgen" (1968) auf, war 1973 als
Agnes Treuleben in der "Tatort"-Folge "Platzverweis für Trimmel"2) zu sehen
oder spielte die Oma Sorgenfrei in dem TV-Film "Bismarck von hinten oder
Wir schließen nie" (1974), zu dem Helga Feddersen das
Drehbuch geschrieben hatte. Die Geschichte handelt von den geschäftlichen Nφten und den
privaten Sorgen zweier Familien auf St. Pauli, die im Umkreis des berühmten Hamburger Bismarck-Denkmals leben,
unter anderem mit Hans Jürgen Diedrich und Christa Wehling als Ehepaar
Knüppel → programm.ard.de.
Erna Nitter war darüber hinaus eine gefragte Sprecherin, die für die
Synchronisation, aber auch für den Hörfunk arbeitete → www.filmmuseum-hamburg.de.
Die Schauspielerin starb am 17. Juni 1986 im hohen Alter von 97 Jahren
in Hamburg.
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