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Die Schauspielerin Hanni Weisse (auch Weiße) gehörte bis weit in die 1920er Jahre
zu den Stummfilm-Diven ihrer Zeit. Geboren am 16. Oktober 1892 als Johanna Clara Theresia Weisse in Chemnitz,
begann ihre Karriere nach einer Ausbildung im Cello-Spiel
1910 am Berliner "Thalia-Theater ", wo sie in kleinen Rollen mit Chorverpflichtung
auftrat, eine weitere Station wurde das "Luisentheater". 1912 wechselte sie
an das "Königliche Belvedere"1)
in Dresden, unternahm als Ensemblemitglied unter anderem eine Tournee durch ganz Deutschland.
Während eines Gastspiels in Berlin wurde der Filmpionier bzw. -regisseur Max Mack1)
(1884 1973) auf die hübsche junge Frau aufmerksam, der sie für die
"Vitascope-Film-Gesellschaft", bei der er zu dieser Zeit tätig
war, verpflichtete und ihr eine erste Rolle in seinem Streifen "Launen des Schicksals" (1912) gab. Mit Max Mack
drehte Hanni Weisse bis 1917 rund 30 weitere, für
die Anfänge der Kinematographie typische, meist
kurze stumme Sequenzen. Das Drama "Der Andere"1) (1913),
eine Variation des "Dr. Jekyll und Mr. Hyde-Stoffes" von
Robert Louis Stevenson, das als Leinwanddebüt des berühmten Theaterschauspielers
Albert Bassermann2)
(1867 1952) viel Beachtung fand, verhalf auch ihr zum Durchbruch als
Leinwanddarstellerin. Hanni Weisse konnte mit der
Rolle des Hausmädchens Amalie einen ersten Erfolg verbuchen, drehte nun in
den kommenden Jahren in rascher Folge zahllose Stummfilme, wobei sie meist
auf natürliche bzw. volksnahe Frauenfiguren Wert legte.
Foto: Hanni Weisse vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikipedia;
Photochemie-Karte (Ausschnitt);
Angaben zur Lizenz siehe hier
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In einem Interview sagte sie
einmal, das sie am Liebsten realistische Figuren verkörpere, "so insbesondere Rollen, in denen ich Kinder
aus dem Volke zeigen kann, Rollen, deren
Wert und Inhalt in der Natürlichkeit besteht. Denn stets habe ich für Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit im Film mich
eingesetzt, und ich bin der Ansicht, daß nur dann, wenn das Filmdrama Wahrheit spiegelt, die große Zukunft ihm
beschieden sein wird, auf die es unbedingt Anspruch hat."3)
So hießen die, ganz auf Hani Weisse zugeschnittenen Filme unter anderem
"Frau Hanni"1) (1913),
"Der Mutter Augen"4) (1913),
"Die Berliner Range"4) (1913),
"Hanni,
Kehre zurück! Alles vergeben!"1) (1915)
oder "Das Zechenkind"4) (1916).
Eine ihrer besten
schauspielerischen Leistungen zeigte sie 1919 als alkoholkranke Mutter in E. A. Duponts
Drama "Alkohol"5).
In Paul Legbands "Das Blut" (1922) gab sie an der Seite des
genialen Theatermimen Albert Steinrück2)
(1872 1929) die Schlossherrin Cornelia van Veltrum, auch in Holger-Madsens Tragödie
"Der Evangelimann"4) (1924),
gedreht nach dem gleichnamigen
musikalischen Schauspiel1) von Wilhelm Kienzl, überzeugte
sie als Martha Engel, Geliebte des Schullehrers Mathias Freudhofer (Paul Hartmann), der zu
Unrecht zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt wurde.
Foto: Hanni Weisse vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1) (1888 1929)
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
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Doch es
waren nicht nur die typischen Melodramen jener Jahre, auch in
romantisch-heiteren Produktionen wie "Zopf und Schwert Eine tolle Prinzessin" (1926, mit Mady Christians)
oder Krimis wie "Vom Täter fehlt jede Spur"4) (1928)
eroberte Hanni Weisse ihr Publikum. 1914 bzw. 1915 gehörte sie auch
zur Besetzung der äußerst beliebten "Sherlock Holmes"-Produktionen, so in
zwei Teilen von "Der Hund von Baskerville"4) (1914; Teil 2: Das einsame Haus4))
mit Alwin Neuß2)
(1879 1935) als Meisterdetektiv. Auch in "Das dunkle
Schloss"1) (1915) mit
Eugen Burg2)
(1871 1944) als Detektiv gehörte sie zur Besetzung. Zur
Entstehung des Films notiert Wikipedia: "Das dunkle Schloß"
war ursprünglich als dritter Teil der Filmreihe "Der Hund von
Baskerville" geplant. Rechtsstreitigkeiten mit dem Produzenten Jules Greenbaum1)
führten jedoch dazu, dass die produzierende PAGU den Film unter diesem
Titel nicht führen durfte. Greenbaums Firma hatte nämlich selbst einen
Film "Der Hund von Baskerville, 3. Teil" mit dem Untertitel
"Das unheimliche Zimmer" unter der Regie von Richard Oswald
her- und unmittelbar zuvor fertiggestellt. Daraufhin machte die juristisch
unterlegene PAGU Paul Davidsons1)
kurzerhand aus ihrem Sherlock Holmes einen Detektiv Braun und aus der
von Hanni Weiße gespielte Laura Lyons eine Else Schmidt.
Lediglich beim Baskerville-Schurken Stapleton verzichtete man auf eine
Umbenennung.
Portrait Hanni Weisse um 1925
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000877)
aus
"Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film"
von Dr. Oskar Kalbus
(Berlin 1935, S. 24) bzw. Ross-Verlag um 1925
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Gegen Ende der 1920er Jahre ließ Hanni Weisses Popularität allerdings nach und sie
musste sich vermehrt mit Nebenrollen begnügen. Den Übergang zum Tonfilm
schaffte sie zwar problemlos, aber auch hier wurden die Parts immer kleiner.
Die Schauspielerin widmete sich nun verstärkt der Arbeit am Theater, gab unter anderem in Berlin
Gastspiele am "Theater am Schiffbauerdamm" und am
"Lessingtheater". Ihre letzten Leinwandauftritte hatte sie als
Ehefrau des Konsuls Erasmus (Erich Ziegel) in
dem Albers-Abenteuer "Sergeant
Berry"1) (1938), als Baronin von Trattner in
Leopold Hainischs Historienstreifen "Eine kleine Nachtmusik"4) (1939),
nach Eduard Mörikes Novelle "Mozart auf der Reise nach
Prag" (mit Hannes Stelzer als Mozart), sowie in Nunzio Malasommas
Abenteuer "Vom Schicksal verweht" (1942, u.a. mit Sybille Schmitz),
wo sie mit einem kleinen Part betraut worden war. Danach zog sich Hanni Weisse nach mehr als 130 Produktionen vom Filmgeschäft zurück.
Mit ihrem zweiten Ehemann eröffnete sie nahe Aussig (Böhmen, heute: ฺstํ
nad Labem, Tschechien) das Hotel-Restaurant "Herrenhaus". Nach
Ende des 2. Weltkrieges von dort vertrieben, ließ sie sich 1945 nahe
Dresden nieder und betrieb das Lokal "Sängerhöhe". Im Jahre 1948
ging Hanni Weisse nach Westdeutschland und eröffnete in Frankfurt am Main erneut ein
Lokal, war auch Besitzerin des Hotel-Restaurants "Zum Heidelberger", das sich zu einem Künstlertreff entwickelte.
Der einstige Stummfilm-Star Hanni Weisse starb am 13. Dezember 1967 im Alter
von 75 Jahren im Baden-Württembergischen Bad Liebenzell.
In erster Ehe war sie mit dem Drehbuchautor Bobby E. Lüthge1) (1891 1964) verheiratet gewesen,
von dem unter anderem die
Scripts zu den Stummfilmen "Mater dolorosa" (1924), "Der Kavalier vom Wedding" (1927)
und "Kaczmarek" (1928) stammten, in denen Hanni Weisse auftrat.
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Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 4) Murnau Stiftung, 5) filmportal.de
Quelle: 3) "Hanni Weisse Interview: Wie ich zum Film kam?", bei sophie.byu.edu
("Die Frau im Film", Verlag Altheer & Co., Zürich 1919)
Lizenz Foto Hanni Weisse (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre
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