Der Schauspieler, Filmproduzent und -regisseur Livio Pavanelli wurde am 7. September 1881 als Livio Cesare Pavanelli in der oberitalienischen Kleinstadt Copparo1) geboren; nach eigenen Angaben*) erblickte er in Bologna1) das Licht der Welt. Seine Familie – wohlhabende Großbauern und Kaufleute – genoss hohes Ansehen, Vater Andrea war in jungen Jahren einer der Führer der Garibaldi1)-Bewegung gewesen und diente als Commandante in der Nationalgarde.
Als sich die Eltern wegen finanzieller Schwierigkeiten in Bologna niederließen, besuchte Sohn Livio dort eine technische Fachschule. Doch es zog ihn mehr zum Theater, erste Bühnenerfahrungen sammelte Pavanelli ab 1898 bei der Truppe des berühmten Charaktermimen Ermete Novelli (1851 – 1919). 1902 trat er mit der Mundart-Theatergruppe von Emilio Zago (1852 – 1929) auf, ging anschließend neun Jahre lang auf Theatertournee als Partner der legendären Eleonora Duse. Gastspiele führte die Truppe in viele europäischer Hauptstädte. 1912 gründete Pavanelli seine eigene Theater-Compagnie, die jedoch nur zwei Jahre Bestand hatte.
Seit den frühen 1910er Jahren wandte sich Pavanelli der aufstrebenden Kinematographie1) zu, stand ab 1913 regelmäßig vor der Kamera und avancierte in zahlreichen Melodramen und Abenteuer zum Star der italienischen Stummfilm-Szene.
Den Typus des heroischen, ritterlichen Mannes verkörpernd, spielte Pavanelli mit den weiblichen Stars jener Zeit, war Partner der eleganten Leinwand-Diva Francesca Bertini (1892 – 1985), wie beispielsweise in "La piovra" (1919), oder von Lyda Borelli (1884 – 1959), die neben Helena Makowska (1893 – 1964) und Pina Menichelli (1890 – 1984) zu den bekanntesten Diven des italienischen Stummfilms zählte. Mit der verführerischen Pina Menichelli drehte er ab 1920 etliche stumme Dramen, zeigte sich aber auch als Partner anderer weiblicher Publikumslieblinge wie beispielsweise Diomira Jacobini1) (1899 – 1959) oder Tina Xeo (1902 – 1992), mit der er für die Adaption "Cavalleria rusticana" (1924) nach der gleichnamigen Erzählung von Giovanni Verga1) aus der Novellensammlung "Vita dei campi"1) (dt. "Sizilianische Novellen") vor der Kamera stand und den jungen Bauern Turiddu mimte.

Livio Pavanelli als Rittmeister Theodor Freiherr von Schlipps,
genannt "Tulli", in dem Stummfilm "Küssen ist keine Sünd" (1926)
fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Ross-Karte Nr. 1598/1; zur Verfügung gestellt von www.cyranos.ch
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Livio Pavanelli als Rittmeister Theodor Freiherr von Schlipps, genannt "Tulli", in dem Stummfilm "Küssen ist keine Sünd" (1926; auch "Die letzte Einquartierung"); fotografiert von Wilhelm Willinger (1879 – 1943); Ross-Karte Nr. 1598/1; zur Verfügung gestellt von www.cyranos.ch
Als die italienische Filmindustrie Anfang der 1920er Jahre in eine Krise geriet, verließ Livio Pavanelli seine Heimat und fand wie etliche andere Filmschaffende – etwa Luciano Albertini, Angelo Ferrari oder Helena Makowska – in Deutschland ein neues Betätigungsfeld. Gleich mit seinem ersten, im Ausland gedrehten stummen Streifen, Richard Eichbergs1) Melodram "Die schönste Frau der Welt"2) (1924), konnte der besonders das weibliche Geschlecht anziehende Italiener an der Seite von Lee Parry als schmucker englischer Offizier Henry Garrick auch die Herzen des deutschen Publikums erobern. 
Livio Pavanelli auf einer Künstlerkarte, fotografiert von Wilhelm Willinger (1879–1943); Ross-Karte Nr. 1769/2; Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Lizenz: gemeinfrei In den folgenden Jahren zeigte er sich neben den weiblichen Stars jener Ära, drehte beispielsweise mit Fern Andra das kriminalistische Zirkus-Drama "Die Liebe ist der Frauen Macht"1) (1924), mit Lotte Neuman die Literatur-Verfilmung "Der Roman der Lilian Hawley"1) (1924), mit Liane Haid sowie Alphons Fryland den Stummfilm "Ich liebe dich!"1) (1924) nach einer Novelle von August Hermann Zeiz1).  Zusammen mit Maria Corda stand er für die von Alexander Korda1) nach dem Boulevardstück "Le Danseur de Madame" von Paul Armont (1874 – 1943) und Jacques Bousquet (1883 – 1939) gedrehte Komödie "Der Tänzer meiner Frau"1) (1925) vor der Kamera, mit Ossi Oswalda für das Verwechslungslustspiel "Niniche"1) (1925), mit Stummfilm-Star Henny Porten für das Melodram "Kammermusik"1) (1925) oder mit Elga Brink für die Adaptionen "Der Ritt in die Sonne"1) (1926) nach dem Roman von Paul Rosenhayn1) sowie "Das Gasthaus zur Ehe"1) (1926) nach dem Roman von Fedor von Zobeltitz1). Als Richard Oswald1) mit "Im weißen Rößl"1) (1926) das gleichnamige Alt-Berliner Lustspiel von Oskar Blumenthal1) und Gustav Kadelburg1) in die Lichtspielhäuser brachte, mimte er den Dr. Siedler neben den Protagonisten Liane Haid (Rößlwirtin Josefa Vogelhuber) und Max Hansen (Zahlkellner Leopold), einen Part, den er auch in der Fortsetzung "Als ich wiederkam"1) (1926) übernahm.
  
  
Livio Pavanelli auf einer Künstlerkarte,
fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Ross-Karte Nr. 1769/2; Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier
Pavanelli trat mit Hauptrollen in weiteren, meist heiteren Geschichte bzw. Literaturadaptionen auf, beispielsweise mit Dolly Davis1) in "Fräulein Josette – meine Frau" (1926), in Szene gesetzt von Gaston Ravel1) nach der Komödie "Mademoiselle Josette, ma femme" von Paul Gavault (1866 – 1951) und Robert Charvay (1858 – 1925), mit Mady Christians in der von  Robert Wiene1)  nach dem Theaterstück "La Duchesse des Folies-Bergères" von Georges Feydeau1) inszenierten Komödie "Die Königin von Moulin Rouge"1) (1926) oder unter der Regie von Victor Janson mit Imogene Robertson in "Die Königin des Weltbades"1) (1926) nach dem Roman von Edward Stilgebauer1). Als Anatol Huber kam er als Ehemann von Claire (Xenia Desni) daher, der es in dem Lustspiel "Madame wagt einen Seitensprung"1) (1927) ebenso wie seine Gattin mit der ehelichen Treue nicht ganz so genau nimmt, in dem Militärschwank "Das Heiratsnest"1) (1927) gab er dann zur Abwechslung dann den gestrengen Oberst von Grodicki, der ein waches Auge auf seine zwei, als Casanovas geltenden und in ein galizisches Dorf "strafversetzten" Regiments-Untergebenen (Harry Liedtke/Wolfgang Zilzer) werfen soll. Einmal mehr zusammen mit Mady Christians sowie Wilhelm Dieterle präsentierte sich Pavanelli in dem Melodram "Heimweh"1) (1927) und war diesmal der Prinz Stanislaus Oginsky, der sich bald als Schwindler entpuppt, auch mit Henny Porten stand er erneut vor der Kamera und gab in dem nach dem Lustspiel von Oskar Blumenthal1) und Max Bernstein1) gedrehten Streifen "Die große Pause"1) (1927) den Rechtsanwalt Boretius, in dem die (heimliche) mit dem deutlich jüngeren Grafen Ottokar Torgstädt (Walter Slezak) verheiratete Geigerin Gabriele Amberg (Porten) ein neues Glück findet.

Livio Pavanelli auf einer Künstlerkarte,
fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Ross-Karte Nr. 1769/2; Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Livio Pavanelli auf einer Künstlerkarte, fotografiert von Wilhelm Willinger (1879–1943); Ross-Karte Nr. 1769/2; Quelle: filmstarpostcards.blogspot.com; Lizenz: gemeinfrei
Livio Pavanelli auf einer Künstlerkarte, fotografiert von Wilhelm Willinger (1879–1943); Quelle: theatermuseum.at; Inv. Nr.: FS_PP218821alt; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0 Mitte der 1920er Jahre befand sich Livio Pavanelli auch in Deutschland bzw. Österreich auf dem Höhepunkt seiner Karriere, gehörte unter anderem zu Hans Kysers1) prominent besetztem Historienfilm "Luther – Ein Film der deutschen Reformation"1) (1927) an der Seite des den Reformator Martin Luther1) verkörpernden Eugen Klöpfer und stellte dessen Freund Alexius dar. Als Augusto Genina1) mit "Scampolo"2) (1928) die Geschichte des armen Waisenmädchens Scampolo nach dem Bühnenstück "Scampolo" von Dario Niccodemi (1874 – 1934) auf die Leinwand bannte, spielte Pavanelli neben Titelheldin Carmen Boni den Ingenieur Tito Sacchi. "Erzählt wird von dem Waisenmädchen Scampolo, das sich in zerrissenen Kleidern und mit seltsamen Jobs durchschlägt, und dessen einziges Glück ein kleiner Hund ist, der genauso einsam ist wie sie. Als sie die Hausangestellte des Ingenieurs Sacchi wird, verlieben sich die beiden ineinander."3) Dieser Stoff wurde später mehrfach verfilmt, unter anderem in Deutschland mit Dolly Haas und Karl Ludwig Diehl (1932, "Scampolo, ein Kind der Straße"1)) sowie mit Romy Schneider und Paul Hubschmid (1958, "Scampolo"1)).
Eine nachhaltige Figur war ebenfalls die des in Sir Henry Baskerville in Richard Oswalds Kassenschlager "Der Hund von Baskerville"1) (1929) nach dem gleichnamigen Kriminalroman1) von Arthur Conan Doyle1) mit dem US-amerikanischen Stummfilm-Star Carlyle Blackwell Sr.1) als Meisterdetektiv Sherlock Holmes1) und dem russisch-stämmigen George Seroff († 1929) als Dr. Watson1).

Livio Pavanelli auf einer Künstlerkarte,
fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Quelle: theatermuseum.at; Inv. Nr.: FS_PP218821alt
© KHM-Museumsverband;; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
Auch in einem weiteren Krimi, Rudolf Meinerts1) "Stuart Webbs"1)-Detektivgeschichte "Das grüne Monokel"1) (1929), war Pavanelli neben Protagonist Ralph Clancy zu sehen, stand diesmal als Miller, erster Komplize des Bandenchefs McCornick (Gaston Modot1)) auf der Seite der "Bösen". Zu den letzten Arbeiten des Italieners für den Stummfilm zählten die Melodramen "Frauen am Abgrund"2) (1929) und "Freiheit in Fesseln"1) (1929) → Übersicht Stummfilme.
 
Zwischen all seinen filmischen Verpflichtungen fand Livio Pavanelli mitunter Zeit für die Arbeit auf der Bühne, unter anderem feierte er am Berliner "Lessingtheater"1) als Shylock in den in italienischer Sprache aufgeführten Vorstellungen des Shakespeare-Dramas "Der Kaufmann von Venedig"1) Erfolge. Seine Liebe galt jedoch vornehmlich dem Film, wie er sein Publikum wissen ließ: "Filmkunst ist mannigfaltiger als das Theater und bietet immer neue Rollen verschiedenster Art, die ich immer wieder anders gestalten muß. Der ewige Wechsel, das bunte Spiel des Lebens, eingefangen auf dem silbernen Filmband, mit seinen tragischen und lustigen Gestalten übt auf mich einen Reiz aus, der mich immer wieder in die Arme der zehnten Muse treibt! Und den Ansporn hierzu gibt nicht zuletzt die Sympathie, die mir das Publikum in Deutschland entgegenbringt."*)

Rollenportait von Livio Pavanelli,
fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Quelle: theatermuseum.at; Inv. Nr.: FS_PP241787alt
© KHM-Museumsverband; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0

Rollenportait von Livio Pavanelli, fotografiert von Wilhelm Willinger (1879–1943); Quelle: theatermuseum.at; Inv. Nr.: FS_PP241787alt; Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0
Obwohl Livio Pavanelli mit der deutschen Sprache keine Probleme hatte, ging der Schauspieler mit Anbruch des Tonfilm-Zeitalters in seine Heimat Italien zurück, stand dort noch für wenige Produktionen vor der Kamera, musste sich jedoch vermehrt mit Nebenrollen begnügen. Seine Auftritte in den in Deutschland gedrehten Streifen "Liebeskommando"2) (1931; Regie: Géza von Bolváry1)) und "Frühlingsmärchen"2) (1934; Regie: Carl Froelich1)) waren ebenfalls untergeordneter Natur, ebenso wie in der von Max Neufeld1) unter anderem mit Vittorio De Sica in Szene gesetzten, deutsch-italienischen Co-Produktion "Das Lied der Sonne"4) (1933, "La canzone del sole") → Übersicht Tonfilme.
Ab Mitte der 1930er Jahre verlegte sich Livio Pavanelli fast ausschließlich auf die Film-Produktion, stellte nahezu durchgehend Edelschnulzen her, zuletzt auch historische Melodramen und musikalische Stoffe.5) → Filme als Produzent bei Wikipedia
  
Nach Ende des 2. Weltkrieges zog sich der einst gefeierte Leinwandstar und Frauenschwarm nach und nach aus dem Filmgeschäft zurück. Livio Pavanelli starb – von der Öffentlichkeit weitgehend vergessen – am 29. April 1958 im Alter von 76 Jahren im Krankenhaus "San Giovanni" in Rom1); über sein Privatleben ist derzeit nichts bekannt.
Quellen (unter anderem*)): Wikipedia, cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com, filmstarpostcards.blogspot.com
*) Livio Pavanelli. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler – Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de, 4) filmdienst.de
3) Quelle: film-zeit.de (Artikel nicht mehr online)
5) Quelle: Wikipedia (abgerufen 28.05.2013)
Lizenz Foto Livio Pavanelli (Urheber: Wilhelm Willinger): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filme als Produzent → Wikipedia
Filmografie bei der Internet Movie Database sowie filmportal.de
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, Murnau Stiftung, filmdienst.de; R = Regie)
Stummfilme Tonfilme (P = Produktion)
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