|
Die Stummfilm-Diva Helena (auch Elena) Makowska wurde am 2. März 1893 als Helena Woyniewicz in Kriwoi Rog (heute
Krywyj Rih, Ukraine) geboren. Die Tochter des polnischen Ingenieurs Ludwik Woyniewicz,
der in der Ukraine als Direktor für eine russisch-belgische Bergwerksgesellschaft tätig
war, und dessen Ehefrau Stanislawa (geb. Sauret) verließ 1903 mit
ihren Eltern ihre Heimat, lebte in Warschau (Polen) und besuchte dort
ein Gymnasium. Schon früh interessierte sie sich für die
Schauspielerei und soll bereits Anfang der 10er Jahre des vergangenen
Jahrhunderts kleine Rollen am Theater erhalten haben. Die frühe, 1909 geschlossene Ehe der
erst 16-Jährigen mit dem Juristen Julian Makowski blieb ein Intermezzo.
1912 verließ sie Warschau, reiste nach Mailand (Italien) und nahm dort
Gesangsunterricht. Anschließend gab sie 1914 ihr Bühnendebüt als
Amelia in Giuseppe Verdis Oper "Ein Maskenball" (Un ballo in
maschera) sowie als Elena in Arrigo Boitos "Mefistofele".
Wenig später wurde der Stummfilm auf die charismatische Künstlerin
aufmerksam und Helena Makowska erhielt einen 3-Jahresvertrag von der
Turiner Produktionsfirma "Società Anonima Ambrosio", bei der sie
ihren ersten Film "Romanticismo" (1915), basierend
auf einem Bühnenstück von Gerolamo Rovetta, unter der
Regie von Carlo Campogalliani1)
mit Tullio Carminati
als Partner drehte. Bereits 1911 soll sie in dem Kurzfilm "Il sogno di un tramonto d'autunno"
(Der Fluch eines betrogenen Weibes) erste Erfahrungen vor der Kamera
gesammelt haben.
Foto: Helena Makowska um 1925
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander
Binder1) (1888 1929)
Quelle: Wikipedia;
Ross-Karte Nr. 758/1
Angaben zur Lizenz siehe hier
|
|
Eine Reihe von weiteren Produktionen schlossen sich an, zwischen 1915 und 1920 entstanden
rund vierzig stumme Dramen oft unter der Regie von
Carlo Campogalliani mit Helena Makowska in der Hauptrolle. Von der
italienischen Presse wurde sie gefeiert, auch wenn ihre Darstellungsweise
vielen als etwas zu steif und theatralisch galt. "Außergewöhnliche Schönheit und natürliche Eleganz machen Makowska
als eine der großen Diven des italienischen Stummfilms rasch populär, dem französischen Regisseur
Louis Delluc1) gilt
sie als "l'actrice la plus photogénique du monde" ("Fotogenste
Schauspielerin der Welt")*).
So mimte die "slawische Venus"*)
beispielsweise die Ophelia in Eleuterio Rodolfis Shakespeare-Adaption
"Hamlet" (1917, "Amleto") neben dem berühmten
Theatermimen Ruggero Ruggeri in der
Titelrolle, für Augusto Genina war sie die verführerische Elena in
der Komödie "Addio giovinezza!" (1918), Gian Paolo Rosmino besetzt sie als Protagonistin in
"La dame en gris" (1919).
Als die italienische Filmindustrie Anfang der 1920er Jahre in eine Krise
geriet, zog es Helena Makowska nach Deutschland bzw. zunächst nach München,
wo sie rasch als Stummfilm-Schauspielerin Fuß fassen konnte. Auch privat
fand sie ein, wenn auch nur kurzes Glück mit ihrem zweitem Mann, dem
Schauspieler Karl Falkenberg (1887 – ?), mit dem sie später
auch in Robert Reinerts "Die vier letzten Sekunden des Quidam
Uhl" (1924) neben Carl de Vogt auftrat.
Helena Makowska vor 1929 auf einer Fotografie von
Alexander Binder1) (1888 1929),
Ross-Karte Nr. 758/2
Angaben zur Lizenz siehe hier
|
 |
 |
Helena Makowska zeigte sich mit prägnanten Rollen in stummen Dramen
wie dem "Sandalen"-Streifen "Maciste und die Tochter des
Silberkönigs" (1922, mit Bartolomeo Pagano), drehte mit
Paul Wegener als Partner den Zweiteiler "Sterbende
Völker" (1922) oder trat als Panotschka, Tochter eines polnischen
Woiwoden, in der von Vladimir Strizhevsky und Joseph N. Ermolieff
gedrehten, ebenfalls aus zwei Teilen bestehenden abenteuerlichen
Gogol-Adaption "Taras Bulba" (1924) neben Titelheld J.N. Douvan-Tarzow
in Erscheinung. "Frau Makowska sah wieder einmal berückend aus und
brachte ihre üppigen Schultern und schöne Figur restlos zur Geltung.
Wichtiger aber ist, daß sie auch darstellerisch durchaus auf der Höhe war.
Sie hat sich den Ansprüchen des Films geschickt anzupassen verstanden."
notierte der "Film-Kurier" am 21.06.1924.*)
Weitere Arbeiten in Deutschland waren beispielsweise die Streifen
"Frauenmoral" (1923, Regie: Theo Frenkel) und
"Quarantäne" (1923, Regie: Max Mack), sowie zuletzt die
von Max Obal inszenierten Krimis "Das Geheimnis einer
Stunde" (1925) und "Der Schuss im Pavillon" (1925)
mit Ernst Reicher als Detektiv Stuart Webbs. Als Antwort der Weimarer Republik auf die polnische "Optanten"-Politik
musste Helena Makowska als polnische Staatsbürgerin 1925 Deutschland
verlassen und ging zunächst nach Warschau, wo sie noch zwei
Stummfilme drehte, darunter "Kochanka Szamoty" (1927, Die
Geliebte des Szamota) mit Igo Sym, zog sich danach vorerst vom Filmgeschäft zurück. Stattdessen
konzentrierte sie sich nun wieder auf ihre Arbeit am Theater, pendelte
zwischen Polen und Italien, hatte Bühnenauftritte in Warschau, Krakau und
Mailand.
Nach einer mutmaßlichen Affäre mit dem italienischen Kronprinzen Umberto1)
heiratete sie einen Briten namens Botteril, doch auch diese Verbindung
währte nicht lange.
Foto: Helena Makowska vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander
Binder1) (1888 1929)
Quelle: www.cyranos.ch;
Angaben zur Lizenz siehe hier
|
Anfang der 1930er Jahre ging die Schauspielerin wieder nach Polen und wirkte
in einigen Opern mit, beispielsweise 1932 als Bauernmädchen Micaëla in Bizets
"Carmen", oder trat in Operetten wie "Eine Frau, die weiß,
was sie will" (1933/34, 1938) von Oscar Strauss auf.
Nach dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der nationalsozialistischen
Regierung bzw. dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 1. September 1939 in Polen, wurde Helena Makowska am 17. November 1939 in Warschau von der Gestapo festgenommen,
1940 als britische Staatsangehörige nach Berlin deportiert und in ein
Konzentrationslager verbracht. Im Rahmen eines Gefangenenaustausches konnte
sie im April 1943 das Lager verlassen und ließ sich in Großbritannien
nieder. Dort spielte sie im Theaterensemble der polnischen Armee, mit dem sie
bis Kriegsende unter anderem in England, nach 1945 in Frankreich, Belgien und Norddeutschland gastierte. Ab 1947 lebte sie wieder
in Rom, unterrichtete Fremdsprachen und übernahm sporadisch kleinere Rollen
in Produktionen wie Mervyn LeRoys monumentalen Henryk Sienkiewicz-Verfilmung "Quo vadis?"1) (1952)
oder Joseph L. Mankiewicz' Drama "Die barfüßige Gräfin"1) (1954, The Barefoot Contessa)
mit Humphrey Bogart und Ava Gardner. In
Luigi Comencinis Komödie "La valigia dei sogni" (1954)
spielte sie sich als alte Frau selbst, die auf ihren eigenen verflossenen
Glanz als Stummfilm-Star zurückblickt und für die aus der Mode gekommenen
theatralischen Auftritte vom Publikum Hohn und Spott erntet. Letztmalig
trat Helena Makowska in Rate Furlans Komödie "Arrividerci Firenze!" (1959) auf der Leinwand in Erscheinung.
Der einst auch in Deutschland gefeierte Stummfilm-Star Helena Makowska
starb am 22. August 1964 im Alter von 71 Jahren in einer Klinik bei Rom.
Der von dem niederländischen Regisseur Peter Delpeut geschaffene nostalgische
70-minütige Kompilationsfilm "Diva Dolorosa" (1999), der auch auf DVD im Handel erhältlich ist,
enthält neben Szenen mit Lyda Borelli2)
(1884 1959), Pina Menichelli2)
(1890 1984), Francesca Bertini2) (1892 1985) und anderen italienischen Stummfilm-Heroinen
auch Archiv-Material von Helena Makowska.
|
Quelle: Jerzy Masnicki, Kamil Stepan: CineGraph Lexikon
zum deutschsprachigen Film (Lg. 25)
Weitere Quelle: Angela Dalle Vacche: Diva: Defiance and Passion in Early Italian Cinema
(University of Texas Press, 2008, S. 262/263)
Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP
Lizenz Fotos Helena Makowska (Urheber: Alexander Binder):
Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche
Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die
Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer
gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
|