Der Schauspieler Georg John wurde am 23. Juli 1879 als Georg Jacobsohn in Schmiegel1) (heute: Śmigiel, Polen) nahe dem damals zum Königreich Preußen1) gehörenden Posen1) (heute: Poznań, Polen) geboren. Er begann seine Theaterlaufbahn um 1900 mit eher mäßigen Erfolg an Wander- und Schmierenbühnen, wurde dann 1904 als Darsteller und Regisseur an das Theater in Wilhelmshaven1) verpflichtet. Ab 1905 folgten Engagements in Stolp1) (heute: Słupsk, Polen), im heute zu Hamburg gehörenden Altona1), Mülheim an der Ruhr1), Bochum1) und Göttingen1). Schließlich gelangte er 1914 in die österreichische Hauptstadt Wien1), wo er an den "Vaterländischen Schauspielen" auch als Regisseur wirkte.
Noch während des 1. Weltkrieges wandte sich John dem Film zu und erschien erstmals in dem Streifen "Ramara"1) (1916) aus der "Phantomas"1)-Reihe an der Seite von Protagonist Erich Kaiser-Titz auf der Leinwand. In der nachfolgenden Zeit avancierte der "schmale, faltige, nicht eben imposante geschweige denn attraktive Schauspieler mit der markanten Knollennase"*) in zahlreichen stummen Produktionen zu einem vielbeschäftigten Nebendarsteller, der oft auf skurrile oder gnomenhafte Figuren abonniert, aber auch in Rollen von Vätern, Ehemännern und Honoratioren zu sehen war.
Georg John als tibetischer Mönch mit Werner Krauß als Pan Hoang Amitaba (Mitte) und Lupu Pick (links) als Amitabas Diener in dem Stummfilm "Die Fremde" von Otto Rippert ("Decla-Film", 1917); Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000852); aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film" von Dr. Oskar Kalbus (Berlin 1935, S. 30) / Sammelwerk Nr. 10 bzw. Ross-Verlag 1935; Copyright SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf; Quelle: www.deutschefotothek.de Kay Weniger*) notiert: "Die ersten, für seine späteren Aufgaben typischen Rollen hatte (…) er bereits im Jahr seines Filmdebüts gespielt: Man sah ihn in exotischer Tracht, pechschwarzer Mähne, Zickenbart und mit einer Gebetsmühle als tibetanischen Mönch in dem Hella-Moja-Streifen "Die Fremde"1) und als sinistren Tod in "Hilde Warren und der Tod"1).
     
Georg John als tibetischer Mönch mit Werner Krauß als
Pan Hoang Amitaba (Mitte) und Lupu Pick (links) als
Amitabas Diener in dem Stummfilm "Die Fremde"
von Otto Rippert1) ("Decla-Film", 1917)
Quelle: Deutsche Fotothek, (file: df_pos-2006-a_0000852)
aus "Vom Werden deutscher Filmkunst/1. Teil: Der stumme Film"
von Dr. Oskar Kalbus1) (Berlin 1935, S. 30) / Sammelwerk Nr. 10
bzw. Ross-Verlag 1935
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Unbekannter Fotograf
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
In letztgenanntem Werk Joe Mays (nach einem Drehbuch von Fritz Lang1)) erschien John, schmal wie ein Handtuch, leichenblass und mit langer, strähniger Mähne, als spukhaft-dürre, Schaudern machende, albtraumhafte Vision. Vor allem in einigen nachmals legendären Werken Langs sollte John ein Sammelsurium außergewöhnlicher Chargen verkörpern: knittrige Gnome und merkwürdig-skurrile Greise – Filme, in denen der Schauspieler meist deutlich älter aussah als er tatsächlich war."*)
Vor allem Fritz Lang bediente sich des Mannes mit dem charakteristischen Profil und gab ihm in einer Reihe seiner Meisterwerke prägnante Aufgaben. So tauchte er als lüsterner buddhistischer Mönch (Bonze) auf, der in dem nach der Erzählung "Madame Butterfly"1) von John Luther Long1) und der Dramatisierung zum Theaterstück durch David Belasco1) gedrehten Drama "Harakiri"1) (1919) der lieblichen Japanerin O-Take-San (Lil Dagover) nachstellt. Die "Deutsche Lichtspielzeitung" (Ausgabe 8, Nr. 6) schrieb am 7. Februar 1920 unter anderem: "Lil Dagover ist eine entzückende kleine Japanerin, anmutig im tändelnden Spiel, rührend im Schmerz. Eine scharf umrissene Charakterfigur bietet Georg John als Bonze, eine köstliche Charge Rudolf Lettinger als des Bonzens Diener Karan." In dem zweiteiligen Abenteuer "Die Spinnen"1) (1919/20) mimte John den angesehenen Geschäftsmann Dr. Telphas, der zusammen mit der mysteriösen Millionärin Lio Sha (Ressel Orla) die Gangsterbande "Die Spinnen" anführt, und erntete einmal mehr positive Kritiken.
Georg John als der blinde Ballonverkäufer in dem Filmklassiker "M" (1931); Quelle: cyranos.ch bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich", mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich); Copyright Praesens-Film AG Er war der armselige Bettler in Langs romantisch-tragischen Geschichte "Der müde Tod"1) (1921), Dr. Mabuses1) (Rudolf Klein-Rogge) Diener Pesch, der in dem zweiteiligen Krimi "Dr. Mabuse, der Spieler"1) (1921) im zweiten Teil "Inferno"2) ermordet wird, und in dem zweiteiligen Epos "Die Nibelungen"1) (1924) übernahm er gleich drei Rollen: John spielte den zwergenhaften Schmied Mime1), den buckligen Nibelung bzw. König Alberich1) und Etzels (Rudolf Klein-Rogge) älteren Bruder Blaodel1) an der Seite von Paul Richter als Siegfried1) und Margrete Schön als Kriemhild1). Auch in dem Stummfilm-Klassiker "Metropolis"1) (1927) gehörte John als Arbeiter zur Besetzung, gab einen Lokführer in dem Agentenstreifen "Spione"1) (1928). Als mit "M – Eine Stadt sucht einen Mörder"1) (1931) Langs erster Tonfilm in die Lichtspielhäuser gelangte, zeigte sich John als der blinde Ballonverkäufer, der den Kindesmörder (Peter Lorre) aufgrund des seinen Morddrang kennzeichnenden Pfeifens erkennt, in dem spannenden, von den Nazis verbotenen Krimi "Das Testament des Dr. Mabuse"1) (1933) trat er als Diener des Mabuse-Gehilfen Prof. Dr. Baum (Oszkár Beregi) in Erscheinung – zugleich sein letzter Auftritt in einer Kinoproduktion.
 
Georg John als der blinde Ballonverkäufer in dem Filmklassiker "M" (1931)
Quelle: cyranos.ch bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich",
mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich)
© Praesens-Film AG
John arbeitete während seiner Filmkarriere mit weiteren namhaften Regisseuren zusammen, die Kinogeschichte geschrieben haben. So stand er für Friedrich Wilhelm Murnau1) vor der Kamera, präsentierte sich als Zigeunerhauptmann in dem als verschollen geltenden Streifen "Der Knabe in Blau"1) (1919), als Großknecht bei Rog in dem Drama "Der brennende Acker"1) (1922) und in "Der letzte Mann"1) (1924) verkörperte er den "alten, schnauzbärtigen Nachtwächter, der von dem titelgebenden Hotelportier (Emil Jannings), wie jener ein gesellschaftlicher Verlierer, zu einem prachtvollen Gelage in das Restaurant "seines" Hotels eingeladen wird."*) Für Victor Barnowsky1) stellte er in dem nach dem gleichnamigen dramatischen Gedicht1) von Henrik Ibsen1) realisierten Zweiteiler "Peer Gynt"1) (1919) an der Seite von Titelheld Heinz Salfner den skurril-diabolischen Direktor des Irrenhauses zu Kairo Prof. Dr. Begriffenfeldt dar, mimte unter der Regie von Richard Oswald1) in dem Historienfilm "Lady Hamilton"1) (1921) einen Jakobiner neben den Hauptdarstellern Liane  Haid (Lady Emma Hamilton1)) und Conrad Veidt (Lord Horatio Nelson1)). Joe May1) besetzte John wie erwähnt als den Tod in dem mit Ehefrau Mia May in der Titelrolle inszenierten Drama "Hilde Warren und der Tod"1) (1917), als blinden Senator in dem epischen Episodenwerk "Veritas vincit"1) (1919) und als Büßer in dem zweiteiligen Abenteuer "Das indische Grabmal"1) (1921). Erwähnenswert "schauerliche" Auftritte hatte der Mime beispielsweise als Mumie des Königs (Pharaos) Menes1) in Adolf Gärtners1) Geschichte "Das Rätsel der Sphinx"2) (1921) und als verkrüppelter, ehemaliger Artist in Hans Steinhoffs Sozialdrama "Der Herr des Todes"1) (1926). Eine missgestaltete Figur musste er auch in Hans Kysers1) Biopic "Luther"1) (1928) mit dem Untertitel "Ein Film der deutschen Reformation"1) (1928) und Eugen Klöpfer als Martin Luther1) darstellen, in Henrik Galeens1) Verfilmung "Alraune"1) (1928) nach dem Schauerroman "Alraune. Die Geschichte eines lebenden Wesens"1) von Hanns Heinz Ewers1) den hingerichteten Lustmörder, mit dessen Sperma Prof. Jakob ten Brinken (Paul Wegener) die Dirne (Mia Pankau) künstlich befruchtet und so das Mädchen Alraune (Brigitte Helm) erzeugt. Eher unauffälliger war sein Part des Generals Hans Joachim von Zieten1) in Siegfried Philippis Historienfilm "Die Mühle von Sanssouci"1) (1926), den er dann noch einmal in dem Tonfilm "Das Flötenkonzert von Sans-souci"1) (1930) verkörperte, einem weiteren  so genannten "Fridericus-Rex-Film"1) mit Otto Gebühr als Preußenkönig Friedrich II1). In Friedrich Zelniks ambitionierten, unter anderem mit Wilhelm Dieterle (Moritz Jäger) und Paul Wegener (Fabrikant Dreißiger) besetzten Adaption "Die Weber"1) (1927) nach dem gleichnamigen Drama1) von Gerhart Hauptmann1) überzeugte er als der alte Weber Ansorge, in dem von und mit Harry Piel gedrehten Sensations-Streifen "Männer ohne Beruf"1) (1929) kam er als Odysseus, der "Künstler" daher. Für bzw. mit Piel stand er mehrfach vor der Kamera, zu Stummfilmzeiten war er auch mit kleinen Rollen an den Produktionen "Abenteuer im Nachtexpreß"1) (1925), "Achtung Harry! Augen auf!"1) (1926), "Panik"1) (1928), "Mann gegen Mann"1) (1928) und "Die Mitternachts-Taxe"1) (1929) beteiligt, im Tonfilm erhielt er von Piel in dessen actionreichen Krimi "Sprung in den Abgrund"1) (1933) eine kleine Aufgabe als Fotograf → Übersicht Stummfilme sowie Tonfilme.
  
Trotz seiner umfangreichen Arbeit für den Film blieb John stets dem Theater treu und konnte auf der Bühne Erfolge feiern. So glänzte er beispielsweise 1923 als geldgieriger Spielcasino-Besitzer Pandolfo in Fritz Wendhausens1) Inszenierung des Lustspiels "Das Kaffeehaus"1) von Carlo Goldini1).
Mit der so genannten "Machtergreifung"1) der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 wurde der im Nazi-Sprachjargon als "Volljude"1) klassifizierte Künstler umgehend vom deutschen Kulturbetrieb ausgeschlossen und erhielt somit auch keine Filmrollen mehr. Unter seinem Geburtsnamen Jacobsohn schloss er sich dem "Kulturbund Deutscher Juden"1) an und wirkte bis zur Auflösung durch die Gestapo1) am 11. September 1941 in etlichen Aufführungen mit, zuletzt in dem Einakter "Spiel im Schloß"3) von Ferenc Molnár1).
Nur wenig später wurde Georg John in das polnische, so genannte "Ghetto Litzmannstadt1) in Łódź1) verschleppt, wo der gesundheitlich angeschlagene Schauspieler bald darauf unter ungeklärten Umständen am 18. November 1941 im Alter von 62 Jahren zu Tode kam.
Quelle (unter anderem*)): Wikipedia, cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com
*) Kay Weniger: "Zwischen Bühne und Baracke. Lexikon der verfolgten Theater-, Film- und Musikkünstler 1933 bis 1945" (Metropol, Berlin 2008, S. 193 ff)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmpoertal.de, 3) theatertexte.de
    
Filme
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de sowie
frühe Stummfilme  bei "The German Early Cinema Database"
(Fremde Links: Wikipedia, Murnau Stiftung, filmportal.de; R = Regie)
Stummfilme Tonfilme
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