Der Kabarettist und Schauspieler Jürgen Scheller wurde am 21. August 1922 in Potsdam geboren
und verbrachte dort seine Kindheit und
Jugend. Nach dem Abitur 1940 zum Kriegsdienst bei der Marine verpflichtet, geriet er 1944
als U-Boot-Offizier in kanadische Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1946
entlassen wurde. Zunächst arbeitete Scheller eine kurze Zeit als
Schauspieler, entschloss sich dann zu einem Jurastudium, dass er jedoch nach
vier Semestern wieder abbrach, um sich ganz der Schauspielerei zu widmen.
1949 bestand er die Schauspielprüfung, ging dann nach Auftritten im
Münchener Kabarett "Alter Simpl"1) 1950 als Mitarbeiter zu Radio Bremen und später zum
damaligen NWDR nach Hamburg. Dem Kabarett blieb er während dieser Zeit
stets treu, er gehörte zu den Gründern der Münchener Kabarett-Bühnen
"Die Schildbürger" und "Der Stachel" und auch bei
dem 1951 von Werner Finck2)
(1902 1978) in Hamburg gegründeten Kabarett "Die Mausefalle" wirkte er mit, ging mit dem
Ensemble auf Tournee.
1959 wurde Jürgen Scheller erster männlicher Ansager des Deutschen
Fernsehens, er stand als Schauspieler unter anderem am Hamburger "Thalia-Theater" auf der Bühne, seinen Durchbruch als anerkannter Kabarettist
hatte er, als er dann Anfang der 1960er Jahre Mitglied der Münchner "Lach- und Schießgesellschaft"1)
wurde.
Foto: Privatarchiv Oliver Scheller
© Oliver Scheller
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Von 1961 bis 1973 gehörte
er zum Ensemble der populären Kleinkunstbühne, die er maßgeblich
mitprägte, avancierte nicht zuletzt durch die
Fernsehübertragungen wie seine Partner Dieter Hildebrandt2),
Klaus Havenstein2)
(1922 1998), Hans Jürgen Diedrich2) (1923 2012)
und Kollegin Ursula Noack2)
(1918 1988), später auch
Achim Strietzel1)
(1926 1989) und Horst Jüssen1)
(1941 2008), scharfzüngig und witzig
mit geistreichen Programmen wie "Überleben Sie mal" (1962)
oder "Halt die Presse" (1963) zum Publikumsliebling der Nation und schrieb
Kabarettgeschichte. Scheller war "nicht das böse Lästermaul"
notierte die "Süddeutsche Zeitung" (02.04.1996) anlässlich
seines Todes, "Schellers Stärke waren die musikalischen Nummern, der
augenzwinkernde Witz, die mit geistreichen Versprechern und Stottereien
vorgetragene Conférence, so wie er sie 1953 beim famosen Werner Finck in
dessen Kabarett "Die Mausfalle" kennengelernt hatte".
Gemeinsam mit seinen Mitstreitern erhielt auch Scheller 1963 den "Schwabinger Kunstpreis" der Stadt München.
Dass Jürgen Scheller ein ausdrucksstarker und vielseitiger Darsteller war,
bewies er mit unterschiedlichen Rollen bei zahlreichen Bühnen- und
Fernsehauftritten. In den 1950er und 1960er Jahren erlebte man ihn unter
anderem in Operetten wie Benatzkys "Im Weißen Rössl", Leon Jessels
"Schwarzwaldmädel" und Tolarskis "Auf der grünen Wiese"
oder dem Musical "Käptn Bay Bay" von Norbert Schultze; im Münchner
"Theater des Ostens", das er in den 1970er Jahren auch
leitete, war er unter anderem in den Volksstücken "Die Sache mit dem Feigenblatt" und
"Unser Goldbua" zu sehen. Auf dem Bildschirm agierte er
beispielsweise in Fernsehspielen wie "Mit Pauken und Trompeten" (1964),
"Kennen Sie Heberlein?" (1964), dem Werfel-Stück "Jacobowski und der Oberst" (1967)
oder der Serie "Die seltsamen Methoden des Franz Josef Wanninger"2) (1969). Zusammen
mit Günter Pfitzmann und Gerd Baltus stand er für den
Vierteiler "PS Geschichten ums Auto"1) (1975) vor der Kamera, mit Siegfried Rauch sah
man ihn in der Serie "Es muss nicht immer Kaviar sein"3) (1977),
nach dem Bestseller von Johannes Mario Simmel. Neben Gastauftritten in
Krimi-Reihen wie "Derrick" oder "Tatort" zeigte er sich in
weiteren unterhaltsamen Serien wie beispielsweise "Till,
der Junge von nebenan"1) (1967) oder "Helga und die Nordlichter"1) (1984) mit Helga Feddersen
in der Titelrolle. 1987 erlebte man ihn in "Zur Freiheit"3),
einer Milieu-Serie von Franz Xaver Bogner bzw. den fiktiven
Geschichten um das Schlachthofviertel und das Münchener Wirtshaus mit Musikbühne
"Zum Schlachthof".
In den 1970ern moderierte das
Allround-Talent Scheller das Jugendquiz "Räuber und Gendarm"
sowie das Städte-Duell "Drei-Länder-Spiel", zwischen 1980 und
1983 war er in Glossenbeiträgen des ZDF-Wirtschaftsmagazins "Bilanz"
auf dem Bildschirm präsent und auch als Regisseur war er sehr erfolgreich.
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Vereinzelt unternahm Jürgen Scheller auch Ausflüge auf die Leinwand und
übernahm kleinere Aufgaben, so in Anatole Litvaks Kriegsfilm "Entscheidung im Morgengrauen"1)
(1951, Decision before Dawn). Paul Verhoeven besetzte ihn in der
Literaturverfilmung "Ich weiß, wofür ich lebe" (1955) mit
Gert Fröbe und Lil Dagover, Sammy Drechsel in der deutsch- französischen Ko-Produktion
"Zwei Girls vom roten Stern"1) (1966)
mit Lilli Palmer und Curd Jürgens, und František Papoušek neben Dieter Hildebrandt
in der Klamotte "Die Spaßvögel" (1967). 1970 tauchte Scheller in Rolf Thieles
Sex-Satire "Frisch, fromm, fröhlich, frei" auf, 1973 mimte
er einen Reporter in dem Rühmann-Film "Oh Jonathan, oh Jonathan!"1),
tauchte zusammen mit Willy Millowitsch 1975 in dem Konsalik-Streifen "Der
Geheimnisträger" auf. Seine letzte Arbeit für das Kino waren Sprechrollen
in Animationsfilmen, so in dem originellen biblischen Zeichentickfilm "Shalom Pharao"1) (1982),
in "Das
kleine Gespenst"1) (1992)
sowie "Asterix
in Amerika"1) (1994), wo er dem "Majestix"
seine Stimme lieh.
Foto: Privatarchiv Oliver Scheller
© Oliver Scheller
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Neben seiner umfangreichen Arbeit für Theater, Film und Fernsehen
begeisterte Jürgen Scheller immer wieder mit Soloprogrammen wie "Leise rieselt der Spott" (1974),
das auch auf Schallplatte erschien, "Solo für zwei" (1975, zusammen mit Susanne Doucet),
"Saudumm und Gomorrha" (1979) oder "Schade, daß Sie gekommen sind" (1981) das Publikum.
Zu seinen weiteren Programmen zählen "Ich versteh' nur immer Bahnhof" (1982), "Das darf doch
alles nicht wahr sein" (1985), "Und wenn ich vom Kirchturm schau" (1987), "Mensch,
sieh dich an" (1989) und erneut "Leise rieselt der Spott" (1991).
Jürgen Scheller erlag am 31. März 1996 im Alter von 73 Jahren in einem Krankenhaus im oberbayerischen Aibling
seinem Krebsleiden; seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Friedhof an der Putzbrunner
Straße in München-Perlach → Foto der Grabstätte bei www.knerger.de.
Scheller hinterließ seine zweite Ehefrau, die Schauspielerin
Trude Haefelin2)
(1914 2008), die er 1957 geheiratet
hatte; aus Schellers ersten Ehe mit Gertraud Scheller (geb. Hauer) stammt der
1951 geborene Sohn Oliver Scheller.
Seit drei Jahrzehnten hatte sich der Künstler für die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage seines Berufsstandes
engagiert, gehörte 1966 zu den Mitbegründern der Fachgruppe "Bühne-Film-Fernsehen" in der Deutschen
Angestellten-Gewerkschaft, nicht zuletzt aufgrund seines Engagements wurde 1994 in der DAG die Berufsgruppe
"Kunst und Medien" geschaffen, deren ehrenamtlichen Vorsitz er bis zu seinem Tode
inne hatte
1974 gründete Jürgen Scheller das "Paul-Klinger-Künstlersozialwerk e.
V.", einen gemeinnützigen Verein und eine Solidargemeinschaft von Künstlern und Nichtkünstlern, die Künstler über die Möglichkeiten der sozialen Absicherung informiert und Künstlern in Not hilft. Bis zu seinem Tod 1996 war Jürgen Scheller Präsident des
"Paul-Klinger-Künstlersozialwerks e. V.". Sein Nachfolger wurde Hellmuth
Matiasek.4)
Foto: Privatarchiv Oliver Scheller
© Oliver Scheller
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