Der Schauspieler Joseph (auch Josef) Schildkraut wurde am 22. März 1896 in der österreichischen Hauptstadt Wien geboren. Sein Vater war der am 27. April 1862 in Konstantinopel geborene berühmte Theaterschauspieler Rudolph Schildkraut1), der ab 1905 am Berliner "Deutschen Theater" zu einem der wichtigsten Ensemblemitglieder unter der Intendanz von Max Reinhardt1) (1873 – 1943) avancierte. Mit seinen Shakespeare-Interpretationen beispielsweise des Shylock in "Der Kaufmann von Venedig", des "König Lear", des Autolycus in "Ein Wintermärchen" oder des Totengräbers in "Hamlet" schrieb Rudolph Schildkraut Theatergeschichte. Dessen Ehefrau Erna, am 14. November 1869 als Erna Weinstein geboren, starb am 24. März 1940, Rudolph Schildkraut am 15. Juli 1930 in Los Angeles.
Sohn Joseph trat in die (großen) Fußstapfen seines Vaters und nahm bereits in jungen Jahren bei dem nicht minder berühmten Albert Bassermann2) (1867 – 19523) Schauspielunterricht. Ab 1910 begleitete er seinen Vater auf einer dreijährigen Tournee durch die USA, vertiefte anschließend seine Schauspielstudien bei Max Reinhardt und arrivierte ebenfalls zu einem herausragenden Charaktermimen.

  

Foto: Joseph Schildkraut vor 1929
Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: www.cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe hier

Joseph Schildkraut vor 1929; Urheber bzw. Nutzungsrechtinhaber: Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: www.cyranos.ch
Bereits Mitte der 1910er Jahre wandte sich Joseph Schildkraut der noch jungen Kinematographie zu und trat erstmals in Richard Oswalds Streifen "Schlemihl. Ein Lebensbild"1) (1915) auf der stummen Leinwand neben seinem Vater in Erscheinung, der den guten Geist (Faktotum) eines reichgewordenen Trödlers (Heinrich Peer) spielte. Es folgten Auftritte neben Rudolph Schildkraut in Produktionen wie Oswalds "Dämon und Mensch" (1915) oder Max Macks "Das Wiegenlied" (1916), rasch machte sich Joseph Schildkraut mit Hauptrollen dann selbst einen Namen in der Stummfilmszene.
Der Filmruhm in Deutschland blieb jedoch ein Intermezzo, 1920 wanderte Joseph Schildkraut wie sein Vater in die USA aus und gab bereits wenig später sein Debüt als Chevalier de Vaudrey in David W. Griffiths, zur Zeit der Französischen Revolution angesiedeltem Melodram "Zwei Waisen im Sturm"1) (1921, Orphans of the Storm) neben den Schwestern Lillian und Dorothy Gish. In kurzer Zeit gehörte Joseph Schildkraut zu den beliebten Filmstars, drehte beispielsweise mit Cecil B. DeMille die Komödie "Young April"3) (1926) und das stumme, monumentale Bibel-Epos "König der Könige"1) (1927, The King of Kings), wo er als Jesus-Verräter Judas Ischariot überzeugte; in den genannten Filmen gehörte auch Rudolph Schildkraut zu Besetzung.
Den Übergang zum Tonfilm schaffte Joseph Schildkraut aufgrund seiner geschulten Sprachtechnik problemlos, in Harry A. Pollards Musical "Show Boat"1) (1929, Show Boat / Das Komödiantenschiff) machte er als Gaylord Ravenal, spielwütiger Ehemann der jungen Magnolia (Laura La Plante), eine gute Figur oder kam als General Pascal in dem Biopic bzw. dem Abenteuer um den mexikanischen Volkshelden Pancho Villa1) in "
Schrei der Gehetzten"1) (1934, Viva Villa!) daher. Eine erneute Zusammenarbeit mit Cecil B. DeMille gab es in dessen ersten Tonfilm über die legendäre ägyptischen Königin "Cleopatra"1) (1934), wo Schildkraut neben der Titelheldin Claudette Colbert und Warren William (Julius Caesar) den König Herodes mimte. Auch in De Milles Historien-Abenteuer "Kreuzritter – Richard Löwenherz"1) (1935, The Crusades) konnte Schildkraut als Markgraf Konrad von Montferrat1) an der Seite von Henry Wilcoxon (König Richard Löwenherz und Loretta Young (Prinzessin Berengaria von Navarra) punkten, zeigte sich in Richard Boleslavskis Melodram "Der Garten Allahs"1) (1936, The Garden of Allah) zusammen mit Marlene Dietrich und Charles Boyer. 
Josef Schildkraut und die Sängerin Maria Olszewska (1892 - 1969); Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 102-13226; Fotograf: unbekannt / Datierung: 03/1932 / Lizenz CC-BY-SA 3.0; Originalfoto und Beschreibung: Deutsches Bundesarchiv Bild 102-13226 bzw. Wikimedia Commons Weitere tragende Rollen hatte Schildkraut beispielsweise in den Abenteuern "Das Sklavenschiff"3) (1937, Slave Ship) und "Schiffbruch der Seelen"1) (1937, Souls at Sea), mit Wilhelm Dieterles Verfilmung der Lebensgeschichte des französischen Schriftstellers Émile Zola, "Das Leben des Emile Zola"1) (1937, The Life of Emile Zola) mit Paul Muni in der Hauptrolle erreichte der Schauspieler einen Höhepunkt seiner filmischen Karriere: Für seine Darstellung des Armee-Hauptmanns Alfred Dreyfus1) wurde Schildkraut mit einem Oscar in der Kategorie "Bester Nebendarsteller" ausgezeichnet; der Film selbst errang darüber hinaus die begehrte Trophäe als "Bester Film" sowie für das "Beste Original-Drehbuch", zuvor war er für weitere sechs Kategorien nominiert gewesen. Damit gehört Joseph Schildkraut (bisher) neben Maximilian Schell (1962) und Christoph Waltz (2010) zu den drei einzigen Österreichern, die für ihre schauspielerische Leistung mit einem einen Oscar geehrt wurden.
 
 
Foto: Josef Schildkraut und die Sängerin Maria Olszewska1) (1892 – 1969)
Historische Originalbeschreibung: Kammersängerin Maria Olszewska und der bekannte Schauspieler und Filmdarsteller Joseph Schildkraut kehrten von einer erfolgreichen Amerika-Tournee an Bord des Dampfers New York nach Deutschland zurück. (März 1932)
Quelle: Deutsches Bundesarchiv, Digitale Bilddatenbank, Bild 102-13226;
Fotograf: unbekannt / Datierung: 03/1932 / Lizenz CC-BY-SA 3.0
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dieser Webpräsenz wurde am 11.10.2010 erteilt.
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv Bild 102-13226 bzw. Wikimedia Commons
In nachhaltiger Erinnerung ist auch Schildkrauts Verkörperung des machthungrigen Herzogs von Orléans1) geblieben, den er eindrucksvoll W. S. Van Dykes hochkarätig besetzten Filmbiografie über das Leben der französischen Königin "Marie-Antoinette"1) (1938) zu gestalten wusste. Hollywood-Star Norma Shearer gab die Titelfigur, Tyrone Power deren Favorit Axel von Fersen, John Barrymore den König Ludwig XV. Einer weiteren historischen Figur verlieh er in James Whales Historien-Abenteuer "Der Mann mit der eisernen Maske"1) (1939, The Man in the Iron Mask) Kontur und mimte den französischen Finanzminister Nicolas Fouquet, zuvor hatte er in dem Mantel-und-Degen-Streifen "The Three Musketeers"3) (1939, Die drei Musketiere) den französischen König Louis XIII. und in "Suez"1) (1938) den Vicomte Rene De Latour, Freund des Suezkanal-Erbauers Ferdinand de Lesseps (Tyrone Power) gespielt.
Doch Schildkraut war nicht nur auf historische Sujets abboniert, tauchte neben Clark Gable und Norma Shearer als netter Captain Kirvline in der Komödie "Idiot's Delight"1) (1939) auf, drehte mit Protagonist Peter Lorre "Mr. Moto und sein Lockvogel"3) (1939, Mr. Moto Takes a Vacation) oder stand für Clarence Brown für dessen Louis Bromfield-Adaption "Nacht über Indien"1) (1939, The Rains Came) vor der Kamera. Ernst Lubitsch besetzte ihn in seiner wunderbar inszenierten, komödiantischen Romanze "Rendezvous nach Ladenschluß"1) (1940, The Shop Around the Corner) an der Seite von James Stewart und Margaret Sullavan als den arrogant-schleimigen Familienvater Ferencz Vadas, in Joseph Kanes Western "San Francisco Lilly"1) (1945, Flame of Barbary Coast) konnte Schildkraut neben John Wayne einmal mehr als Spielhallen-Boss Tito Morell seine schauspielerische Bandbreite unter Beweis stellen.
Ab den 1950er Jahren verlegte Schildkraut seine Arbeit vor der Kamera auf das Fernsehen und trat in verschiedenen, dem Theater-Drama gewidmeten Serien mit Gastrollen auf. 1953 hatte er zudem mit "Joseph Schildkraut Presents" als Moderator eine eigene TV-Sendung. Zu seinen herausragenden filmischen Interpretationen bzw. Altersrollen zählt zweifellos die Darstellung des liebenswerten Vaters Otto Frank1) in dem von George Stevens inszenierten Kino-Drama über das Schicksal von Anne Frank1) (gespielt von Millie Perkind) und ihrer Familie in "Das Tagebuch der Anne Frank"1) (1959, The Diary of Anne Frank). Eine "Golden Globe"-Nominierung als "Bester Schauspieler" war der Lohn.
Nach Auftritten in populären TV-Serien wie "Dr. Kildare" (1962) oder "77-Sunset-Strip" (1963) spielte Schildkraut in George Stevens' monumentalem Jesus-Epos "Die größte Geschichte aller Zeiten"1) (1965, The Greatest Story Ever Told) seine letzte Kino-Rolle und gestaltete den Pharisäer Nikodemus1), dem Jesus (Max von Sydow) die Wahrheit der geistlichen Wiedergeburt nahe bringt.
Während seiner umfangreichen Arbeit für den Film widmete sich der Schauspieler immer der Arbeit am Theater und feierte Erfolge am Broadway, so beispielsweise 1923 in Ibsens "Peer Gynt" oder 1932 in der Bühnenversion von Lewis Carrolls Klassiker "Alice im Wunderland". Auch in der Theaterfassung von "Das Tagebuch der Anne Frank" brillierte Schildkraut in den 1950er Jahren in New York mit der Rolle des Otto Frank an der Seite von Gusti Huber als seiner Ehefrau Edith Frank, die in die Filmversion aus dem Jahre 1959 ebenfalls mit dieser Rolle zu sehen war.
 
Kurz nach den Dreharbeiten zu "Die größte Geschichte aller Zeiten" erlag Joseph Schildkraut am 21. Januar 1964 in New York City mit nur 67 Jahren den Folgen eines Herzinfarktes. Die Urne mit den sterblichen Überresten wurde auf dem "Hollywood Forever Cemetery" (Beth Olam Mausoleum, Foyer R, Westseite, Nische 212) in Los Angeles (Kalifornien) beigesetzt → www.findagrave.com. Auch sein Vater Rudolph war im gleichen Alter am 15. Juni 1930 an einem Herzinfarkt gestorben, dessen Urne befindet sich ebenfalls im "Beth Olam Mausoleum" (Sektion R, Krypta 214) → www.findagrave.com.
Joseph Schildkraut war drei Mal verheiratet: Am 7. April 1923 hatte er der Filmschauspielerin Elise Bartlett (1899 – 1947) das Ja-Wort gegeben, die er während seiner Auftritte in "Peer Gynt" kennengelernt hatte; nach nur sieben Jahren endete die Verbindung am 9. Juni 1930 vor dem Scheidungsrichter. Mit seiner zweiten Ehefrau, Marie McKay, die er am 27. Mai 1932 ehelichte, war Schildkraut 29 Jahre verheiratet; sie starb bei Dreharbeiten am 17. Februar 1962. Im Sommer 1963 heiratete Schildkraut Leonora Rogers, die bis zu seinem Tod an seiner Seite war; jede der drei Ehen blieb kinderlos.
Bereits 1959 hatte er seine Autobiographie "My Father and I" publiziert, in dem er die eindrucksvolle Karriere seines Vaters Rudolph Schildkraut nachzeichnet sowie den Leser an seiner eigenen, nicht minder erfolgreichen Laufbahn teilhaben lässt. Auf dem "Hollywood Walk of Fame" erinnert ein Stern an den einstigen Filmstar.
 
Dass Joseph Schildkraut die Rolle des Otto Frank in "Das Tagebuch der Anne Frank" angenommen hatte, kam nicht von ungefähr. Seit Jahrzehnten sammelte der Schauspieler Briefe, Dokumente und Fotos der Familie von Anne Frank, von denen eine Reihe aus dem Besitz seines Freundes und Vertrauten Otto Frank (1989 – 1980) selbst stammten. Schildkraut baute so ein beachtliches Archiv auf, das am 5. November 2012 im Auktionshaus "Doyle" in New York zur Versteigerung kam. Erworben wurde dieser Nachlass Schildkrauts von der "Anne-Frank-Stiftung" in Amsterdam → www.annefrank.org. Zu der Sammlung gehören auch Fotos, Dokumente und bis dato unbekannte Briefe aus den Jahren 1936 bis 1941 über die Versuche der jüdischen Familie in die USA auszuwandern. Als einziges Familienmitglied überlebte Anne Franks Vater Otto1) (1889 – 1980) den Holocaust und veröffentlichte später das Tagebuch seiner Tochter, welches als historisches Dokument weltberühmt und in 55 Sprachen übersetzte wurde → Wikipedia.
Quelle (unter anderem): Wikipedia, www.cyranos.ch
Fotos bei www.virtual-history.com
Link: 1) Wikipedia (deutsch), 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 3) Wikipedia (englisch)
Lizenz Foto Joseph Schildkraut (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
Kinofilme
Filmografie bei der Internet Movie Database
(Link: Wikipedia (deutsch, englisch))
Stummfilme Tonfilme
  • 1929: The Mississippi Gambler
  • 1929: Show Boat (Show Boat / Das Komödiantenschiff)
  • 1930: Vampyre der Großstadt (Night Ride)
  • 1930: Cock o' the Walk
  • 1930: Die Sehnsucht jeder Frau
  • 1931: Carnival
  • 1932: The Blue Danube
  • 1934: Schrei der Gehetzten (Viva Villa!)
  • 1934: Cleopatra (Cleopatra)
Noch: Tonfilme
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