Die Schauspielerin mit dem klingenden slawischen Namen "Maria Orska" wurde am 16. März 1893 im südrussischen Nikolajew (heute Mykolajiw, Ukraine) nahe Odessa als Effi Rahel Blindermann geboren; sie war die Cousine der Schauspielerin Hedda Forsten1) (1897 – 1933) bzw. mütterlicherseits mit dem Theater-Impresario Eugen Frankfurter verwandt. Obwohl sie, wie ihr Vater Habrán Moiseybich Blinderman, ursprünglich Rechtswissenschaften studieren wollte, wandte sie sich der Schauspielerei zu und wurde in St. Petersburg von dem Schauspieler bzw. Schauspiellehrer Ferdinand Gregori1) (1870 – 1928) entdeckt. Dieser holte sie 1909 nach Wien an die von ihm geleitete "k.u.k. Akademie für Musik und darstellende Kunst" (heute: Universität für Musik und darstellende Kunst Wien). Als Gregori 1910 als Intendant an das das "Hoftheater Mannheim" berufen wurde, folgte sie ihm und gab dort – unter dem Namen "Daisy Orska" – ihr Bühnendebüt. Bald wurden die Kritiker auf die Schauspielerin aufmerksam, die vor allem in Gegenwartstücken von August Strindberg und Arthur Schnitzler mit ihren ausgefallenen Interpretationen überzeugte. 1911 wechselte sie an das "Hamburger Schauspielhaus", wo sie rasch – oft an der Seite von Herman Wlach2) (1884 – 1962) – zum Star des Ensembles arrivierte. Zur Spielzeit 1914/15 zog es Maria Orska – wie sich inzwischen nannte – in die Metropole Berlin, hier wirkte sie vornehmlich am "Theater in der Königgrätzer Straße" (heute "Hebbel-Theater") sowie an Max Reinhardts Berliner Bühnen.
  

Foto: Maria Orska auf einem Foto von Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Photochemie-Karte K 120
Quelle: www.cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe hier

Maria Orska auf einem Foto (Photochemie-Karte K 120) von Alexander Binder (1888 – 1929); Quelle: www.cyranos.ch
Es waren immer wieder Stücke der Moderne von Oscar Wilde, Frank Wedekind, Arthur Schnitzler und August Strindberg, in denen sie zu glänzen wusste. 1917 machte sie mit der Gestaltung der Lulu in Frank Wedekinds Tragödie "Erdgeist" Furore. "Sie hatte scharfe, bohrende Töne, deren unheimliche Wirkung das kleine Persönchen fanatisch überhöhten. Sie kultivierte außerdem mondäne Rollen, in denen sie die spitzen Humore eines verschlagenen Charakters entfaltete. (…) Auf dem Gebiete erotischer Darstellung wagte sie sich bemerkenswert weit vor. Eine elementare Künstlerin war sie nicht, aber sie hatte individuelle Eigenschaften, die sie zum Liebling des Publikums machten." notierte der Journalist und Schriftsteller Emil Faktor im "Berliner Börsen-Courier" (16.05.1930) anlässlich des frühen und tragischen Todes von Maria Orska.
 
Die als überaus ehrgeizig geltende Schauspielerin, die seit ihrer Heirat mit ihrem zweiten Mann Baron Dr. Hans von Bleichröder jun. (1888 – 1938), einem Enkel3) des jüdischen Bankiers Gerson von Bleichröder1), einen aufwendigen Lebensstil pflegte und lange im Mittelpunkt der sogenannten Berliner Gesellschaft stand, wusste sich auch privat spektakulär-exzentrisch in Szene zu setzen. Verstärkt wurde ihre Popularität durch den Film, 1915 startete sie eine zweite Karriere als Stummfilm-Darstellerin und erhielt bald Spitzengagen. Ihr Leinwanddebüt gab Maria Orska bei der Berliner "Greenbaum-Film GmbH" in Richard Oswalds Melodram "Dämon und Mensch" (1915) und mimte die zwielichtige Lina, die einen geläuterten Verbrecher (Rudolf Schildkraut) vom Weg der Tugend abbringen will. Bei "Das tanzende Herz" (1916) arbeitete Maria Orska erstmals mit dem Filmpionier und Regisseur Max Mack1) (1884 – 1973) zusammen, der 1916/17 mit seiner Protagonistin eine sechsteilige "Maria Orska-Serie" in die Lichtspielhäuser brachte. Der Star wird angepriesen als "die unerreichte Interpretin Strindbergscher Frauengestalten, die mondänste Schauspielerin des Berlins von heute". Sie sei die Vertreterin einer "ganz auf Nerven gestellten Kunst" ("Der Film", Nr. 23, 01.07.1916).4) Als ein Mädchen aus der Gosse präsentierte sie sich in "Der Sumpf" (1916), aber auch in Lustspielen wie "Die Sektwette" (1916) konnte die Schauspielerin das Publikum für sich gewinnen.
  
Doch es waren überwiegend die Melodramen jener Jahre, in denen Maria Orska den Typus der verruchten Frau gestaltete und damit ihr Bühnen-Image der Kokotte unterstrich, dass sie sich Anfang der 1920er Jahre in dem Schwank "Karussell" von Louis Verneuil erworben hatte. Nach den dramatischen Streifen "Adamants letztes Rennen" (1917) und "Der lebende Tote" (1917) war sie für Max Mack "Die schwarze Loo" (1917) und machte als Zigeunerin von sich reden, die fast die Ehe eines Musikers (Bruno Kastner) zerstört: Regisseur Max Mack entführt sein Publikum in die schillernde Halbwelt der Reichshauptstadt. Die gefeierte Maria Orska als "Schwarze Loo", die von der Demimonde wie von der besseren Gesellschaft heftig umflattert wird. Zwischen Schiebetanz und Liebesintrige entwickelt der Film seine schon damals als äußerst gewagt empfundene Handlung in ausdrucksstarken Bildern und pointierten Situationen, in denen mit bemerkenswerter Entschlossenheit an den Moralvorstellungen des spätwilhelminischen Kaiserreichs gerüttelt wird.5) "Die schwarze Loo" war der letzte Teil der "Maria-Orska-Serie", die Mack für die "Greenbaum-Film" realisierte, danach machte Maria Orska eine Pause vom Filmgeschäft und konzentrierte sich die nächsten drei Jahre ausschließlich auf ihre Arbeit am Theater. 
1920 trat sie dann in dem von Dimitri Buchowetzki in Szene gesetzten Film "Die letzte Stunde" mit dem Untertitel "Der Tag eines Gerichtes in 5 Verhandlungen" neben Reinhold Schünzel wieder auf der Leinwand in Erscheinung, Es folgten die Emile Zola-Adaptation "Die Bestie im Menschen" (1921; Regie: Ludwig Wolff), die Groteske "Der Streik der Diebe"6) (1921; Regie: Alfred Abel) sowie Paul Czinners Drama "Opfer der Leidenschaft" (1922) als Partnerin von Paul Bildt. Mit der Rolle der launischen Tänzerin Barberina Campanini1) in dem ersten und dritten Teil der "Fridericus Rex"-Reihe1) (1922/23) beendete Maria Orska ihre Filmkarriere.

Ihr Versuch, als Theaterschauspielerin in Paris Fuß zu fassen, scheiterte, enttäuscht kehrte die gefeierte Künstlerin nach Berlin zurück und nahm Verpflichtungen am "Komödienhaus", am "Deutschen Theater" und am "Lessing-Theater" an.
Immer mehr wurde jedoch ihr gesundheitlicher, durch die Morphium-Sucht angegriffener Zustand offensichtlich. Maria Orska, seit 1925 von ihrem Mann Dr. Hans von Bleichröder geschieden, sorgt durch ihre eigene Todessehnsucht und ihren Drogenkonsum für Gesprächsstoff. Krankenschwestern warten auf der Seitenbühne mit einer Spritze, Direktoren zittern um jede Aufführung. Ihre Selbstmordversuche – einmal springt sie vom Zug – gehören für die Öffentlichkeit bald zur Routine. "Sie hatten einen bereits typischen Charakter. Sie erfolgten jedesmal nach einer Ruhe- und Entwöhnungspause im Sanatorium, das die von Dämonen gehetzte Künstlerin fluchtartig zu verlassen pflegte, um sich von einem für sie wertlos gewordenen Dasein zu erlösen." (Emil Faktor, 1930).4)
  
Maria Orska unternahm zwar einige Entziehungskuren, die jedoch alle erfolglos blieben. Mit Vergiftungserscheinungen, hervorgerufen durch eine Überdosis "Veronal", lieferte man die Schauspielerin zuletzt in das Wiener "Allgemeine Krankenhaus" ein, wo sie am 16. Mai 1930 mit nur 37 Jahren starb – eine hinzutretende Lungenentzündung hatte ihr geschwächter Körper nicht mehr verkraftet. Auch das Leben ihrer 1894 geborenen Schwester Gabryela, als Marchesa di Serra Mantschedda verheiratet mit einem italienischen Aristokraten, endete tragisch, 1924 (oder 1926) erhängte sich Gabryela in einem Wiener Hotel. Über den Bruder Edwin ist nichts bekannt → www.geni.com.
"Maria Orska war der Berauschung der Bühne völlig untertan, bis sie darunter zusammenbrach. An dieser seltsamen Erscheinung ließ sich erfahren, wie schwer das Phänomen des Schauspielerischen zu deuten ist. Sie schien ebenso von Kulissenluft eingehüllt, wie sie dann wieder von letzter Schlichtheit war. Sie war Theaterschlange und rechthaberischer Star, etwa in Wildes "Salome", und war auch die bescheidenste Hedwig in der "Wildente" (Ibsen). Sie war heiß und kalt, sie spielte und sie lebte" schreibt Fritz Engel (in: Siegmund Kaznelson1) (Hrsg.): "Juden im deutschen Kulturbereich", Berlin 1962, Seite 211).
Der berühmte Oskar Kokoschka1) zeichnete die Schauspielerin 1922, Lithographien hängen in verschiedenen Museen, unter anderem in der "Staatlichen Kunstsammlungen Dresden".

Quellen: Wikipedia, www.cyranos.ch sowie
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 40*)
Fotos bei www.virtual-history.com
*) Mit den Quellen:
– E. J.: Maria Orska. In: "Der Film", Nr. 23 (01.07.1916)
– Emil Faktor: Die Schauspielerin Maria Orska. In: "Berliner Börsen-Courier" (16.05.1930)
– Carl Meinhard: Maria Orska, In: "Berliner Tageblatt" (16.05.1930)
– Hermann Sinsheimer: Erinnerung an zwei Tote. In: "Berliner Tageblatt" (20.05.1930)
– H. E. J.: Die letzte Fahrt. Maria Orskas Beisetzung. In: "Berliner Tageblatt" (20.05.1930)
Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 6) filmportal.de
3) In einschlägigen Quellen wird als Ehemann Baron Hans von Bleichröder, ältester Sohn von Gerson von Bleichröder, angegeben; dieser starb jedoch bereits 1917. Die Scheidung zwischen Orska und Bleichröder erfolgte 1925. Es muss sich also bei der Heirat Orskas um Baron Hans von Bleichröders 1888 geborenen Sohn Hans von Bleichröder jun. handeln → sozialistenfriedhof.de.
4) Quelle: CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 40
5) Quelle: www.filmmuseum-potsdam.de
Lizenz Fotos Maria Orska (Urheber: Alexander Binder): Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für die Europäische Union, die Vereinigten Staaten, Australien und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers.
Filme
Filmografie bei der Internet Movie Database  
und www.earlycinema.uni-koeln.de
(Link: Wikipedia)
  • 1915: Dämon und Mensch
  • 1916: Das tanzende Herz
  • 1916: Der Sumpf
  • 1916: Das Geständnis der grünen Maske / Der grüne Dämon
  • 1916: Der Fakir im Frack
  • 1916: Die Sektwette
  • 1917: Adamants letztes Rennen
  • 1917: Der lebende Tote
  • 1917: Die schwarze Loo
  • 1920: Die letzte Stunde. Der Tag eines Gerichtes in 5 Verhandlungen
  • 1921: Die Bestie im Menschen
  • 1921: Der Streik der Diebe
  • 1922: Opfer der Leidenschaft
  • 1922/23: Fridericus Rex
    • Teil 1: Sturm und Drang (1922)
    • Teil 3: Sanssouci (1923)
Um zur Seite der Publikumslieblinge zurückzukehren, bitte dieses Fenster schließen.
Home: www.steffi-line.de