Norma Shearer (Edith Norma Shearer) wurde am 10. August 1902 im kanadischen
Montreal geboren. Ihr Vater Andrew (1864 1944) war aus Schottland
emigriert und bei Geburt seiner jüngsten Tochter wohlhabender Besitzer einer
Konstruktionsfirma; Mutter Edith (1873 1958) stammte aus der Familie eines englischen
Geistlichen. Norma verlebte zusammen mit ihren älteren Geschwistern, dem
Bruder Douglas1)
(1899 1971) und der Schwester Athole (1900 1985), eine behütete, idyllische Kindheit, die
sie später einmal als "vergnüglichen Traum" bezeichnete und ihre
Zeit war angefüllt mit Klavier spielen, Ski fahren und Schwimmen. Schon mit
neun Jahren wusste das Mädchen genau, was es einmal werden wollte nämlich
Schauspielerin. Nach dem Besuch der High School in ihrem Heimatort, besuchte
sie später die "Canadian Royal Academy of Music". Norma Shearers Mutter
war krankhaft ehrgeizig was die Töchter anbelangte und so
wurde Norma schon in jungen Jahren bei Kindertheatern und mit 14 Jahren zu
Schönheitswettbewerben angemeldet. 1920 trennte sich Edith Shearer
von ihrem Mann und ging mit den Töchtern Norma und Athole nach New York.
Norma sollte Tänzerin bei den "Ziegfeld Follies"1) werden,
wurde jedoch wegen zu kurzer Beine abgelehnt. So arbeitete sie zunächst als
Fotomodell und war ab 1920 Kleindarstellerin bei verschiedenen
Stummfilm-Produktionen in New York.
Norma Shearer etwa 1930 auf einer Fotografie
von Ruth
Harriet Louise1) (1903 1940)
Quelle: Wikimedia
Commons; Angaben zur Lizenz siehe hier |
 |
 |
Ihr Leinwanddebüt gab sie 1920 in den
Streifen "Way Down East" und "The Flapper".
1922 hatte sie eine erste größere Rolle in "The Man Who Paid"
und erhielt ein Jahr später einen Filmvertrag von MGM durch
Produktionschef Irving Thalberg1)
(1899 1936), den sie 1927 heiratete. Zunächst spielte
sie kleinere Rollen in Stummfilmen wie "The Devil's Partner" (1923)
oder "The Wolf Man" (1924) und arbeitete sich langsam an die Spitze der "stummen" Stars empor.
Erste größere Aufmerksamkeit erlangte sie mit dem Drama "He
Who Gets Slapped"1) (1924, Der Mann,
der die Ohrfeigen bekam) als Partnerin von Lon Chaney und Frauenschwarm John Gilbert, ihre große Chance und der Durchbruch zur Leinwand-Diva kam dann 1927 mit der Rolle der Kathi
neben Stummfilmstar Ramón Novarro in Ernst Lubitschs Komödie "The Student Prince in Old Heidelberg"1)
(Alt-Heidelberg). 1928 drehte die elegante Schauspielerin mit "A Lady of Chance"
ihren letzten
stummen Streifen,
schaffte den Sprung zum Tonfilm und wurde in den folgenden Jahren auch bei
großen Produktionen mit bedeutenden Rollen besetzt. Im Gegensatz zu vielen
anderen Stummfilmstars genügte ihre Stimme den Anforderungen des neuen
Genres.
Ihr erster Tonfilm "The Trial of Mary Dugan" (Mordprozess Mary Dugan) wurde 1929 ein
großer Erfolg und die Kritiker sagten ihr eine triumphale Karriere
voraus sie sollten recht behalten. Bald gehörte Norma Shearer neben Greta Garbo zu
den Top-Stars der Branche. Nach weiblichen Hauptrollen in den Filmen
"The
Last of Mrs. Cheyney"1) (1929) und "Their
Own Desire"1) (1929) erhielt sie 1930 ihren ersten, aber auch
einzigen "Oscar" für ihre
Darstellung der jungen Ehefrau Jerry in Robert Z. Leonards Melodram "The Divorcee"1)
(Die Frau für alle).
Norma Shearer fotografiert von Arnold Genthe1)
(1869 1942)
Quelle: www.cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe
hier |
Zwischen 1929 und 1938 wurden ihre schauspielerischen Leistungen
dann allerdings noch mehrfach mit "Oscar"-Nominierungen gekrönt.
So unter anderem 1931 für die Figur der Tochter eines Alkoholikers,
die sich in
Clarence Browns Drama "A Free Soul"1) (Der Mut zum Glück) von einem
Gangster alias Clark Gable bezaubern lässt, 1934 für ihre Rolle der sich aus
einer schweren Krankheit lösenden Elizabeth Barrett in Sidney Franklins
"The Barretts of Wimpole Street"1) (Der Tyrann), einer Kinoadaptation der Romanze
zwischen den englischen Dichtern Elizabeth Barrett1)
und Robert Browning1),
sowie 1936 neben
Leslie Howard als Julia in George Cukors
Shakespeare-Verfilmung "Romeo and Juliet"
(Romeo und Julia); für
letztere Rolle war die Shearer eigentlich schon zu alt, um vollkommen zu
überzeugen. Dazwischen lagen Produktionen wie die Bühnenadaptionen "Smilin’
Through"1) (1932, Liebesleid) mit Fredric March und "Strange Interlude"2) (1932)
mit Clark Gable oder der
Streifen "Riptide" (1934, Die nackte Wahrheit) mit Robert Montgomery.
Das Image des Stummfilmstars "Shearer" war durch den Tonfilm stark
gewandelt worden. Hatte sie mit ihren stummen Rollen überwiegend biedere Frauen der
Mittelschicht wie Sekretärinnen, Lehrerinnen, Zirkus- oder
Theaterschauspielerinnen dargestellt, so zeigte sie sich mit dem neuen
Medium als elegante, moderne Frau. Die Charaktere, die sie nun verkörperte,
waren oft intelligente Karriere-Frauen oder unehrenhafte, meist reiche Damen
der Gesellschaft. Berühmt wurde ein ganz speziell für sie entwickeltes Make-Up, mit dem ihre Haut fast alabasterfarben auf der Leinwand wirkte und so hell war, dass es besondere Anforderungen an die Ausleuchtung der übrigen Mitspieler stellte. Gleichzeitig ließ sie sich jedes einzelne Standphoto, das von ihr veröffentlicht werden sollte, persönlich zur Freigabe vorlegen. Da Shearer nicht die allerbeste Figur hatte, achtete sie peinlich darauf, ihre Beine zu verhüllen.3)
Nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1936 Thalberg war mit erst 37 Jahre
an einer Lungenentzündung gestorben schränkte Norma Shearer ihre
schauspielerische Arbeit stark ein. 1938 war sie noch einmal als französische
Kaiserin in W. S. Van Dyke's Biopic "Marie Antoinette"1) zu sehen und erhielt hierfür den
"Coppa Volpi"1) als "Beste Darstellerin" bei den Filmfestspielen von Venedig; der
vier Mal für einen "Oscar" nominierte Film geriet zum größten Erfolg
in Norma Shearers Leinwandkarriere.
Danach stand sie für "Idiot’s Delight"1) (1938) mit Clark Gable
vor der Kamera, ein Jahr später erlebte man sie in dem von George Cukor
ausschließlich mit Frauen in Szene gesetzten Broadwayhit "The Women"1)
(1939, Die Frauen) neben Joan Crawford und Rosalind Russell. Mit den
finanziell wenig erfolgreichen Streifen "Escape"1) (1940), "We Were
Dancing"1) (1942, Mit dir ins Glück) und "Her Cardboard Lover" (1942)
zog sich der Leinwandstar vom Filmgeschäft und aus der Öffentlichkeit zurück.
In den späten 1930er Jahren wurde Norma Shearer eine leidenschaftliche und
skandalträchtige Affäre mit dem verheirateten Schauspieler George Raft1)
(1895 1980) nachgesagt, die sie jedoch beendete, da sich Rafts Frau nicht scheiden lassen
wollte; auch eine Beziehung zu James Stewart4)
(1908 1997) wurde kolportiert. 1942 Jahr heiratete sie den 14 Jahre jüngeren französischen Skilehrer
Martin Arrougé (1914 1999),
den sie während eines Urlaubs in Sun Valley (Idaho) kennen gelernt
hatte. Nach dem Krieg ging das Paar mit Norma Shearers Kindern aus
erster Ehe in die Schweiz und ließ sich für einige Zeit in St. Moritz nieder,
um dann 1952 in die Staaten zurückzukehren. Mitte der 1950er Jahre machte der
einstige Star den Versuch, die Erinnerung an die glorreichen Filmzeiten in der
Öffentlichkeit wieder wach zu rufen und schrieb eine Autobiographie. Das Buch,
eine Mischung aus Realität und Phantasie über ihre Zeit mit Thalberg,
wurde vom Verlag jedoch als zu sentimental abgelehnt.
Mit den beginnenden 1960er Jahren konnte das Ehepaar Shearer/Arrougé den bisher
praktizierten aufwendigen Lebensstil nicht mehr halten, da das Vermögen des
Filmstars weitgehend durch das luxuriöse Leben zuvor weitgehend
aufgebraucht war. Sie verließen ihr feudales Anwesen in Beverly Hills und
zogen in ein bescheideneres Haus um, wo sich Norma Shearer nun vollends vor
der Öffentlichkeit abkapselte und zeitweise in tiefe Depressionen verfiel.
Sie litt unter Schlaflosigkeit und als diese Schlafstörungen chronisch wurden
unterzog sie sich 1967 einer Elektroschock-Therapie. Die Therapie führte
zeitweise zum Erfolg, hatte jedoch den tragischen Nebeneffekt, dass die
Schauspielerin ihr Erinnerungsvermögen verlor.
Eine hinzukommende Erblindung
führte im September 1980 zur Aufnahme in das Pflegeheim "Motion Picture Home"
in Woodlands Hill (Kalifornien), wo sich bis zu ihrem Tod ihr geistiger und
physischer Zustand immer weiter verschlechterte. Dort starb Norma Shearer
zwei Monate vor ihrem 83. Geburtstag am 12. Juni 1983 an den
Folgen einer Lungenentzündung. Die
letzte Ruhe fand sie in der Krypta der Familie Thalberg im großen Mausoleum des "Forest Lawn Memorial Park" in
Glendale (Kalifornien) → Foto der Grabstelle bei Wikimedia
Commons und knerger.de.
Aus ihrer Ehe mit Irving Thalberg stammten Sohn Irving Thalberg Jr.2) (1930 1988), der später
Philosophie-Professor wurde, sowie Tochter Katherine (geb. 1935), die 2006
einem Krebsleiden erlag.
Heute erinnert ein "Stern" auf dem "Hollywood Walk of Fame"
(6638 Hollywood Blvd.) an den einstigen Leinwandstar.
|