Sybille Binder erblickte am 5. Januar 1895 in der österreichischen Hauptstadt Wien das Licht der Welt. Sie begann ihre Theaterlaufbahn am "Nationaltheater Mannheim" (1912 – 1914), 1915 kam sie nach in Berlin und trat an den von Victor Barnowsky1) geleiteten "Barnowsky-Bühnen" auf, zu denen das "Lessingtheater" gehörte. 1918 wechselte sie für fünf Jahre nach München an die "Kammerspiele" unter Otto Falckenberg1) (1873 – 1947), mit dem sie ab 1920 drei Jahre lang verheiratet war. An den "Kammerspielen" feierte sie besonders als König der Elfen Oberon in Shakespeares Komödie "Ein Sommernachtstraum"1) Erfolge. Als schöne Kurtisane Vasantasena in Lionel Feuchtwangers Schauspiel "Vasantasena" (1918), der Titelrolle in de Molinas "Don Gil von den grünen Hosen"1) (1920) oder als Viola in Shakespeares "Was ihr wollt"1) (1923) begeisterte sie ebenfalls Kritiker und Publikum. Daneben übernahm sie Gastverpflichtungen an anderen Theatern, trat unter anderem am 12. August 1922 bei den "Salzburger Festspielen" als "Schönheit" in der Uraufführung von Hugo von Hofmannsthals Moralitätenspiel "Das Salzburger große Welttheater" in einer Inszenierung von Max Reinhardt in Erscheinung; ab 1922 war sie zudem auch ständiger Gast am "Zürcher Schauspielhaus".

Sybille Binder 1917
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Quelle: www,cyranos.ch
Urheber: Atelier Madame d'Ora1) (1881–1963); Datierung: 10.07.1917
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204077-D)

Sybille Binder 1917; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Quelle: www,cyranos.ch; Urheber: Atelier Madame d'Ora (1881–1963); Datierung: 10.07.1917; Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204077-D)
Sybille Binder 1917 in Winterkleidung; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber: Atelier Madame d'Ora (1881–1963); Datierung: 10.07.1917; Copyright ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204076-D) Zur Spielzeit 1923/ 24 folgte sie einem Ruf Leopold Jessners1) an das Berliner "Preußische Staatstheater", im darauffolgenden Jahr ging sie zu Max Reinhardt1) an das "Deutsche Theater" bzw. Wiener "Theater in der Josefstadt", wo sie unter anderem als Beatrice in Carlo Goldonis "Der Diener zweier Herren"1) (1924) brillierte. Daneben übernahm die zierliche Schauspielerin immer wieder Rollen an verschiedenen Berliner Bühnen, beteiligte sich an experimentellen Theaterprojekten, etwa als Alpha in der Uraufführung von Robert Musils1) "Posse in drei Akten" mit dem Titel "Vinzenz oder die Freundin bedeutender Männer" (1923), inszeniert von Berthold Viertel1) am "Lustspielhaus" mit seinem Kollektivtheater "Die Truppe". Sybille Binder gestaltete beispielsweise im Februar 1926 die Emilie in Bertolt Brechts Drama "Baal"1), zur Spielzeit 1927/28 die Proletarierin Eva Berg in der Uraufführung von Ernst Tollers1) Geschichtsrevue "Hoppla, wir leben", die zum Inbegriff des Avantgardetheaters der 1920er Jahre geriet und mit der am 3. September 1927 die "Piscator-Bühne"1) im Berliner "Theater am Nollendorfplatz"1) eröffnet wurde. Zwischen 1928 und 1931 wirkte sie wieder an den "Barnowsky-Bühnen" sowie am "Preußischen Staatstheater", wo sie 1929 in Leopold Jessners Inszenierungen brillierte – als Lulu in Wedekinds Tragödie "Erdgeist"1) und als Prinzessin von Eboli in dem Schiller-Drama "Don Karlos"1). Während der Berliner Zeit kam Sybille Binder immer wieder zu Gastspielen nach München zurück, so zuletzt Anfang August 1932 als mit der Figur der Lola Montez in der Komödie "Die Morgenröte" von Josef Ruederer1).

Sybille Binder 1917 in Winterkleidung
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber: Atelier Madame d'Ora1) (1881–1963); Datierung: 10.07.1917
© ÖNB/Wien, Bildarchiv (Inventarnummer 204076-D)

Ab der Spielzeit 1932/33 wurde Sybille Binder an das "Zürcher Schauspielhaus" verpflichtet, wo sie unter anderem 30. November 1933 die Helene in der Uraufführung von Ferdinand Bruckners1), bereits im Exil geschriebenen antifaschistischem Werk "Die Rassen" (Regie: Gustav Hartung1)) interpretierte. In Zürich wurde Sybille Binder 1935 als Charlotte von Österreich in Franz Werfels1) dramatischen Historie "Juarez und Maximilian" (Regie: Gustav Hartung) und als  Hermione in Shakespeares "Das Wintermärchen"1) (Regie: Eugen Schulz-Breiden) umjubelt. Leopold Lindtberg1) besetzte sie als Desdemona in Shakespeares "Othello"1) (1935/36), als Lady Milford in Schillers "Kabale und Liebe"1) (1937/38) und einmal mehr als Oberon in "Ein Sommernachtstraum" (1934/35). 1937 übernahm sie die Titelrolle in der Uraufführung  (18.03.1937) des von Franz Werfels Schwester Marianne Rieser2) geschriebenen Stücks "Turandot dankt ab" mit dem Untertitel "Ein Spiel von Politik und Liebe in 5 Akten", ebenfalls von Lindtberg in Szene gesetzt.
Seit der so genannten Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 war die Schauspielerin mit jüdischen Wurzeln nicht mehr nach Deutschland zurückgekehrt. Anfang Mai 1938 emigrierte Sybille Binder nach England, wo sie sich während des Krieges hauptsächlich mit kleinen bis kleinsten Filmrollen als Magd, Haushälterin oder schwarzhaarige Exotin über Wasser halten konnte. Ihre erste englischsprachige Theaterrolle wurde unter der Leitung John Gielguds im April 1939 ein kleiner Part in der Inszenierung "Scandal in Assyria"4). Zu ihren englischen Theaterstationen zählten unter anderem Cambridge und Edinburgh. Im Juni 1941 erreichte sie erstmals London, wo man sie am "Golders Green Hippodrome" in dem Stück "No Name in the Visitors Book" sehen konnte.*)
 
Bereits zu Stummfilmzeiten hatte die Mimin Erfahrungen vor der Kamera gesammelt und war erstmals in Max Macks "Der Fakir im Frack"1) (1916) als indische Göttin Sybilla an der Seite von Bruno Ziener, der den Fakir Nena Raiwata spielte, auf der Leinwand in Erscheinung getreten. Nach dem Kurzfilm "Lehrer Matthiesen" (1917) zeigte sie sich in dem ganz auf Carl de Vogt zugeschnittenen Dreiteiler "Ahasver"1) (1917) oder verkörperte in der Komponistenbiografie "Das Dreimäderlhaus"1) (1918) mit Julius Spielmann als Franz Schubert die kesse Hannerl Tschöll, welche sich in den "Hungerkünstler" Schubert verliebt. Nach drei weiteren stummen Produktionen verabschiedete sich Sybille Binder vorerst von der Filmerei. Erst in England nahm sie wieder Angebote an und war ab Anfang bis Ende der 1940er Jahre sporadisch in verschiedenen Kinofilmen zu sehen. Unter anderem tauchte sie als Baroness von Klaveren in dem Thriller "The Night Invader"3) (1943) auf, spielte mit Stewart Granger in Marc Allégrets Drama "Unruhiges Blut" (1948, Blanche Fury3)) oder mit Trevor Howard in dem Abenteuer "Der goldene Salamander" (1950, Golden Salamander3)). Die Arbeiten für den Film bildeten in Sybille Binders schauspielerischen Karriere jedoch eher die Ausnahme.
  
1950 kehrte sie nach Deutschland zurück und wurde im darauffolgenden Jahr von Gustaf Gründgens5) an das "Düsseldorfer Schauspielhaus" berufen. Hier konnte sie in verschiedensten Stücken ihre darstellerische Ausdruckskraft unter Beweis stellen, etwa als Marchesa Mathilde in Pirandellos "Heinrich IV."1) (1952, Regie: Gustaf Gründgens) und als Dantons Gattin Julie in Georg Büchners "Dantons Tod"1) (1952, Regie: Hans Schalla1)). Als gravitätische Herzogin in Schillers "Wallenstein"1) (1953, Regie: Ulrich Erfurth1)), als Sidonie Knobbe in Gerhart Hauptmanns "Die Ratten"1) (1953, Regie: Günther Lüders5)) oder als Donna Honoria in Paul Claudels1) "Der seidene Schuh" (1959, Regie: Karl Heinz Stroux1)). Weitere herausragende Rollen waren unter der Regie von Gründgens beispielsweise die Hilda Taylor-Snell in der Komödie "Venus im Licht"1) (1951) von Christopher Fry, die Königin in "Undine"1) (1952) von Jean Giraudoux, die Kunigunde von Thurneck in Kleists "Das Käthchen von Heilbronn"1) (1952), die Frau Higgins in Shaws "Pygmalion"1) (1953). Für Oskar Wälterlin1) gab sie 1955 die Gräfin Ostenburg in "Das Dunkel ist licht genug" von Christopher Fry, als Karl Heinz Stroux die deutsche Erstaufführung von Eugene O'Neills Schauspiel "Fast ein Poet" inszenierte (Premiere: 25.02.1958), betraute er Sybille Binder mit der Rolle der Mutter des von Alfred Schieske verkörperten Majors a. D. Cornelius Melody, nun heruntergekommener Wirt eines verschuldeten Landgasthauses → www.fischertheater.de.
Auf dem Bildschirm erlebte man sie 1956 in Leo Mittlers Hugo von Hofmannsthal-Adaption bzw. dem Lustspiel "Der Schwierige" sowie in dem von Hans Lietzau in Szene gesetzten TV-Drama "Vergessene Gesichter" (1959).
 
Sybille Binder starb am 30. Juni 1962 im Alter von 67 Jahren in Düsseldorf. Anlässlich ihres Todes schrieb die "Münchner Abendzeitung" unter anderem: "Die Nachwelt flicht einen Kranz für eine der bezauberndsten Schauspielerinnen der deutschen Bühne. (…) Sybille Binder haben wir nach dem Kriege in München auf der Bühne nicht mehr wiedergesehen, obwohl sich die älteren Theaterfreunde innig gewünscht hätten, dieser Schauspielerin mit dem Charme eines Puck, der Vornehmheit einer Kaiserin Charlotte von Mexiko und der Schönheit einer Lola Montez (alles Rollen, die sie spielte) noch einmal zu begegnen."
Seit 1956 war die Charakterschauspielerin, die sich auch als Autorin von Erzählungen, Gedichten und Essays einen Namen machte, Mitglied der Hamburger "Hochschule für Musik und Theater"1).
Quellen: Wikipedia, Kay Weniger: "Es wird im Leben Dir mehr genommen…"*), Theaterlexikon der Schweiz**)
Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters***)
Siehe auch www.cyranos.ch
Ein Foto bei www.virtual-history.com
Link: 1) Wikipedia, 2) tls.theaterwissenschaft.ch, 3) Wikipedia (englisch), 5) Kurzportrait innerhalb dieser HP
4) "Konflikt in Assyrien", Komödie von Walter Hasenclever
*) Kay Weniger: Es wird im Leben dir mehr genommen als gegeben …' Lexikon der aus Deutschland und Österreich emigrierten Filmschaffenden 1933 bis 1945. Eine Gesamtübersicht (ACABUS Verlag, 2011, S. 94)
**) Blubacher, Thomas: Sybille Binder, in: Kotte, Andreas (Hg.): Theaterlexikon der Schweiz (Chronos Verlag, Zürich 2005, Band 1, S. 204–205)
***) Handbuch des deutschsprachigen Exiltheaters 1933 – 1945; Herausgeber: Frithjof Trapp, Werner Mittenzwei, Henning Rischbieter, Hansjörg Schneider; Band 2: Biographisches Lexikon der Theaterkünstler von Frithjof Trapp, Bärbel Schrader, Dieter Wenk, Ingrid Maaß (Teil 1, A–K; K G Saur, München 1999, S. 94/95)
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(Link: Wikipedia (deutsch/englisch))
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