Im Jahre 1980 beendete Palitzsch seine Frankfurter Zeit bzw. gab die Intendanz an Adolf Dresen1) ab. Aufführungen wie Hans Neuenfels "Medea"-Inszenierung (1975) oder Brechts "Tage der Commune", 1977 im "Deutschen Herbst" von Palitzsch in Szene gesetzt, hatten immer wieder zu Skandalen geführt. Roggisch arbeitete nun die nachfolgenden Jahre als freier Schauspieler unter anderem am Hamburger "Thalia-Theater", in Berlin an der "Freien Volksbühne" und dem "Schiller-Theater" sowie am "Deutschen Schauspiel" in Hamburg; auch bei den Salzburger Festspielen zeigte er seine schauspielerische Kunst. Ab 1986 bereicherte er das Ensemble des "Bochumer Schauspielhauses" unter Leitung von Frank-Patrick Steckel1), erregte dort beispielsweise 1992 auch mit seiner Inszenierung von Eugčne Ionescos Farce "Die Stühle"1) Aufmerksamkeit. Zudem war er seit 1990 wieder in seiner Wahlheimat Hamburg beschäftigt, wo er seit 1998 als festes Mitglied dem Ensemble des "Thalia-Theaters" angehörte bzw. mit Martin Kuej1) zusammenarbeitete. Zuletzt trat er 2000 in Strindbergs "Die Gespenstersonate"1) unter der Regie von Martin Kuej als Direktor Hummel auf, nach einer Hirntumor-Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt konnte er das Publikum mit einer Reihe von Lesungen aus Dantes "Die Göttliche Komödie" erfreuen, mit der "er ein großes persönliches Anliegen verband."****) Das Fortschreiten der Krankheit ließ danach keine weiteren Bühnenauftritte mehr zu. Peter Roggisch zählte zu den ganz großen Shakespeare-Interpreten seiner Zeit und machte sich den Satz "So spiele ich alleine viele Leute. Zufrieden sind sie alle nicht" aus dem letzten Monolog des Shakespeare-Dramas "Richard II."1) zu eigen. Hellmuth Karasek1) bezeichnete ihn anlässlich einer Besprechung der Stuttgarter "Hamlet"-Aufführung von Peter Palitzsch in DIE ZEIT (09.06.1972; → www.zeit.de) als einen "der talentiertesten, feinnervigsten Schauspieler des deutschen Theaters", für Henning Rischbieter1) war er in einer Besprechung der Frankfurter Inszenierung von Calderón de la Barcas/Augusto Fernandes' "Traum und Leben des Prinzen Sigismund" ein "sensibler und technisch vielseitiger Schauspieler". (DIE ZEIT, 11.05.1973, → www.zeit.de). Über seine Darstellung des Heinrich in den Stuttgarter Vorstellungen von Shakespeares Doppeldrama "Heinrich VI."1) (EA: 24.01.1967/03.01.1970; Regie: Peter Palitzsch) schrieb Volker Canaris1) in "DIE ZEIT" (27.03.1970; → www.zeit.de): "Dieser Prinz ist äußerst liebenswürdig. Freundlich, locker, knabenhaft spielerisch turnt er durch die Kneipen und Hurenwelt seines Kumpels Falstaff. Ein Lächeln auf dem Jungengesicht unter den schönen Locken ist der immer wiederkehrende Ausdruck meist charmant, manchmal gespielt blöde, manchmal spöttisch. Da nimmt einer sich und die Welt nicht ernst, er kann es sich leisten, er ist der Kronprinz. Trotzdem erinnert dieser lächelnde Heinz ( ) an Hamlet: das Lächeln, spürt man, könnte eine Maske sein, der Charme gefährlich, die Lockerheit die des Tigers vor dem Sprung. ( ) Der Charme des Jungen Heinz und der des Töters Heinz ist der gleiche aber die Funktion dieses Charmes ist, bei veränderten Verhältnissen, eine andere. Der Primat der Umstände ist ganz spielerische, ganz ästhetische Bühnenwirklichkeit geworden. Roggisch zeigt: da ist einer die Situation ändert sich: und da ist er noch derselbe und zugleich schon auch ein anderer."*) Dass Roggisch zudem mit seiner differenzierten Spielweise ein exzellenter Brecht-Darsteller war, bewies er beispielsweise 1974 in Frankfurt unter der Regie von Hans Neuenfels1) mit der Titelrolle in "Baal"1). Henning Rischbieter schrieb unter anderem in der Monatszeitschrift "Theater heute"1) (Heft 8,1974): "Peter Roggisch bringt in die Rolle die Kraft ein, die er in der Arbeit mit Fernandes1) gewonnen hat, aber auch seine Intelligenz und eine vulgärmaterialistische Sinnlichkeit, die es möglich macht, daß er sich auf fahlbeleuchteter, leerer Riesenbühne mit Péter Franke2) (Ekart) zusammen splitternackt im Schlammloch suhlt, im Wasserloch planscht, daß sie die nassen, nackten Leiber übereinander wälzen.". Auch mit seiner Rolle des Estragon hatte der Mime 1970/71 in Peter Palitzschs Samuel Beckett-Inszenierung "Warten auf Godot"1) Furore gemacht, hier schrieb die Zeitschrift "Theater heute" in Heft 9 des Jahrgangs 1977: "Und dann gab es in Stuttgart eine Aufführung, in der Palitzsch seinen diffizilen Realitätssinn im Zusammenwirken mit zwei Schauspielern meisterhaft an einem Stück wirksam werden ließ, das bis dahin als verrätseltes Parabel verstanden worden war: Becketts "Warten auf Godot". Die beiden Wartenden waren eben wartende Landstreicher, gespielt von Gerhard Just1) und Peter Roggisch. Ihr Warten trat nicht auf der Stelle, sondern war ausgefüllt von menschlicher Realität von dem Prozess der vielfältigen Beziehungen zwischen den beiden Wartenden. So deutlich und genau jede Phase dieses Prozesses vorgeführt wurde, so sehr blieb jede Einzelheit zart, verletzlich, liebevoll. Ein heiter-nüchterner Abend, an dem sich Justs Massigkeit und Steifigkeit so weit verfeinerte wie sich die Empfindungsschnelligkeit und -flüssigkeit von Peter Roggisch festigte, überprüfbar wurde. Die beiden zeigten, was das ist: Zusammenspiel."3) Im folgenden eine Auswahl der Stücke, in denen Peter Roggisch im Verlaufe seiner Bühnenkarriere Publikum und Kritiker zu überzeugen wusste (wenn nicht anders vermerkt Link Wikipedia): |
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Peter Roggisch, der sich vornehmlich der Bühne verschrieben hatte, stand eher sporadisch für Film- und Fernsehproduktionen vor der Kamera. Auf der Leinwand erlebte man ihn beispielsweise als den "großen Chef" in dem von Alexander Kluge in Szene gesetzten Dokumentarspiel "Der Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit"1) (1985), in Bernhard Wickis starbesetzten und preisgekrönten Joseph Roth-Adaption "Das Spinnennetz"1) (1989) überzeugte er als preußischer Prinz Heinrich1). Als SS-Obersturmbandführer kam er in Helmut Dietls hochgelobten Satire "Schtonk!"1) (1998) daher, für Roland Suso Richter mimte er neben Götz George als Dr. Josef Mengele1) den selbstgerechten Oberstaatsanwalt Heribert Vogt in dem Polit-Thriller "Nichts als die Wahrheit"1) (1999). Die Erstaufführung Ende September 2001 von Carlo Rolas Streifens "Sass Die Meisterdiebe"1) über die von Ben Becker und Jürgen Vogel dargestellten Berliner Einbrecher-Brüder Franz und Erich Sass erlebte er nicht mehr hier trat Roggisch als Richter in Erscheinung, der die Brüder nach einem Bankraub aus Mangel an Beweisen freispricht. Im Fernsehen war der Schauspieler seit den 1960er Jahren aktiv, häufig waren es Bühnenadaptionen oder Theateraufzeichnungen, mit denen Roggisch sich auf dem Bildschirm präsentierte. Zu seinen frühen TV-Auftritten zählte die Rolle des Dr. Hewitson in Theo Mezgers fesselnden Geschichte "Zeitsperre"1) (1965, → Die Krimihomepage), später trat er beispielsweise in der "Tatort"-Folge "Der Richter in Weiss"1) (1971) als Staatsanwalt Portheine auf. Eine weitere "Tatort"-Episode war "Flieder für Jaczek"1) (1977) mit Roggisch als Bankdirektor Quaas, dessen Ehefrau Marina (Suzanne Roquette) von dem gerade entlassenen Häftling Franz Jaczek (Alfred Reiterer) gekidnappt wird. Seit den 1990er Jahren zeigte sich der Schauspieler dann schön mal öfter mit einprägsamen Rollen auf dem Bildschirm, unter anderem als dänischer Physiker Professor Niels Bohr1) in dem von Frank Beyer in Szene gesetzten Zweiteiler "Ende der Unschuld"1) (1991), mit dem die Arbeiten des deutschen Uranvereins im Zweiten Weltkrieg thematisiert wurden, oder als korrupter "Treuhand"-Abteilungsleiter Dr. Messerschmidt in der Satire "Zu treuen Händen"1) (1995). Roggisch übernahm Episodenrollen in den beliebten Krimiserien "Der Alte", "Derrick" und "Rosa Roth", in Dieter Wedels vielbeachteten sechsteiligen Sat.1-Produktion "Der König von St. Pauli"1) (1998) tauchte er als der üble Spekulant Dr. Schmidt-Weber auf, dessen Baufirma als Tarnung für Geldwäsche-Operationen dient. Zu seinen letzten TV-Arbeiten zählte die Rolle des Polizeichefs Manfred Grabowski in den Folgen "Kein Weg zurück"1) EA: 30.10.1999) und "Kuriertag"4) (EA: 12.01.2002) aus der vierteiligen ZDF-Reihe "Der Solist"4) mit Thomas Kretschmann als Polizeikommissar Philip Lanart, sowie Margarethe von Trottas vierteilige Familiensaga "Jahrestage"1) (2000), gedreht nach dem gleichnamigen Romanzyklus von Uwe Johnson1). Hier machte Roggisch in den ersten beiden Teilen als Großvater von Gesine Cresspahls (Suzanne von Borsody) eine gute Figur Albert Papenbrock ist mecklenburgischer Landwirt, Gutspächter, Unternehmer und Hauptmann a.D., der mit den Nazis sympathisiert. Dessen jüngste Tochter Lisbeth (Susanna Simon) hatte Heinrich Cresspahl (Matthias Habich) geheiratet und ist die Mutter der Erzählerin Gesine Cresspahl. Darüber hinaus wirkte Roggisch seit den 1960er Jahren als Sprecher in etlichen Hörspielen bzw. ambitionierten Audioproduktionen mit, eine Auswahl findet man bei Wikipedia, die Suche in der ARD-Hörspieldatenbank (hoerspiele.dra.de) ergibt über 160 Produktionen (Name bei "Sprecher" eingeben). Der Charakterschauspieler Peter Roggisch, welcher 1973 mit dem den "Theaterpreis des Verbandes deutscher Kritiker" geehrt worden war, starb am 21. Februar 2001 mit nur 63 Jahren in seiner Wahlheimat Hamburg. bei www.deutsche-biographie.de***)wird Roggisch folgendermaßen charakterisiert: "Auf der Bühne führte er zunächst vor allem Bösewichter oder skrupellose Lebemänner vor, wozu sich mehr als ein Dutzend Shakespeare-Rollen besonders eigneten. Seine intellektuelle Spielweise begann Roggisch um 1980, indem er sich den neuen Herausforderungen des Körpertheaters mit Elementen der Postdramatik stellte; bei der Typenwahl bevorzugte er später den scheiternden Träumer, den alten Narren oder den Zweifler." Und das "Henschel Theaterlexikon"*) führt aus: "Seine Rollen erarbeitete er stets von der Ratio aus. Diese Distanz zu sich und seiner Welt qualifizierte ihn auch insbesondere für seine Brecht-Rollen, denen er sein unverwechselbares Gesicht gab. So zeigte er deutlich, daß die Emphase des Tragischen, die im Theater so häufig praktiziert wird, leicht mißglückt und dem Menschen die letzte Tröstung raubt. Häufig erweiterte Roggisch so die tragische Leidenschaft um die Dimension des Komischen." → siehe auch den Nachruf "Einsam in einer komischen Welt" (24.02.2001) in "Die Welt" (www.welt.de). |
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Quelle (unter anderem*)
**)):
Wikipedia,
www.deutsche-biographie.de***) sowie Deutsches Bühnen-Jahrbuch 2002****) |
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*) Henschel Theaterlexikon (Henschel Verlag, 2010, S. 728) **) Langen Müller's Schauspielerlexikon der Gegenwart (München 1986, S. 839) ***) Köhnen, Ralph M., "Roggisch, Peter" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003, S. 757758) → Onlinefassung: www.deutsche-biographie.de oder daten.digitale-sammlungen.de ****) Deutsches Bühnen-Jahrbuch 2002. Theatergeschichtliches Jahr- und Adressenbuch (S. 865); Herausgeber: Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP, 4) fernsehserien.de 3) Quelle: Wikipedia |
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