Die Schauspielerin Vivian Gibson wurde am 14. Mai 1893*) als Lavinia Seraphine Gibson (Pseudonym Elisabeth Holt) in Liverpool1)*) geboren. Nach eigenen Angaben und in der Folge auch in Nachschlagewerken wird der 22. Oktober 1895 (filmportal.de) in Wien genannt sowie gelegentlich auch das Geburtsjahr 1898 (IMDb) und der Geburtsort London. Wie bei Stummfilmstars üblich, legt sich Gibson eine frei fabulierte, recht exotisch klingende "offizielle Biografie" zu, in der sie ihren Geburtsort Wien verschweigt und sich selbst den unanzweifelbaren Nimbus der kühlen, englischen Schönheit gibt, angeblich geboren in mal Liverpool, mal in London. notiert Cinegraph**).
Schon früh erhielt sie in London eine Tanzausbildung, stand bereits als kleines Mädchen auf Londoner Bühnen und wurde "mit 18 Jahren der Tanzstar einer bekannten englischen Revue"***). Dort fiel sie dem deutschen Showbühnen-Impresario Rudolf Nelson1) auf, der die damals 24-Jährige nach Berlin in seine "Nelson-Revue" holte. "Die Bretter seines kleinen, aber künstlerischen Revue-Theaters wurden für mich die Sprungbretter zum Film." sagte die Künstlerin später in einem Interview.***)
Bereits ab Mitte der 1910er Jahre war Vivian Gibson sporadisch in englischen Stummfilmproduktionen in Erscheinung getreten, in Deutschland startete sie nun eine erfolgreiche Karriere als Leinwanddarstellerin. Ihr erster Streifen hieß "Wildnis" (1922) und war ein von Bruno Ziener für den Abenteurer, Tierfänger und Produzenten John Hagenbeck1) (1866 – 1940)  in Szene gesetzter "Raubtier-Sensations-Film". Die Kritik nahm Gibsons Spiel einer anmutig-betörenden Tänzerin an der Seite von Ernst Hofmann, Magnus Stifter und Louis Brody wohlwollend zur Kenntnis: "Eine schöne Tänzerin verkörpert das ewig Weibliche, das der Zuschauer auch in Südafrika nicht gerne missen möchte." urteilte der "Film-Kurier"1) (14.10.1922). 

Foto: Vivian Gibson um 1926
Urheber: Alexander Binder1) (1888 – 1929)
Quelle: Wikipedia; Ross-Karte 1400/1 (Ausschnitt);
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Vivian Gibson um 1926; Urheber: Alexander Binder (1888–1929); Quelle: Wikipedia; Ross-Karte 1400/1 (Ausschnitt); Lizenz: gemeinfrei
Nach sporadischen Auftritten in weiteren Stummfilmen gelang Vivian Gibson mit der Titelrolle der von Männern umschwärmten Gräfin Mariza in Hans Steinhoffs1) Adaption "Gräfin Mariza"1) (1925) nach der gleichnamige Operette1) von Emmerich Kálmán1) an der Seite von Harry Liedtke (Graf Tassilo) der Durchbruch zum gefeierten Publikumsliebling. Wenig später tauchte sie erneut unter Steinhoffs Regie als attraktive Schauspielerin Marion de L'Orme in dem Krimi "Der Mann, der sich verkauft"1) (1925) auf, für die der Lebemann Achim von Wehrstädt (Olaf Fjord) völlig uninteressant geworden ist, nachdem dieser bei einer Pferdewette all sein Geld verlor. Stattdessen sucht sie sich in dem Bankier und Industriellen Bracca (Hans Mierendorff) einen neuen Liebhaber …
Auch in ihren nachfolgen Filmen blieb Vivian Gibson dem extravagant-verführerischen Frauentypus treu: Gibson spielt stets die mondäne, verführerische und meist ein wenig leichtsinnige Dame von Welt. Die attraktive Frau mit dem dichten, braunen Haar, der lässigen Nonchalance und der erlesen-eleganten Garderobe besitzt als geschulte Tänzerin die Fähigkeit, sich geschmeidig und grazil zu bewegen. Ihre Verführerinnen sind keine leidenschaftlichen, glutäugigen Sirenen, sondern moderne, stilsichere Vertreterinnen der Gegenwart. So avanciert sie zu einer der klassischen Mondänen der 1920er Jahre.**) Sie zeigte sich mit prägnanten Rollen in weiteren stummen Operetten-Verfilmungen, so beispielsweise als Etelka, geschiedene Frau von Max Basewitz (Paul Heidemann), in "Der lachende Ehemann" nach der gleichnamigen Operette1) von Edmund Eysler1) (1926; Regie: Rudolf Walther-Fein1)) mit Max Hansen und Charlotte Ander als frisch vermähltem Ehepaar, als Arsena, Tochter des reichen Schweinezüchters Kálmán Zsupán (Michael Bohnen), in "Der Zigeunerbaron" nach dem gleichnamigen Werk1) von Johann Strauss (Sohn)1) (1926; Regie: Frederic Zelnik), oder unter der Regie von Jakob Fleck/Luise Fleck1) als verführerische Tänzerin Nadja Nadjakowska in "Der Orlow"1) (1927) nach der Vorlage von Bruno Granichstaedten1) und Ernst Marischka1) mit Iván Petrovich als der echte Großfürst Alexander Alexandrowitsch. Gibson trat in Komödien wie "Die Kleine vom Varieté"1) (1926) und "Die Durchgängerin"1) (1928) in Erscheinung, in abenteuerlichen Krimis wie "Das Frauenhaus von Rio"1) (1927) oder Melodramen wie "Regine, die Tragödie einer Frau" (1927) nach Motiven der Erzählung "Regine"1) von Gottfried Keller1) mit Lee Parry als Magd Regine und Harry Liedtke als amerikanischer Ingenieur Frank Thomas. In der von Jakob und Luise Fleck nach dem gleichnamigen Schauspiel1) von Arthur Schnitzler1) inszenierten Verfilmung "Liebelei"1) (1927) musste sie an der Seite der Protagonisten Evelyn Holt und Fred Louis Lerch als kapriziöse Ehefrau des Bankiers Velten (Robert Scholz) einmal mehr "die flatterhafte, leichtsinnige Frau, die Verführerin, den Vampir spielen. Mein Wunsch ist es aber, auch einmal sympathische Rollen zu verkörpern, die mondän sein können, sich aber die Sympathie des Publikums erwerben." ließ Vivian Gibson ihr Publikum wissen.***)
  
Gibson mimte Gräfinnen, Künstlerinnen, Diplomatengattinnen und immer wieder Tänzerinnen wie in Max Obals1) romantischem Abenteuer "Der größte Gauner des Jahrhunderts"1) (1927) nach dem Roman "Jimmy, der Schwerverbrecher" von Ludwig von Wohl1) mit Luciano Albertini als Abenteurer Gino Gadari und Hans Albers als Titelheld Aristide Trasymopolus, wo sie als Tänzerin mit dem klingenden Namen Fiametta de Guarino in Erscheinung trat. Für die von Max Obal gedrehte Geschichte "Der Unüberwindliche"1) (1928) stand sie erneut mit dem italienischen Stummfilmstar Luciano Albertini vor der Kamera, drehte mit Regisseur Robert Wiene1) den Unterhaltungsstreifen "Die Frau auf der Folter"2) (1928) und musste sich neben Protagonistin Lilli Damita mit einer, wenn auch prägnanten Nebenrolle zufrieden geben. Bis Ende der 1920er Jahre folgten noch einige weitere Produktionen – unter anderem ein winziger (ungenannter Part) in Alfred Hitchcocks1) Komödie "Champagne"1) (1928) – doch der Ruhm von Vivian Gibson verblasste zusehend, mit dem Ende der Stummfilm-Ära war die Filmkarriere der Britin so gut wie beendet. Ihre letzte Arbeit für den Stummfilm war das Drama "Freiheit in Fesseln"1) (UA: 05.02.1930) mit dem Part der Schauspielerin Ruth Degen → Übersicht Stummfilme.
Lediglich in dem abenteuerlichem Schwank "Der tolle Bomberg" (1932), basierend auf dem gleichnamigen Schelmenroman1) von Josef Winckler, mit Hans Adalbert Schlettow als Baron Gisbert von Bomberg, der im wahren Leben Baron Gisbert Freiherr von Romberg1) (1839 – 1937) hieß und durch seine tollkühnen Streiche im Münsterland große Berühmtheit erlangte, wurde sie von Regisseur Georg Asagaroff1) noch einmal besetzt. Gibsons Arbeit für das Kino fand ihren Abschluss mit einer Rolle, mit der ihre Karriere in Deutschland begonnen hatte – als mondäne Tänzerin; später wurde die Geschichte mit Hans Albers erneur verfilmt → "Der tolle Bomberg"1) (1957).
 
Vivian Gibson zog sich ins Privatleben zurück, lebte fortan in Wien1), versuchte sich als Schriftstellerin unter den Namen "Vini Gibson" sowie "Elisabeth Holt", veröffentlichte bei der Stuttgarter "Franckh'schen Verlagshandlung" den Gesellschafts- und Kriminalroman "Gerda und der Zobel" (1940) sowie "Troy in der Kurve" (1941). Zudem trat sie als Förderin von Literaten in Erscheinung, leitete zwischen 1938 und 1941 in Wien das "Literarische Büro". "In der Zeit des Nationalsozialismus wurde ihre Abstammung, nicht zuletzt aufgrund ihrer unehelichen Herkunft aus Großbritannien zum Problem, schließlich gaben ihre Mutter und ihre Tante eine eidesstattliche Erklärung ab, anglikanischer Konfession zu sein." vermerkt Wikipedia. In den 50er und 60er Jahren sind Romane Elisabeth Holts beliebter Bestandteil der damals populären Ausleih-Bibliothken. Es handelt sich um Unterhaltungsliteratur mit jenen Inhalten, die einst auch die Filme des Stummfilmstars Vivian Gibson prägten: mondäne Gesellschaftskomödien und abenteuerliche Liebesgeschichten.**)

Der einstige Stummfilmstar Vivian Gibson starb – von der Öffentlichkeit vergessen – am 9. Mai 1981, wenige Tage vor ihrem 88. Geburtstag in Wien. Über ihr Privatleben ist lediglich bekannt, dass sie nie verheiratet war.
Quellen (unter anderem): Wikipedia, cyranos.ch sowie
CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, LG 36**)
Fotos bei virtual-history.com, filmstarpostcards.blogspot.com
*) laut Wikipedia bzw. Meldezettel Vivian Gibson, geboren 14.05.1893 ( WStLA, sig. 2.5.1.4.K11.Gibson Vivian.14.05.1893). Nach eigenen Angaben und in der Folge auch in Nachschlagewerken auch 22. Oktober 1895 in Wien; gelegentlich wird auch das Geburtsjahr 1898  (beispielsweise IMDb) und der Geburtsort London genannt.
**) CineGraph – Lexikon zum deutschsprachigen Film, (Lieferung&nbsp36); mit den Quellen:
– Vivian Gibson. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler – Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
– Elisabeth Holt (= Vivian Gibson): Gerda und der Zobel (Stuttgart: Francksche Verlagsbuchhandlung, 1940, S. 155)
– Elisabeth Holt (= Vivian Gibson): 73 peaux de zibeline. Übersetzung von Paul Horlaix (Paris: Editions Colbert, 1943 (Le Mot de l'enigme), S. 239)
***) Vivian Gibson. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler – Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de
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