Mathias Wieman wurde am 23. Juni 1902 als Mathias Carl Heinrich Franz Wieman
und Sohn eines Gerichtsassessors in Osnabrück geboren. Er verbrachte
die ersten vier Lebensjahre in Wiesbaden, wuchs dann bedingt
durch die Wiederverheiratung
seiner Mutter mit einem Kunsthistoriker und Museumsdirektor in Berlin auf.
Dort besuchte er später das "Schiller-Gymnasium", wurde gegen Ende
des 1. Weltkrieges zum Hilfsdienst eingezogen und arbeitete als Brief- und
Telegrammbote. Nach Kriegsende machte er 1920 sein Abitur, studierte zunächst
vier Semester Kunstgeschichte und Philosophie an der Berliner Universität,
entschied sich dann aber für die Schauspielerei.
Er besuchte drei
Monate lang die Schauspielschule des "Deutschen Theaters" in Berlin, brach dann
jedoch die Ausbildung ab. 1922 schloss er sich der "Holtorf-Truppe",
einer von Hans Holtorf1)
(1899 1984) zwei Jahre zuvor gegründeten Theaterkompanie an, zog mit dieser
Holsteiner Wanderbühne durch die Provinz und sammelte so erste
Erfahrungen als Schauspieler. Zwischendurch nahm er noch ein Halbes Jahr lang Unterricht bei dem Regisseur
des "Lessing-Theaters" Hubert Heinrich und
wurde dann 1924 von Max Reinhardt1)
(1873 1943) an das "Deutsche Theater"
in Berlin
verpflichtet; sein Bühnendebüt gab er in den dortigen "Kammerspielen" als Moritz Stiefel in Frank Wedekinds
"Frühlings Erwachen"1).
Bis 1929 stand Wieman dann unter
anderem als Bertrand de Poulengey in Shaws
"Die
heilige Johanna"1) neben Elisabeth Bergner und Rudolf Forster auf
der Bühne, er gab den Edelmann Rodrigo in Shakespeares "Othello"1), spielte in
Luigi Pirandellos
"Sechs Personen suchen einen Autor"1)
oder verkörperte den Arnold Kramer
in Gerhart Hauptmanns
"Michael Kramer"1). 1926 heiratete der junge Schauspieler seine
österreichische Kollegin Erika Meingast1)
(1901 1972 und beide gingen drei Jahre später
an das Berliner "Deutsche Künstler-Theater".
Portrait Mathias Wieman; Reproduktion einer Fotografie von
"Tonbild-Syndikat AG"1)
(TOBIS), Roß:-Verlag, um 1960
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pos-2009-a_0004582)
Eigentümer/© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Tonbild-Syndikat AG (TOBIS)
Quelle: www.deutschefotothek.de; Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Bis 1929 stand Wieman dann unter
anderem als Bertrand de Poulengey in Shaws
"Die
heilige Johanna"1) neben Elisabeth Bergner und Rudolf Forster auf
der Bühne, er gab den Edelmann Rodrigo in Shakespeares "Othello"1), spielte in
Luigi Pirandellos
"Sechs Personen suchen einen Autor"1)
oder verkörperte den Arnold Kramer
in Gerhart Hauptmanns
"Michael Kramer"1). 1926 heiratete der junge Schauspieler seine
österreichische Kollegin Erika Meingast1)
(1901 1972 und beide gingen drei Jahre später
an das Berliner "Deutsche Künstler-Theater".
Bereits 1925 erschien Wieman erstmals in Martin Bergers Stummfilm "Freies Volk" in der Rolle
des Volksschullehrer Rönneburg neben Camilla Spira und Albert Florath auf der
Leinwand in Erscheinung. Es folgten weitere Rollen in Stummfilmen wie "Der fidele Bauer"2), "Mata-Hari, die rote Tänzerin" oder dem
Historien-Zweiteiler "Königin
Luise"1), wo er an der Seite
von Mady Christians als deren späterer Ehemann bzw. preußischer König Friedrich Wilhelm III.1) überzeugte. Doch erst im Tonfilm
konnte Wieman nicht zuletzt wegen seiner markanten und sonoren Stimme
seine schauspielerischen Fähigkeiten voll entfalten. Zunächst wurde er noch
als jugendlicher, unverstandener Außenseiter besetzt, wie beispielsweise 1931 als
Titelheld Marius in Alexander Kordas "Zum Goldenen Anker", der
deutschsprachigen Filmadaption von Marcel Pagnols1)
Theaterstück "Marius" oder 1934
als Deichgraf Hauke Haien in Hans Deppes freien Filmversion von
Theodor Storms Novelle "Der Schimmelreiter"1), wo Wieman
eindrucksvoll den Kleinbauern-Sohn Hauke Haien neben Marianne Hoppe (Elke, Tochter des
Deichgrafen Tede Volkerts) spielte.
Außer in Verwechslungskomödien wie 1933 in Carl Lamacs "Das
verliebte Hotel" oder Wolfgang Liebeneiners "Das andere Ich"2) (1941),
worin er die Rolle des Juniorchefs übernahm, verkörperte Wieman
meist edel-ernste Ärzte, Offiziere oder Künstler in Melodramen, Berg- oder
Soldatenfilmen. So sah man ihn beispielsweise 1932 als Maler Vigo in Leni Riefenstahls
Regiedebüt "Das Blaue Licht"1) an der Seite der Regisseurin, mit der er
bereits 1930 das später nachvertonte Bergdrama "Stürme über dem Montblanc"1) gedreht hatte.
Bei Werner Hochbaums "Vorstadtvarieté" agierte er 1934 neben Luise Ullrich
als Bauzeichner Josef Kernthaler, der zum Militär einrücken muss und in
dem Drama "Die ewige Maske"1)
(1935) beeindruckte er auch das internationale
Filmpublikum in der Rolle des jungen, idealistischen Arztes Dumartin,
einem Individuum, das sich gegen den propagandistischen Strom auflehnt. Der
Film gewann 1937 den "American National Board of Review Award" als
"Bester ausländischer Film" und Wieman erhielt den Preis als
"Bester Darsteller".
In den NS-Propagandafilmen unter der Regie von Karl Ritter wandelte Wieman sich zum
"pathetischen Nationalisten": 1937 wurde Wieman, der im gleichen Jahr zum
"Staatsschauspieler" ernannt worden war, von Reichspropagandaminister Goebbels
in dem Film "Patrioten"2) zum Partner von dessen Geliebten, der Schauspielerin
Lída Baarová, "bestellt", anschließend drehte er mit Heinrich George
und Willy Birgel "Unternehmen Michael"1), einen
Streifen, den die
Wehrmacht zunächst ablehnte, weil dieser das sinnlose Sterben von Soldaten
propagierte; Wieman war am Drehbuch beteiligt. Der bereits 1939 gedrehte
Ritter-Film "Kadetten"1), in dem Wieman den Rittmeister von Tzülow
mimte, gelangte erst 1941 wegen seiner antirussischen
Tendenz nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion zur Aufführung.
Der Streifen wurde später von den Alliierten Militärbehörden
verboten und zählt ebenso wie "Unternehmen Michael" zu den "Vorbehaltsfilmen"1).
1938 drehte Wieman unter der Regie von Erich Waschneck zusammen mit Brigitte Horney
in der Titelrolle den Liebesfilm "Anna Favetti"2),
eine
Filmadaption des Romans "Licht im dunklen Haus" von Walter von Hollander1),
der die Spätfolgen eines Krieges plastisch
schildert.
In den 1940er Jahren sah man den Schauspieler unter anderem neben Paul Hartmann
als Dr. Lang in Wolfgang Liebeneiners "Ich klage an"1) (1941),
einem Streifen der aktive Sterbehilfe propagierte und nach 1945
ebenfalls von den Alliierten verboten wurde bzw. ebenfalls zu den
"Vorbehaltsfilmen" gehört. Zu Wiemans weiteren Produktionen bis
Kriegsende zählt das Melodram "Man rede mir nicht von Liebe"1)
(1943) mit Heidemarie Hatheyer, ebenfalls 1943 zeigte er sich als Reichsritter
Ulrich von Hutten1) neben Protagonist Werner Krauß in Georg Wilhelm Pabsts
Historiendrama "Paracelsus"1),
1944 war Wiemann in dem Biopic "Träumerei"1)
der zwischen
Genie und Wahnsinn agierende Komponist Robert Schuman1) und
hatte Hilde Krahl als Clara Wieck1) zur Partnerin. Die noch 1945 gedrehte Komödie "Wie sagen wir es unseren Kindern?"2)
gelangte erst am 21. Dezember 1949 in die Lichtspielhäuser.
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Wieman, der wegen seiner Tätigkeit während des
"Dritten Reiches" und seiner Beziehungen zu den
Nazi-Größen nicht ganz unumstritten war, organisierte
nach Kriegsende Lesungen mit
Texten deutscher Dichter in Kriegsgefangenen- und Flüchtlingslagern,
unternahm Rezitationsabende in ganz Deutschland und wurde mit seiner
unverwechselbaren Stimme überaus beliebt. Außerdem arbeitete beim Rundfunk,
wo er beispielsweise Sonntags mit "Die Geschichten der Bibel" zu hören war,
Texte von Grimm, Andersen, Hölderlin und Saint-Exupery sprach oder
beispielsweise im NDR mit "Goethe erzählt sein Leben" oder
Hemmingways "Der alte Mann und das Meer" über den
Äther ging.
1950 zog der Schauspieler mit seiner Frau nach Stuttgart und
gehörte zum Ensemble des dortigen Staatstheaters, stand später unter
anderem
wieder in Berlin, Hamburg sowie Zürich auf der Bühne, wo er auch zuletzt lebte.
Besondere Freude bereitete ihm 1961 eine Deutschlandtournee mit Jean Anouilhs1)
"General Quixotte", 1962 interpretierte er den Grafen Piccolomini in einer
Inszenierung des "Wallenstein"1) bei den Ruhrfestspielen.
Mathias Wieman 1950 als Prospero, rechtmäßiger Herzog von Mailand,
in "Der Sturm"1)
von William Shakespeare am Berliner "Schlosspark Theater"
Regie: Lothar Müthel1)
Quelle: Deutsche
Fotothek, (file: df_pk_0000893_048)
© SLUB Dresden/Deutsche Fotothek/Abraham Pisarek
Urheber: Abraham
Pisarek1) (19011983); Datierung: 14.10.1950
Quelle: www.deutschefotothek.de;
Genehmigung zur Veröffentlichung: 30.03.2017
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Im Nachkriegsfilm konnte Wieman ab 1950 wieder Fuß fassen und wurde sowohl in
nachhallenden großen Hauptrollen als auch profilierten Nebenrollen besetzt wohl nicht
zuletzt weil er sich von seinem leicht pathetisch wirkenden Stil losgesagt
hatte. So gab er beispielsweise 1953 den Dr. Alfred Nobel1)
in der Filmbiografie über die österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und erste Friedensnobelpreisträgerin
Bertha von Suttner1), gespielt von Hilde Krahl, mit dem Titel "Herz der Welt"1).
An der Seite von Dieter Borsche und Ruth Leuwerik zeigte er sich als
Dr. Überbein in
Harald Brauns Thomas Mann-Adaption "Königliche Hoheit"1)
oder spielte 1954 den väterlich-weisen und gütige Staatspräsidenten
Tolemainen in der ebenfalls von Harald Braun inszenierten Stefan Zweig-Verfilmung "Der letzte Sommer"1), neben Hardy Krüger und Liselotte Pulver.
Zusammen mit Ingrid Bergmann sah man ihn im gleichen Jahr gefühlvoll und berechnend
in Roberto Rossellinis Melodram "Angst"3) (La paura), frei
nach der Novelle von Stefan Zweig, worin er als Wissenschaftler Professor Albert Wagner
seine Frau Irene unter massiven psychischen Druck setzt, um sie zum Eingeständnis
eines Seitensprunges zu bewegen. Als Studienrat in Ulrich Erfurths "Reifende Jugend" (1955),
einem Remake des gleichnamigen
Themas1) aus dem Jahre 1933, wurde seine würdige Autorität durch eine
Affäre mit einer Schülerin gebrochen. Zu Wiemans letzten Kino-Arbeiten in
den 1950er Jahren zählt die Friedrich Forster-Verfilmung "Robinson soll nicht sterben"1) (1957),
wo er sich als britischer König Georg II. präsentierte, und der Heimatfilm
"Wetterleuchten um Maria"1) (1957)
mit der Figur eines Pfarrers.
Mathias Wieman als Richter
in "Der
Sittlichkeitsverbrecher" (1963; Teil "Der Fall Stefan")
Quelle/Link: cyranos.ch
bzw. Archiv "Praesens-Film AG" Zürich",
mit freundlicher Genehmigung von Peter Gassmann (Praesens-Film AG, Zürich)
© Praesens-Film AG
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Wieman vermittelte im Film einen typisch norddeutschen
Menschenschlag, der durch sein schwerblütiges, grüblerisches,
teilweise unnachgiebiges Wesen geprägt war.
Von der Spieltechnik her ein analytischer Schauspieler,
vermochte Wieman besonders überzeugend Romantiker und Idealisten zu
gestalten, die bisweilen zu einer emotionalen oder intellektuellen Verbissenheit neigen.4) Das
"Lexikon der deutschen Film- und TV-Stars"5) notiert
unter anderem: "Er begann mit der Darstellung unbotmäßiger Jugendlicher
und einsamer Spätpubertierender, denen die Umwelt ablehnend gegenüber tritt.
Unter der Regie von Karl Ritter wandelte er sich zum pathetischen
Nationalisten, der an "männliche Werte" glaubt, die er eigensinnig
interpretiert, und zum salbungsvoll verinnerlichten Propheten "deutscher
Tugenden". Sein Verhängnis war seine Stimme, die aus tiefsten Tiefen zu
kommen schien. Wenn er sich auf sie verließ, rutschte er ab ins
Gefährlich-Sentimentale. Tat er dies nicht, blieb er einer der besten und
sensibelsten Darsteller, die der deutsche Film je hatte."
Bis kurz vor seinem Tod stand Wieman auf der Bühne, seinen letzten Auftritt hatte er
am 19. November 1969 als Pastor Manders in dem Henrik Ibsen-Drama
"Gespenster"1)
am Hamburger "Thalia Theater". Nur wenig
später erlag der große Charakterdarsteller Mathias Wieman am 3. Dezember 1969 in Zürich
mit 67 Jahren nach einer Operation seinem Krebsleiden. Die Urne mit seinen
sterblichen Überresten wurde später nach dem Tod seiner Frau Erika im Jahre 1972
in die Familiengruft auf dem 4. Osnabrücker Johannesfriedhof überführt
→ Foto der Grabstelle bei Wikimedia
Commons bzw. knerger.de.
Der 1937 zum "Staatsschauspieler" ernannte Wiemann erhielt 1958 mit
der "Justus-Möser-Medaille"1)
die neben der Ehrenbürgerwürde höchste Auszeichnung der Stadt Osnabrück.
Die Auszeichnung würde ihm während eines Gastspiels mit dem Schauspiel
"Zeitgrenze" am 19. Februar 1958 auf der Bühne des Osnabrücker Theaters verliehen. 1965 konnte er einen "Bambi"1)
entgegennehmen.
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