Raoul Aslan: Urheber des Fotos: Franz Xaver Setzer (1886–1939); Quelle: www.cyranos.ch Raoul Aslan erblickte am 16. Oktober 1886 im damals zum Osmanischen Reich gehörenden Thessaloniki1) (heute Griechenland) als Raoul Maria Eduard Karl Aslan-Zumpart das Licht der Welt. Sein Vater Charles war der Sohn eines reichen Tabakpflanzers armenischer Herkunft, seine Mutter Corinne stammte aus einer italienischen Familie, die es nach Ägypten verschlagen hatte. Sein jüngerer Bruder war der Schauspieler Didier Aslan1) (1894 – nach 1953), insgesamt schenkte Corinne Aslan ihrem Mann sechs Söhne. Der drittgeborene Aslan wurde von einer Wiener Gouvernante, Fräulein Birn, erzogen, die ihn auch Deutsch lehrte. Mit seiner Mutter sowie den beiden Brüdern Jean und Frido übersiedelte er 1896 nach Wien, um dort die Schule zu besuchen, die jüngeren Söhne Marcel, Didier und Guy blieben in Thessaloniki. Zunächst ging er in die Volksschule in der Johannesgasse, wechselte dann im Herbst 1897 an das traditionsreiche "k. k. Staatsgymnasium in der Fichtnergasse"1). Nach der zweiten Klasse musste Aslans Mutter den Sohn wegen schlechter Schulerfolge in das Piaristenkonvikt1) nach Horn1) geben. Aber auch in Horn verbesserten sich seine Leistungen nicht und die 7. und 8. Klasse besuchte er wieder in der Fichtnergasse, wobei er nach den vorliegenden Quellen die 7. Klasse wiederholen musste und die Reifeprüfung niemals erfolgreich ablegen konnte.
Schon während der Schulzeit war die Schauspielerei für ihn von besonderem Interesse und darunter litten seine schulischen Leistungen. Nach einem Vorsprechen bei dem Schauspieler Adolf von Sonnenthal1) (1834 – 1909) empfahl ihn dieser an das "Deutsche Schauspielhaus"1) in Hamburg, wo Aslan ab 1906 als Volontär Theaterluft schnupperte sowie Schauspielunterricht bei Franziska Ellmenreich1) (1847 – 1931) erhielt; im selben Jahr debütierte er in Shakespeares Tragödie "Julius Caesar"1).
  
Urheber des Fotos: Franz Xaver Setzer1) (1886–1939);
Quelle: www.cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe hier
In den kommenden Jahren sammelte Aslan weitere Bühnenerfahrungen an einigen kleineren Theatern in der Provinz, bis er 1911 am "Stuttgarter Hoftheater" die ersten Erfolge verzeichnen konnte. Der Durchbruch zum gefeierten Charakterdarsteller gelang ihm 1917, als er am Wiener "Deutschen Volkstheater"1) einen Vertrag erhielt und die Rolle des Gabriel Schilling in dem Gerhart Hauptmann1)-Drama "Gabriel Schillings Flucht" gestaltete. 1920 folgte er einem Ruf Albert Heines an das renommierte "Burgtheater"1), wo er am 15. Oktober 1920 mit der Titelrolle in Shakespeares "Hamlet"1) Furore machte. Rasch avancierte er zum Star der berühmten Bühne, die seine künstlerische Heimat werden sollte. "Aslan hatte nie ein eng umschriebenes Fach, sondern spielte von Tragödie bis Farce alles gleich hinreißend. Betrachtet man die Fülle seiner Rollen – zwischen 1920 und 1944 spielte er jährlich in bis zu zwölf verschiedenen neuen Rollen) – so verwundert nicht, dass er hin und wieder Textschwierigkeiten hatte (die Anekdoten über seine "Hänger" sind zahllos). Aslan war ein Meister der Sprechtechnik, der besondere Reiz seiner Sprache bestand in der mediterranen Sprachmelodie und der Vielsprachigkeit seiner Lebensräume."*)

    
Raoul Aslan mit Paul Graetz um 1920 in dem Stück "Der Kinderfreund" von Mechtilde Lichnowsky1)
an den "Kammerspielen" auf einer Fotografie des Fotoateliers "Zander & Labisch", Berlin
Urheber Siegmund Labisch1) (1863–1942); Quelle: www.cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe hier

Paul Graetz mit Raoul Aslan um 1920 in dem Stück "Der Kinderfreund" von Mechtilde Lichnowsky an den "Kammerspielen" auf einer Fotografie des Fotoateliers "Zander & Labisch", Berlin; Urheber Siegmund Labisch (1863–1942); Quelle:  www.cyranos.ch
1929 wurde ihm er als erster den Titel "Kammerschauspieler" (früher "Hofschauspieler") verliehen, 1946 ernannte man ihn zum "Ehrenmitglied" des "Burgtheaters, dem er über Jahre nicht nur als Schauspieler sondern auch als Regisseur und Direktor verbunden war. Letztere Funktion übte er in den schwierigen Nachkriegsjahren bis 1948 aus. Die wenigen in Wien verbliebenen Burgschauspieler hatten sich um den beliebten Mimen geschart, er hatte die Leitung übernommen und wurde später von den Sowjets darin bestätigt, auch weil er die NS-Zeit hindurch "aufrechten Antifaschismus" bewiesen hatte, wenn auch offenbar nur im persönlichen Gespräch, da schriftliche Unterlagen nicht existieren. Das "Burgtheater" stand wegen Bombenschäden nicht zur Verfügung, und so schloss Aslan nach vielen Besprechungen und Behördengängen einen Mietvertrag mit dem Besitzer des "Etablissement Ronacher"1). Am 30. April 1945 schaffte man es dort, mit Grillparzers "Sappho"1) die erste "Burgtheater"-Aufführung nach Kriegsende zu organisieren, zu der der sowjetische Marschall Fjodor Iwanowitsch Tolbuchin1) – wenn auch verspätet – erschien. Aslans Lebensgefährte Riedl spielte dabei die Hauptrolle des Phaon.

Bereits zu Stummfilmzeiten interessierte sich Aslan für das Medium Film, stand jedoch im Laufe der Jahrzehnte eher sporadisch vor der Kamera. Seinen ersten Auftritt hatte er 1915 in dem kurzen Streifen "Dämon Spiel", es folgten stumme Produktionen wie "Das andere Ich" (1918) oder "Im Schatten des Mächtigen" (1922). Seinen ersten Tonfilm drehte er mit Regisseur Gustav Ucicky1) und mimte in "Das Flötenkonzert von Sans-souci"1) (1930) den sächsischen Staatsmann Heinrich von Brühl1) an der Seite von Otto Gebühr als der "Alte Fritz"1). Ucicky besetzte Aslan in seinem Historienspielfilm "Yorck"1) (1931) über den von Werner Krauß dargestellten bedeutenden, preußischen Heerführer Ludwig Yorck von Wartenburg1) ebenfalls mit einer historischen Figur und ließ ihn in die Uniform des französischen Marschalls Jacques MacDonald1) schlüpfen. Kurt Gerron betraute ihn mit der Rolle des Impresario Dr. Urussew in dem Hans Albers-Krimi "Der weiße Dämon"2) (1932), in Willi Forsts Biopic "Leise flehen meine Lieder"1) (1933) über das Leben des Komponisten Franz Schubert1) verkörperte er neben Protagonist Hans Jaray1) den Hofkapellmeister Antonio Salieri1). Danach folgten in den 1930er Jahren nur noch drei Produktionen, unter anderem der reißerische Thriller "Unsichtbare Gegner"1) (1933). Erst in den 1950er Jahren ließ sich Aslan noch einmal für Filmauftritte überreden, spielte unter anderem in dem Melodram "Das Licht der Liebe"1) (1954) an der Seite von Paula Wessely den Professor de Bréas sowie als Hofkämmerer Rosenberg einen kleinen Part in Karl Hartls Biopic "Mozart"1) (1955) mit Oskar Werner. Bei den Filmen "Götz von Berlichingen" (1955) und "Wilhelm Tell" (1956) handelt es sich um Aufzeichnung aus dem "Burgtheater", in Goethes "Götz von Berlichingen"1) sieht man Aslan neben dem den Titelhelden spielenden Ewald Balser als Kaiser Maximilian, in Schillers "Wilhelm Tell"1) (ebenfalls mit Balser) als Werner, Freiherr von Attinghausen.
 
Seit 1914 unterhielt Aslan eine Liebesbeziehung zu seinem Jugendfreund Zeljko Koconda. Im Jahre 1932 lernte er im Wiener "Café Ritter"1) den 20 Jahre jüngeren Schauspieler Tonio Riedl (1906 – 1995) kennen, 1936 trennte er sich endgültig von Koconda. Riedl verließ Wien zeitweise, um selbst Karriere zu machen und spielte nach Kriegsbeginn 1939 in Fronttheatern. Aslan freundete sich mit dem "Burgtheater"-Direktor Lothar Müthel1) an, der ihn nach Meinung Lotte Tobischs1), so gut es ging, deckte. Er spielte Hauptrollen an der "Burg" und schrieb in drei Jahren knapp tausend fromme und sehnsüchtige Briefe an sein "geliebtes Engerl". Zusätzlich bemüht sich Aslan erfolglos um eine "UK-Stellung" für Riedl, also Unabkömmlichkeit als Schauspieler vom Theater, wie er sie selbst innehatte. Nach der Schließung aller Theater 1944 wurde Aslan zum Volkssturm eingezogen und leistete am "Burgtheater" Luftschutzdienst. Auch während der Zeit des Nationalsozialismus unternahm Aslan nichts, um seine Homosexualität zu tarnen, ebenso wenig wie seine Ablehnung des nationalsozialistischen Systems. Letztere entfaltete er anscheinend nur im persönlichen Gespräch, denn schriftliche Aufzeichnungen dazu existieren nicht. Aslan ist, so wie Gustaf Gründgens, einer der wenigen bekannten Homosexuellen, die in diesen Jahren keine Probleme mit der Obrigkeit bekamen.
Von 1934 bis zu seinem Tod lebte der stets elegant auftretende Aslan zusammen mit Riedl im Dachgeschoss des Hauses Strudlhofgasse 13. In den letzten Jahren teilten sie sich die Wohnung mit dem Privatsekretär Hermann Fanslau. Nachdem Aslan am 17. Juni 1958 in seinem langjährigen Urlaubsdomizil Litzlberg, einem Ortsteil der Gemeinde Seewalchen am Attersee1), im Alter von 71 Jahren den Folgen eines Herzinfarktes erlegen war, unternahmen Riedl und Fanslau eine Weltreise und blieben zusammen.
Die letzte Ruhe fand der mehrfach ausgezeichnete Charakterdarsteller Raoul Aslan auf dem Wiener Grinzinger Friedhof1) (Gruppe MA, Nummer 24 A) in einem ihm ehrenhalber gewidmeten Grab. Sein Lebensgefährte Riedl, den Aslan adoptiert hatte, wurde unter dem Namen Riedl-Aslan im selben Grab beigesetzt → Foto der Grabstelle bei Wikimedia Commons.
Im Wiener "Burgtheater" bzw. der "Burgtheatergalerie"3) (Feststiege) erinnert eine von dem österreichischen Bildhauer André Roder1) (1900 – 1959) geschaffene Büste an den legendären Künstler → Foto bei Wikimedia Commons.
Porträt Raoul Aslan; Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB); Urheber/Autor: Nicht genannt; Copyright ÖNB/Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer Pf 5198:B (1)) Auf der Seite der Stadt Wien (www.wien.gv.at) kann man lesen: "Aslan war ein Meister der Sprechtechnik (sonores, ausdrucksvolles Organ), besaß eine ungewöhnliche Persönlichkeit, war ein hervorragender Darsteller klassischer Helden- und Charakterrollen ("Nathan", "Geßler", "Götz", "Orest", "Ödipus", "Franz Moor"), erbrachte aber auch bemerkenswerte Regieleistungen ("Das Salzburger große Welttheater", "Iphigenie auf Tauris"1), "Torquato Tasso"1)). Weitere Hauptrollen: "Coriolanus"1) (1922), Antonius ("Antonius und Cleopatra"1), 1923), Marquis Posa ("Don Karlos"1), 1926), Mephistopheles1) (1928), Herzog ("Maß für Maß"1), 1930), "Othello"1) (1935), Jacques ("Wie es euch gefällt"1), 1936), Philipp II. ("Don Karlos", 1938), Klemens VIII. ("Heroische Leidenschaften" von Erwin Guido Kolbenheyer1), 1939), Faust ("Don Juan und Faust"1), 1941), Bolingbroke ("Das Glas Wasser"1), 1945). (…) In seinen letzten Lebensjahren sah man Aslan als Questenberg ("Wallenstein"1)), Kalb ("Kabale und Liebe"1)), Andreas ("Fiesco"1)), Attinghausen ("Wilhelm Tell"1)) und alten Klingsberg. In der Eröffnungsvorstellung des "Burgtheaters" am 15. Oktober 1955 spielte er den Horneck in "König Ottokars Glück und Ende"1); in dieser Rolle ist er auch zum letzten Mal aufgetreten. Aslan absolvierte zahlreiche Gastspiele im Ausland und widmete sich auch der Rundfunk- und Filmtätigkeit; in seiner Freizeit beschäftigte er sich gerne mit religionswissenschaftlichen und okkultistischen Fragen."
   
Porträt Raoul Aslan
Foto mit freundlicher Genehmigung der Österreichischen Nationalbibliothek1) (ÖNB)
Urheber/Autor: Nicht genannt
© ÖNB/Wien; Bildarchiv Austria (Inventarnummer Pf 5198:B (1))
Und der Historiker Friedrich Weissensteiner1) schrieb in seinem Artikel "Eleganz als Lebensprinzip" anlässlich des 50. Todestag in der "Wiener Zeitung"1) (14.06.2008) unter anderem: "Raoul Aslan war eine feinsinnige Künstlernatur, ein kultivierter und gebildeter Mensch. Der passionierte Raucher und Schöngeist entwickelte seine Rollen vom Intellekt her, war mit der deutschen und französischen Literatur eng vertraut und befasste sich intensiv mit philosophischen Fragen. Sein Lebenskompass war jedoch der christliche Glaube. Jeden Morgen besuchte er die 7-Uhr-Messe in der Kapelle des Priesterseminars in der Boltzmanngasse (er wohnte in der Nähe); in seinem Schlafzimmer, dessen Wände Engelsfiguren schmückten, stand ein barocker Betschemel. Der Gottsucher, der als "Bruder Michael" dem III. Orden der Franziskaner angehörte, war unter anderen mit dem Domprediger Diego Götz befreundet, mit dem er tiefsinnige geistliche Gespräche führte."**)

Quelle: Wikipedia (mit weiterführenden Quellenangaben) sowie www.alt-hietzinger.at
austria-forum.org
Siehe auch cyranos.ch, www.wien.gv.at sowie
den Artikel von Friedrich Weissensteiner zum 50. Todestag (2008) bei austria-forum.org
Fremde Links: 1) Wikipedia, 2) filmportal.de, 3) www.wien.gv.at
*) Quelle: austria-forum.org
**) Quelle: austria-forum.org
Lizenz Foto Raoul Aslan: Diese Bild- oder Mediendatei ist gemeinfrei, weil ihre urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Das gilt in der EU und solchen Ländern, in denen das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt.
Lizenz Foto Raoul Aslan/Paul Graetz (Urheber "Fotoatelier Zander & Labisch", Berlin): Das Atelier von Albert Zander und Siegmund Labisch († 1942) war 1895 gegründet worden; die inaktive Firma wurde 1939 aus dem Handelsregister gelöscht. Externe Recherche ergab: Labisch wird ab 1938 nicht mehr in den amtlichen Einwohnerverzeichnissen aufgeführt, so dass sein Tod angenommen werden muss; Zander wiederum war laut Aktenlage ab 1899 nicht mehr aktiv am Atelier beteiligt und kommt somit nicht als Urheber dieses Fotos in Frage. Die Schutzdauer (von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers) für das von dieser Datei gezeigte Werk ist nach den Maßstäben des deutschen, des österreichischen und des schweizerischen Urheberrechts abgelaufen. Es ist daher gemeinfrei. (Quelle: Wikipedia)
    
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