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Evelyn Künneke (Eva-Susanne Künneke) wurde am
15. Dezember 1921 in Berlin als Tochter des berühmten
deutschen Operettenkomponisten
Eduard Künneke1) (1885 1953) und
dessen Frau, der Sopranistin Katarina Garden (1889 1967),
geboren; sie wuchs in Berlin sowie in den USA auf. Nach Klavier-
und Gesangsunterricht bei Maria Ivogün2)
(1891 1987), einer Schauspielausbildung bei Lucie Höflich2)
(1883 1956), Ilka Grüning2)
(1876 1964) und Leslie Howard2)
(1893 1943) sowie einer Ballettausbildung bei dem prominenten russischen Tänzer,
Choreografen und Ballettpädagogen Victor Gsovsky (1902 1974)
begann ihre künstlerische Karriere mit vierzehn Jahren als zweite
Solotänzerin an der Berliner Staatsoper. Inspiriert von dem Film
"Broadway Melodie"1) (1935)
entschied sie sich dann Stepptänzerin zu werden und besuchte
Mitte der 1930er Jahre das "Stepstudio" von Edmont Leslie, 1935 schloss sie die Schule
mit der "Mittleren Reife" an der "Fleckschen Privatschule" in Berlin
ab.
1938 erhielt Evelyn Künneke unter dem Pseudonym
"Evelyn King" ein Engagement für die SCALA-Revue "Etwas
verrückt", ging mit der Show auf Europatournee und wurde bald als
Europas beste Stepptänzerin gefeiert. Ihren Durchbruch als Sängerin
hatte sie 1941 mit Helmut Käutners Propagandafilm "Auf Wiedersehen, Franziska"1),
in dem sie mit dem Lied "Sing, Nachtigall, sing" auftrat und
über Nacht zum Liebling der deutschen Frontsoldaten wurde. Auftritte
bei der Truppenbetreuung schlossen sich an,
bekannte Komponisten wie
Peter Igelhoff1) (1904 1978)
und Michael Jary1)
(1906 1988) schrieben erfolgreiche
Melodien für Evelyn Künneke, so stammt beispielsweise "Dieses Lied hat keinen Text" (1941) von Peter Igelhoff,
"Haben Sie schon mal im Dunkeln geküßt?" (1941)
von Michael Jary.
Das Foto wurde mir freundlicherweise von der
Fotografin
Virginia Shue (Hamburg)
zur Verfügung gestellt.
Das Copyright liegt bei Virginia Shue. |
Evelyn Künnekes Schlager wie "Haben Sie schon mal im Dunkeln geküßt?" waren wie bei
keiner anderen deutschsprachigen Sängerin dieser Zeit unüberhörbar von der damals in Deutschland
politisch verpönten Musikrichtung Swing beeinflusst.
Zur Truppenbetreuung unternahm sie während des Krieges häufig Tourneen.
Von 1942 bis 1944 trat sie an der Ostfront auf, Anfang 1944 auch an der Westfront. 1944 wurde sie
wegen Defätismus verhaftet und im Januar 1945 in die Haftanstalt Berlin-Tegel eingeliefert.
Kurz vor Kriegsende wurde sie jedoch wieder freigelassen, um zusammen mit dem geheimen Propaganda-Orchester
"Charlie and His Orchestra" anti-amerikanische Swing-Titel zu singen.3)
Nach dem Krieg konnte Evelyn Künneke ihre Erfolge als Sängerin zunächst
fortsetzen, trat unter anderem mit dem Show-Orchester von Walter Jenson1)
(1902 1952) auf. Zu ihren Hits gehörten unter anderem "Winke-winke",
"Allerdings sprach die Sphinx und "Egon". 1953 tourte sie durch die USA. Drei Jahre
später feierte sie ihren einzigen Hit in den deutschen Single-Charts, die erst 1955 eingeführt worden waren: Künnekes deutschsprachige Version von
"Hernando’s Hideaway" erreichte Platz 8. 1958 trat sie in der deutschen Vorentscheidung zum
"Eurovision Song Contest"
an3), konnte sich aber in der "Kleinen
Westfalenhalle" in Dortmund gegen Konkurrenten wie Fred Bertelmann, Gitta Lind oder Vico Torriani bzw.
die Siegerin Margot Hielscher ("Für zwei
Groschen Musik") nicht durchsetzen.
Im Nachkriegsfilm mimte Evelyn Künneke immer wieder Sängerinnen, wie
beispielsweise in "Heimliches Rendezvous" (1949), "Verlorene Melodie"
(1952) oder "Tanzende
Sterne"1) (1952). Schlager wie
"Bei mir bist Du schön", "Haben Sie nicht 'nen Mann für
mich", "Mäcky-Boogie", "Egon", "Herr Kapellmeister,
bitte", "Winke, Winke" oder "Hernando’s Hideaway"
zählen noch heute zu den
unvergessenen Evergreens. Evelyn Künneke, eine der "besten Swingstimmen Deutschlands" erhielt
in den 1950er Jahren fünf "Goldene Schallplatten". Nebenbei machte sie
auch als Jazzerin von sich reden und tourte mit namhaften Big Bands durch die Welt.
Ab Mitte der 1950er Jahre wurde es etwas ruhiger um die Künstlerin, in den
1960ern trat sie als Gast in zahlreichen Fernsehsendungen auf und
wurde mit Kabarettprogrammen berühmt, in denen sie Brecht und Jacques Brel
sang. Doch ein "echtes" Comeback gelang ihr erst Mitte der 1970er Jahre: Als "Callas der Subkultur" machte sie an
Kleinkunstbühnen und in Kellerlokalen Furore, erregte durch ihr Engagement
für die Schwulenszene Aufsehen. Sie brachte zahlreiche LPs und CDs
auf den Markt, hatte eigene Personality-Shows wie "Ich bin ein
Anti-Star" und "Ach, die Künneke", darüber hinaus zahlreiche
Fernsehauftritte im In- und Ausland und arbeitete mit dem Filmemacher Rosa von Praunheim zusammen, der mit ihr auch das Porträt "Ich bin ein
Anti-Star. Die skandalöse Lebensgeschichte der Evelyn Künneke" drehte. Ende der
1980er Jahre trat die Künneke zugunsten
von Aidskranken und Kindern unentgeltlich auf und teilte ihre Wohnung
zeitweise mit Obdachlosen.
Ungeheuren Erfolg verbuchte Evelyn Künneke dann noch einmal ab 1996, als
sie zusammen mit Brigitte Mira2)
(1910 2005) und Helen Vita2)
(1928 2001) bzw. der
selbstironischen, stets ausverkauften Revue "Die Alten Schachteln" auf Tournee
ging. Sie
selbst sah sich stets selbstkritisch und bezeichnete sich einmal in Anlehnung
an die Operette ihres Vaters, "Der Vetter aus Dingsda", selbst als
"die Fette aus Dingsda". Zu ihrem 70. Geburtstag
veröffentlichte sie ihre beruflichen und privaten Erinnerungen unter dem
Titel "Mit Federboa und Kittelschürze. Mein Leben in zwei Welten".
Die unvergessene Schauspielerin, Sängerin und Kabarettistin
Evelyn Künneke, die von Publikum und Kritik liebevoll als
"Deutschlands heißeste Oma" bezeichnet wurde, erlag am
28. April 2001 mit 79 Jahren in einem Berliner Krankenhaus
ihrem Krebsleiden; ihre letzte Ruhe fand Evelyn Künneke auf dem
Berliner Friedhof Heerstraße neben ihrem Vater → Foto der Grabstelle bei
knerger.de.
Noch im Jahr 2000 war die vielseitige Künstlerin, die
rund ein halbes Jahrhundert deutscher Showgeschichte vom
Kabarett bis zum Schlager verkörperte, für ihr Lebenswerk mit
der "Goldenen Kamera" geehrt worden.
"Deutschlands heißeste Oma" ist tot" titelte DER
SPIEGEL anlässlich des Todes von Evelyn Künneke und notierte unter
anderem weiter: "Dass Evelyn Künneke aber auch bei der jüngeren
Generation noch Erfolg hatte, ging auf ihr Comeback in den siebziger Jahren
zurück, als sie Zugang zur "Szene" um die jungen Filmemacher wie
Rainer Werner Fassbinder und Rosa von Praunheim fand, der mit ihr auch das
Porträt "Ich bin ein Anti-Star" drehte.
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