Giulietta Masina (Giulia Anna Masina) wurde am 22. Februar 1921 als Tochter eines
Lehrers im italienischen Giorgio di Piano1) (Bologna) geboren.
Sie stammte aus einer sehr kultivierten und hochkünstlerischen
Familie und wuchs in Rom auf, wo sie später auch Kunstgeschichte, Archäologie
und Philosophie studierte und ihren Doktor der
Philosophie machte. An der Universität betätigte sie sich mit großem Erfolg
beo einer einer studentischen Theatergruppe und arbeitete hin und wieder als Aushilfssprecherin bei
"Radio Roma".
1942 lernte sie den Autor der
Hörspielserie "Chico und Pallina", Federico Fellini1) (1920 1993)
kennen und lieben. Dieser war zu der Zeit noch ein unbekannter Journalist und Schriftsteller,
der gerade versuchte, als Regisseur Fuß
zufassen; ein Jahr später heirateten die beiden.
1946 gab Giulietta Masina ihr Leinwanddebüt mit einer winzigen Nebenrolle in
dem von Roberto
Rossellini1) in Szene gesetzten Episodenfilm
"Paisà"1).
Nach dem Drama "Senza pietà"2) (1948, "Ohne Gnade") war sie dann als
heruntergekommene Tänzerin Melina Amour in
Fellinis Regiedebüt "Luci del varietà"1)
("Lichter des Varieté") zu
sehen; weitere Arbeiten mit ihrem Mann sollten folgen. Nach einer kleineren Rolle in
der Komödie "Lo sceicco bianco"1) (1951,
"Die bittere Liebe")
kam dann 1954
für Giulietta Masina der internationale Durchbruch als Schauspielerin und
für Fellini als Drehbuchautor und Regisseur: In "La strada"1)
("Das Lied der Straße") spielte sie die
Hauptrolle der naiven Kindfrau Gelsomina an der Seite von Anthony Quinn:
Gelsomina ist ein armes Straßenmädchen, das von einem
ungehobelten Wanderkünstler (Quinn) ausgebeutet wird. "La strada"
wurde ein Welterfolg, erhielt unter anderem einen "Oscar"1) als "Bester ausländischer Film" und
avanciertet inzwischen zu einem der großen Leinwandklassiker des 20. Jahrhunderts.
Giulietta Masina trifft am 5. Juli 1966 auf dem niederländischen Flughafen
Schiphol ein.
Rechteinhaber: Nationaal
Archief (Den Haag, Rijksfotoarchief; Bestandsnummer: 919-3208)
Urheber/Fotograf: Eric Koch / Anefo; Quelle: Wikimedia
Commons;
Lizenz: www.gahetna.nl/over-ons/open-data
/ CC BY-SA 3.0 NL
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1957 folgte ein weiterer Höhepunkt für das Künstlerehepaar: In dem vielfach preisgekrönten Film
"Le notti di Cabiria"1)
("Die Nächte der Cabiria") verkörperte die
Masina eine unschuldige, engelhafte, aber energische Vorstadtprostituierte,
die von einem spießigen Beamten (François Périer1)) um ihr Lebensglück gebracht wird, mit
bemerkenswertem Einfühlungsvermögen. Ihr eindrückliches Spiel wurde 1957 mit
dem bedeutendsten italienischen Filmpreis, dem "David
di Donatello"1) gewürdigt, bei den
"Internationalen
Filmfestspielen von Cannes"1) erhielt sie den Preis als "Beste
Darstellerin" sowie beim "San Sebastián International Film Festival"1) die
"Goldene Muschel".
Giulietta Masina bewies ihr Talent als Schauspielerin neben Fellini aber auch bei
anderen Regisseuren. So überzeugte sie bei Luigi Comencini1) als
Pippo in dem Gangsterfilm "Persiane chiuse"2)
(1950, "Geschlossene Gardinen"), bei Carlo Lizzani1) in dem neorealistischen und sozialkritischen Kriminalfilm
"Ai margini della metropoli"2)
(1952, "Am Rande der Großstadt"). Für Giuseppe Amato1)
trat sie als Rosa in dem sentimentalen Hurendrama "Donne proibite"2)
(1954, "Die Verrufenen") auf, auch hier mit ihrem "La Strada"-Partner Anthony Quinn.
1957 beeindruckte die Schauspielerin neben dem beliebten Komiker Alberto Sordi1)
in als Titelheldin dem Drama "Fortunella"2),
der Geschichte über ein Mädchen aus den römischen
Elendsvierteln, und an der Seite von Anna Magnani waren 1958 Zuschauer und
Kritiker gleichermaßen
über ihre Darstellung der Inhaftierten Lina in "Nella città l'inferno"2)
("Die Hölle in der Stadt") begeistert, einem harten, realistischen Film
bzw. eine bedrückende Milieustudie aus "Le Mantellate", dem Frauengefängnis von Rom,
nach dem Buch "Roma, Via delle Mantellate" von Renato Castellani1). Ende der 1950er Jahre führte sie ihre Karriere auch nach
Deutschland, zunächst wirkte sie als Erdme und Partnerin von Carl Raddatz
(Jons) in der deutsch-italienischen Co-Produktion "Jons und Erdme"1)
mit, gedreht von Victor Vicas1) nach der gleichnamigen Erzählung
von Hermann Sudermann1). 1960 folgte die Rolle der Protagonistin Doris Putzke in der
Literaturverfilmung "Das
kunstseidene Mädchen"1),
einer von Julien Duvivier1) in Szene gesetzten
deutsch-italienisch-französischen Co-Produktion nach dem gleichnamigen
Zeitroman1) von Irmgard
Keun1).
1965 spielte die Masina erneut eine Titelrolle in Fellinis Fantasyfilm "Giulietta degli spiriti"1)
("Julia und die Geister") und konnte sich auch in diesem Film nicht vom
Klischee einer typischen Fellini-Gestalt befreien. 1967 verkörperte sie die
Gabrielle in ihrem einzigen englischsprachigen Film
"The Madwoman of Chaillot"1)
("Die Irre von Chaillot") an der Seite von Protagonistin Katharine Hepburn
und so berühmten Kollegen wie Charles Boyer,
Yul Brynner,
Richard Chamberlain,
Donald Pleasance1) und
Danny Kaye.
Ende der 1960er Jahre zog sich die Schauspielerin allmählich vom Filmgeschäft
zurück, arbeitete bevorzugt für das Fernsehen und war nur noch
sporadisch auf der Leinwand zu sehen. 1986 feierte sie noch einmal ein Comeback
beim Film erneut unter der Regie ihres Mannes; Mit Marcello Mastroianni
zeichnete sie das anrührende Portrait des gealterten Revue-Duos "Ginger e Fred"1)
("Ginger und Fred"),
welches vergeblich versucht, den Glanz alter Tage heraufzubeschwören. Sehenswert ist auch Juraj Jakubiskos1) Märchen-Variation "Frau
Holle"2) (1986, "Perinbaja")
nach Motiven des Märchens "Frau
Holle"1) der Brüder
Grimm1) mit der Masina als titelgebende
Figur. Ihren letzten Auftritt vor der Kamera
hatte die Künstlerin unter der Regie von Jean-Louis Bertuccelli1)
als die alte Bertille in der Komödie "Aujourd'hui peut-être
"2) (1991,
"Benjamin") → Übersicht Filmografie (Auszug).
Neben der Filmarbeit schrieb Giulietta Masina jahrelang eine wöchentliche Kolumne für die Zeitung "LA STAMPA"1).
Vor allem zwei Charaktereigenschaften sind es, die trotz Giulietta Masinas
Aufstieg zum Weltstar niemals in Gefahr geraten, ihr abhanden zu kommen: ihre
Bescheidenheit und ihre Hilfsbereitschaft. Letztere erlaubt es ihr, auf das
Angebot einer der führenden italienischen Tageszeitungen einzugehen, eine Art
Lebenshilferubrik zu übernehmen: Woche für Woche schreibt sie für "La Stampa"
eine vielgelesene Ratgeberkolumne. Und bei der UNICEF1), dem
Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, nimmt sie die verantwortungsvollen
Aufgaben einer Botschafterin wahr.
(Quelle: .wienerzeitung.at; Seite nicht mehr online)
Die Schauspielerin erlag am 23. März 1994 im Alter von 73 Jahren in Rom
ihrer Lungenkrebserkrankung fünf Monate zuvor hatte sie ihren Ehemann Federico Fellini
zu Grabe getragen, der am 31. Oktober 1993 gestorbenen war. Das
einzige Kind aus dieser Verbindung, der am 22. Februar 1945 geborene Sohn
Pierfederico, war bereits wenige Wochen später am 2. April 1945 an Ateminsuffizienz gestorben.
Die letzte Ruhe fand sie an der Seite ihres Ehemannes und ihres Sohnes auf dem
Friedhof von Rimini1) → Foto der Grabstelle bei knerger.de.
Giulietta Masina gilt als der weibliche Chaplin, als Charakterschauspielerin in der
Tradition der großen Stummfilmdiven, die mit ausdrucksstarker Mimik und
Gestik alle emotionalen Schattierungen wortlos vermitteln kann. Das
selbstreflektierende und selbstbewusste Element der sichtbar gemachten
Verwundbarkeit und Lebendigkeit ist dabei leicht zu übersehen. Aber es ist
genau dies, was Fellini fasziniert. Masina ist nicht nur Vehikel seiner
Inspiration oder Verkörperung des Enigmas Frau, sondern auch eine
schauspielerisch eigendynamische Kraft, die über Film und Regisseur
hinausweist.3)
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Filme (Auszug)
(Kinofilme, wenn nicht anders vermerkt)
Filmografie bei der Internet Movie Database
(Fremde Links: Wikipedia, filmportal.de, prisma.de (deutscher Titel))
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- 1946: Paisà
(Episodenfilm; Regie: Roberto Rossellini;
als junges Mädchen in Segment 4 "Florenz")
- 1948: Senza pietà / Ohne Gnade (als Marcella) → filmdienst.de,
Wikipedia
(englisch)
- 1950: Luci del varietà
/ Lichter des Varieté (Regie: Federico Fellini
und Alberto
Lattuada; als Melina Amour, Geliebte von
Varieté-Direktor Checco Dal Monte = Peppino
De Filippo)
- 1950: Persiane chiuse / Geschlossene Gardinen (als Pippo)
→ filmdienst,de,
IMDb
- 1951: Sette ore di guai (als Tochter von Signor Romolini = Carlo
Campanini) → Wikipedia
(englisch)
- 1952: Ai margini della metropoli / Am Rande der Großstadt
(als Gina) → wunschliste.de,
filmdienst.de
- 1952: Il romanzo della mia vita / Romanze meiner Sehnsucht (Episodenfilm
über Jugendjahren des italienischen
Sängers Luciano Tajoli,
dargestellt von ihm selbst; als Paola) → IMDb
- 1952: Wanda la peccatrice / Es begann auf der Straße (als
Nadina) → filmdienst,de,
IMDb
- 1952: Lo sceicco bianco
/ Die bittere
Liebe (Regie: Federico Fellini;
als Prostituierte Cabiria)
- 1953: Donne proibite / Die Verrufenen (als Rosa Cercutelli)
→ filmdienst.de,
IMDb
- 1953: Via Padova 46 (als Irene) → IMDb
- 1954: Cento anni d'amore / Hundert Jahre Liebe (Episodenfilm;
als Nachbarin in Segment 3 "Purificazione") → filmdienst.de,
IMDb
- 1954: La strada
/ Das Lied der
Straße (Regie: Federico
Fellini; als Clown Gelsomina, Anthony
Quinn als Schausteller Zampanò)
- 1955: Buonanotte
avvocato! / Gute Nacht, Herr
Advokat! (als Clara, Frau von Advokat Alberto Santi = Alberto Sordi)
→ wunschliste.de
- 1955: Il bidone / Die Schwindler / Fellinis
Gauner (Regie: Federico
Fellini; als Iris, Frau von Carlo, genannt "Picasso" =
Richard
Basehart)
- 1957: Fortunella (als das Mädchen Nanda Diotallevi, genannt "Fortunella")
→ filmdienst.de,
IMDb
- 1957: Le notti di Cabiria
/ Die Nächte der Cabiria (Regie: Federico Fellini; als Prostituierte Maria Ceccarelli, genannt "Cabiria")
- 1958: Nella città l'inferno / Die Hölle in der Stadt /
Frauen hinter Gittern (nach dem Buch "Roma, Via delle Mantellate" von
Renato Castellani;
als Inhaftierte Lina) → filmdienst.de,
IMDb
- 1959: Jons und Erdme.
Die Frau des Anderen (nach der Erzählung "Jons und Erdme"
aus "Litauische Geschichten"
von Hermann
Sudermann; als Erdme, Carl Raddatz als Jons Baltruschowsky) → filmportal.de
- 1960: Das
kunstseidene Mädchen (nach dem gleichnamigen
Zeitroman von Irmgard
Keun; als Doris Putzke) → filmportal.de
- 1965: Giulietta degli spiriti
/ Julia und die
Geister (Regie: Federico Fellini; als Giulietta Boldrini) → filmportal.de
- 1969: The Madwoman of Chaillot / Die Irre von Chaillot
(nach dem gleichnamigen
Stück von Jean
Giraudoux, mit Katharine
Hepburn
als Gräfin Aurelia, die "Irre von Chaillot"; als
Gabrielle, Freundin von Aurelia)
- 1976: Camilla (TV-Vierteiler; als Camilla) → IMDb
- 1985: Perinbaba
/ Frau
Holle (nach Motiven des Märchens "Frau
Holle" der Brüder
Grimm; als Frau Holle)
- 1986: Ginger e Fred
/ Ginger und
Fred (Regie: Federico
Fellini; als Amelia Bonetti (Ginger),
Marcello
Mastroianni als Pippo Botticella (Fred))
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1991: Aujourd'hui peut-être
/ Benjamin (Regie: Jean-Louis
Bertuccelli; als Bertille) → filmdienst.de,
IMDb
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