Über das Geburtsjahr des Schauspielers Ernst Benzinger gibt es verschiedene Angaben, laut Wikipedia*) und der "Internet Movie Database" erblickte der Sohn eines königlichen Hofschornsteinfegermeisters am 1. März 1867 als Ernst August Benzinger in Hannover1) das Licht der Welt. Ludwig Eisenberg1) (1858 – 1910) nennt in seinem 1903 publizierten Lexikon**) das Jahr 1877, was vermutlich ein Druckfehler sein dürfte, filmportal.de weist 1865 aus. Die unterschiedlichen Informationen rühren von Benzinger selbst her, der sein Geburtsjahr in den verschiedenen Fragebögen auch mit 1865 und 1870 angab, korrekt ist laut Volker Wachter1) der 1. März 1867. Getauft wurde der kleine Ernst in der "Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis"1), Taufpate war kein Geringerer als "Seine Königliche Hoheit" Kronprinz Ernst August von Hannover1).

Ernst Benzinger Anfang September 1889
Urheber: Ignaz Eigner1) (1854 – 1922)
Quelle: "Der Humorist"1) (05.09.1889, 9. Jahrg., Nr. 17–18, S. 5)
digitalisiert von der Österreichischen Nationalbibliothek1)
→ anno.onb.ac.at bzw. Wikimedia Commons;
Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier

Ernst Benzinger Anfang September 1889; Urheber: Ignaz Eigner (1854 – 1922); Quelle: "Der Humorist" (05.09.1889, 9. Jahrg., Nr. 17-18, S. 5) digitalisiert von der Österreichischen Nationalbibliothek; siehe anno.onb.ac.at bzw. Wikimedia Commons; Lizenz: gemeinfrei
Bereits während der Schulzeit fühlte sich der junge Benzinger zum Theater hingezogen, entschied sich dann nach dem Realgymnasium für die Schauspielerei und erhielt dramatischen Unterricht von Hermann Müller (1834 – 1889), Regisseur am "Königlich Hannoverschen Hoftheater"1). Ein erstes Engagement trat Benzinger Ende der 1880er Jahre in Lübeck1) an, wenig später erreichte er die Metropole Berlin, wo er am "Ostend-Theater"1) und "Victoria-Theater"1) auftrat. Anschließend ging er nach Wien an das "Deutsche Volkstheater"1), zur Spielzeit 1890/91 an das "Herzogliche Hoftheater"1) nach Meiningen1). Hier stellte er unter anderem auch im Rahmen einer Gastspielreise den Graf Dunois in dem Schiller-Drama "Die Jungfrau von Orleans"1) dar, gab den Graf Kent in Schillers "Maria Stuart"1), den Großhändler Holm verkörperte er in dem Schauspiel "Ein Fallissement" des Norwegischen Dichters Bjørnstjerne Bjørnson1). Benzinger konnte auch in Komödien Erfolge verzeichnen, so beispielsweise als Steuereinnehmer Hansen in "Freund Fritz" ("L'ami Fritz"1)) des französischen Schriftsteller-Teams Erckmann-Chatrian1) oder als ein Herr der Gesellschaft in dem Lustspiel "Die beiden Leonoren" von Paul Lindau1).
Nach nur einem Jahr in Meiningen folgte Benzinger 1891/92 einem Ruf an das "Stuttgarter Hoftheater"1), wo er seinen Einstand mit der Figur des Henry Percy in Shakespeares Historiendrama "Heinrich IV."1) gab und sich im Folgenden einen Namen als herausragender Charakterdarsteller machte. Ludwig Eisenberg schreibt in seinem Lexikon**): "Man rühmte das treffliche, oft geradezu ergreifende, außerordentlich temperamentvolle Spiel des Künstlers. Die Auffassung seiner Rollen zeigt von tiefem Verständnis, sowie er überhaupt bemüht ist, durch sorgfältiges Studium der Intention des Dichters gerecht zu werden. Unterstützt von einer stattlichen Erscheinung und starkem sonorem Organ, findet er vorzugsweise Verwendung auf klassischem Gebiet. Hier kommen seine schöne Deklamation und seine charakteristische Darstellungsart am besten zur Geltung." Eisenberg hebt von seinen "vortrefflichen Darstellungen im Fach des Helden und Liebhabers" besonders Goethes "Egmont"1) und "Faust"1) hervor sowie die Interpretation seiner Shakespeare-Figuren, den "Othello"1), "Richard II."1), "Macbeth"1), "Coriolanus"1) und den Marc Anton1) in "Julius Caesar"1). Genannt werden zudem die Titelrollen in dem Schiller-Schauspiel "Wilhelm Tell"1) und in dem heute vergessenen Trauerspiel "Narciss"1) von Albert Emil Brachvogel1) nach "Rameaus Neffe"1) von Denis Diderot1).
 
Das Privatleben des Mimen sorgte zeitweise für Aufsehen, 1892 hatte er seine 22 Jahre ältere Stuttgarter Kollegin Eleonore Wahlmann1) geheiratet (→ Rollenfoto bei theatermuseum.at). Die am 11. April 1843 in Klagenfurt1) geborene, für ihr "heißblütiges Temperament" bekannte österreichische Tragödin erkrankte Anfang Februar 1900 an einer schweren Geistesstörung, wurde nach einem Selbstmordversuch aus den Fluten des Neckars gerettet und in eine Tübinger1) Psychiatrie eingewiesen, wo sie am 18. Juli 1900 starb. "Trotz seiner Eskapaden und trotz seiner Schulden für Essen und Wein"2) wurde der als begabt geltende Benzinger von der Stuttgarter Intendanz bis Anfang 1898 als Heldendarsteller gehalten.
Wie in jener Ära üblich, nutzte Benzinger danach von 1898 bis Anfang 1900 seinen Ruf als Heldendarsteller und Hofschauspieler, um mit Gastauftritten ("Gastieren") an verschiedenen Theatern aufzutreten, zwischen 1900 und 1903 war er dann erneut am "Stuttgarter Hoftheater" engagiert, wenn auch nicht mehr im 1. Heldenfach. Ab 1904 waren "Gastieren" und Jahresengagements für Benzinger immer notwendiger geworden, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zwischen 1905 und 1912 wirkte er an Berliner Bühnen, während des 1. Weltkrieges wurde er von Max Reinhardt1) verpflichtet, spielte am "Deutschen Theater"1) und an der "Volksbühne"1), musste sich jedoch meist mit mittleren und auch kleineren Rollen zufrieden geben. So erlebte man ihn beispielsweise in Reinhardts Inszenierungen des Schiller-Dramas "Die Piccolomini"1) (1915), in den Shakespeare-Stücken "Das Wintermärchen"1) (1916) und "Macbeth"1) (1917) sowie unter der Regie von Felix Hollaender1) in der Tragödie "Gyges und sein Ring"1) (1916) von Friedrich Hebbel1). Danach nahm die Qualität der Theater, an denen der Schauspieler Beschäftigung fand, zunehmend ab. "Im "Berliner Lustspielhaus"1) spielte er Mitte der 1920er Jahre in dem erfolgreichen en-suite gespielten Schwank "Der wahre Jakob" von Arnold und Bach1). Gelegentlich war Benziger auch im Regiefach und als Autor tätig." notiert Wikipedia.
 
Erste Erfahrungen mit dem neuen Medium Kinematographie1) sammelte Benzinger als Graf der Räuber in dem Stummfilm "Das Mirakel" (1912), von Cherry Kearton und Max Reinhardt in Szene gesetzt nach dem gleichnamigen Bühnenwerk1) von Karl Gustav Vollmoeller1) mit Vollmoeller-Ehefrau Maria Carmi in der weiblichen Hauptrolle der Madonna. Seit Mitte der 1910er Jahre trat Benzinger dann regelmäßig vor die Kamera, wurde jedoch überwiegend auf Nebenrollen reduziert. Benzinger mimte Militärs, Grafen und Professoren, zu seinen wenigen hervorgehobenen Aufgaben zählte der Vaters der Titelheldin (Elga Beck3)) bzw. der Königs von Travankore in Otto Ripperts1) monumentalem Drama "Die Königstochter von Travankore"1) (1917) und der legendäre russische Wunderheiler Rasputin1) in dem Streifen "Suchomlinow"1) (1918), mit dem Regisseur Kurt Matull1) den Ausbruch des 1. Weltkrieges anhand des von Bodo Serp3) dargestellten Generals Wladimir Alexandrowitsch Suchomlinow1) thematisierte. Als der Domherr zeigte er sich in der von Hans Neumann1) nach einer altfriesischen Sage und der gleichnamigen Oper1) von Richard Wagner1) realisierten Adaption "Der fliegende Holländer1) (1918), der ihn auch als Herzog in "Nixenzauber" (1918) besetzte, einer freien Verfilmung der "Undine"-Sage bzw. der Erzählung "Undine"1) von Friedrich de la Motte Fouqué1). Für Alfred Halm stellte er den Gutsbesitzer Saretzki in der Verfilmung "Eugen Onegin" (1919) nach dem gleichnamigen Roman1) von Alexander Puschkin1) dar, Benzingers letzte Arbeit für den Stummfilm war Arzén von Cserépys1) Episodenfilm "Betrogene Betrüger" (1922) → Übersicht Stummfilme.
Danach trat Benzinger nach achtjähriger Pause erst in den 1930er Jahren wieder im Tonfilm auf der Leinwand in Erscheinung, war hier jedoch nur mit winzigen Parts zu sehen. Zuletzt schrumpften seine Filmrollen auf Sekundenformat und wurden mitunter nicht einmal mehr im Abspann erwähnt → Übersicht Tonfilme.
Neben seiner Arbeit für Theater und Film tat sich Benzinger auch als Autor hervor, so verfasste er "Die Weiber von Weinsberg" (1904) mit dem Untertitel "Dramatischer Schwank in 2 Aufzügen mit Benützung des Uhland'schen Bruchstücks", seine "Fünfzig Balladen und Romanzen" erschienen 1912. Seine Meinung zur aufstrebenden Filmwirtschaft tat er in dem Artikel "Schaufilm oder Spielfilm?" kund, der 1920 in der Wochenschrift "Das Tage-Buch"1) (Bd. 1, 1920, 2. Halbjahr, S. 1332–1336) erschien → digitalisiert von "Internet Archive"1).
 
Ernst Benzinger, der bis ins hohe Alter als Schauspieler, aber auch als Vortragskünstler sowie Verfasser von Essays tätig war, starb am 29. Januar 19464) – wenige Wochen vor seinem 79. Geburtstag – in Berlin-Wilmersdorf1). Seit 1901 war er in zweiter Ehe mit Georgina Mutschler aus Heidelberg (1872 – 1944) verheiratet gewesen.
Quelle (unter anderem**)): Wikipedia, cyranos.ch sowie
Volker Wachter1)
*) laut "Biographisches Bühnen-Lexikon der deutschen Theater" (1. Jahrgang., München 1892, S. 22)
**) Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert (Verlag von Paul List, Leipzig 1903); Digitalisiert: Ernst Benzinger: S. 80
Fremde Links: 1) Wikipedia, 3) cyranos.ch
2) Wolf Liese: "Louise Dumont. Ein Leben für das Theater" (Schröder, Hamburg u. a. 1971, S. 89)
4) laut Sterberegister Berlin-Wilmersdorf 
Lizenz Abbildung Ernst Benzinger (Urheber: Ignaz Eigner): Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist. Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 70 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.
Filme (Quelle u. a.: Wikipedia)
Stummfilme / Tonfilme
Filmografie bei der Internet Movie Database, filmportal.de sowie
einige Stummfilme bei "The German Early Cinema Database"
(Fremde Links: Wikipedia, cyranos.ch,  filmportal.de; R = Regie)
Stummfilme Tonfilme
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