Guido Thielscher erblickte am 10. September 1859 im oberschlesischen Königshütte (heute Chorzów, Polen) als Sohn eines Landwirts das Licht der Welt. Aufgewachsen im sächsischen Görlitz, versuchte er sich nach der Schule zunächst in verschiedenen Berufen, um dann seinen Wunsch, Schauspieler zu werden, zu verwirklichen. Er ließ sich in Berlin entsprechend ausbilden, nahm "dramatischen Unterricht" bei dem bekannten Schauspieler Heinrich Oberländer1) (1834 – 1911) sowie Gesangsunterricht bei dem Komponisten und Musikpädagogen Ferdinand Gumbert1) (1834 – 1911). Ein erstes Engagement erhielt Thielscher 1877 am Berliner "Belle-Alliance-Theater"1), wo er anfangs im Chor oder mit kleineren Parts eingesetzt wurde. Doch schon bald konnte er mit Rollen wie dem Magister Stichling in dem Zaubermärchen mit Gesang und Tanz "Aschenbrödel oder Der gläserne Pantoffel", dem Fähnrich Alfred von Seldeneck in dem Schwank "Epidemisch" oder dem Musketier Schulze in der musikalischen Posse "Pechschulze" (Musik: Adolf Lang) die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Zur Spielzeit 1882/83 ging er nach Stettin, kam jedoch bereits im Winter 1883 wieder nach Berlin zurück. Hier machte er am "Central-Theater"1) Furore, spielte nun auch in den Ausstattungsstücken der Bühne, unter anderem mit dem damaligen Leiter Adolf Ernst1). Ernst wusste "den Wert dieses ausgezeichneten Darstellers zu schätzen und veranlasste ebenfalls seine Hausdichter bei Verfassung der Bühnenwerke besonders auf die Eigenart des Künstlers Rücksicht zu nehmen und die Rollen geradezu demselben auf den Leib zu schreiben."*)

Guido Thielscher fotografiert von Wilhelm Willinger1) (1879 – 1943)
Quelle: www.cyranos.ch; Angaben zur Lizenz siehe hier

Guido Thielscher fotografiert von Wilhelm Willinger (1879 – 1943); Quelle: www.cyranos.ch
Ein riesiger Erfolg wurde nicht nur am "Central-Theater" der Komödienklassiker "Charleys Tante"1) mit Thielscher in der Titelrolle, auf Einladung des Kaisers führte Ernst mit seiner Truppe das Stück im Rahmen einer Tournee 1893 sogar im "Neuen Palais" in Schloss Sanssouci auf. Als Adolf Ernst die Direktion des "Central-Theaters" im August 1896 niederlegte und sich ins Privatleben zurückzog, ging Thielscher an das "Deutsche Theater"1), wo er als Habakuk in dem dramatisches Märchen "Der Talisman" von Ludwig Fulda1) debütierte. Ludwig Eisenberg1) (1858 – 1910) schreibt in seinem 1903 publizierten Lexikon*): "Er verstand es ganz ausgezeichnet, sich während seiner zweijährigen Wirksamkeit auf dem ihm ganz fremden Boden des naturalistischen Theaters heimisch zu machen, und erzielte in den verschiedensten Stücken des modernen Repertoires, so in Werken von Gerhart Hauptmann, Fulda, Sudermann, Schnitzler, Bernstein etc. ausgesprochene Erfolge, wie er auch als Hexe in "Faust"1), Erster Totengräber in "Hamlet"1), Pater in den "Räubern"1) seine hervorstechende Begabung erwies. Als Beweis seiner großen Zugkraft mag des Umstandes Erwähnung getan werden, daß Richard Schultz1), um Thielscher für das neu zu eröffnende "Metropoltheater"1) zu gewinnen, dem Direktor Brahm1) vom "Deutschen Theater" 10.000 Mark als Abstandssumme bezahlte. Thielscher trat an dieser Bühne im französischen Ausstattungsstück "Paradies der Frauen" auf, von seinen Berlinern, die ihn längst ins Herz geschlossen hatten, jubelnd begrüßt." Die Eröffnung des "Metropol-Theaters" fand am 3. September 1898 mit der großen Ausstattungsposse mit Gesang und Tanz "Paradies der Frauen", die Julius Freund nach "Le Royaume des femmes" von Gaston Serpette1) geschrieben hatte, mit dem Star Thielscher statt. Die "Vossische Zeitung"1) schrieb am 4. September 1898 unter anderem "Herr Julius Freund hatte als Possendichter seine Tätigkeit darauf beschränkt, eine sogenannte Handlung zusammen zuzimmern, die gar keine Handlung ist und keinen weiteren Zweck verfolgt, als Herrn Thielscher und Herrn Steinberger einige gute und einige minderwertige Witzworte sprechen, die Sänger und Sängerinnen singen zu lassen, und vor allem, das ist die Hauptsache, dem Zuschauer Gelegenheit zu bieten, nicht uninteressante anatomische Studien zu machen und auf diesem Gebiet Vergleiche anzustellen." Thielscher hatte schon recht bald seine komische Wirkung auf das Publikum erkannt und verschrieb sich fortan vor allem der Posse und dem Lustspiel. 
Guido Thielscher als "Der Camelien-Onkel", einer Posse mit Gesang und Tanz in 3 Akten, in "Berliner Leben. Zeitschrift für Schönheit und Kunst" (Ausgabe 6, 1903); Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche; Quelle: Wikimedia Commons Sein Talent für humoristische Darbietungen, oftmals eingebunden mit Gesangseinlagen, konnte er vor allem am "Thalia-Theater" und im "Lustspielhaus"1) der deutschen Hauptstadt ausleben. Ludwig Eisenberg vermerkt: "Wo immer auch derselbe wirkt, seine Verehrer – und diese bestehen aus dem gesamten Berliner Theaterpublikum – folgen ihm überall hin. Ist er doch einer der besten, einer der populärsten, nach Emil Thomas1) der erste spezifische Berliner Komiker, mit scharfem pointiertem Vortrag und einer drastisch originellen, höchst charakteristischen Darstellungsart. Der Künstler hat ein eigenes Genre geschaffen, welches in der Theaterwelt typisch geworden und kurz mit dem Ausdruck "Thielscherrolle" bezeichnet wird. Er hat einen gottbegnadeten Humor, Gemüt und Herz, und im Besitz dieser Eigenschaften hat er den Sieg über die meisten seiner Rivalen in Berlin davongetragen."*)
Die größten Erfolge allerdings feierte Thielscher, unter anderem unter der Leitung von Rudolf Nelson1), am "Metropol-Theater", wo er im Laufe der Jahrzehnte auch an der Seite so bedeutender Diseusen wie Fritzi Massary2), und Claire Waldoff2) auftrat. So wurde er an der Seite von Fritzi Massary beispielsweise in der Revue von Julius Freund (Libretto) mit Musik von Victor Hollaender1) "Das muß man seh'n" gefeiert, oder sang mit Claire Waldoff das "Waldmar-Mieze-Duett" aus der Operette bzw. der Kriegsrevue "Woran wir denken" (Musik: Jean Gilbert1), Text.: Walter Turzinsky).

Guido Thielscher als "Der Camelien-Onkel", eine Posse mit Gesang und Tanz in 3 Akten,
in "Berliner Leben. Zeitschrift für Schönheit und Kunst" (Ausgabe 6, 1903) → digitalisiert digital.zlb.de
Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche
Quelle: Wikimedia Commons; Angaben zur Lizenz siehe hier

Auch beim Gesang achtete Thielscher auf eine große Bandbreite, trug als Solist sowohl Marschlieder wie "Bis früh um fünfe" aus der gleichnamigen Operette von Paul Lincke1) vor, als auch Couplets aus der Feder Otto Reutters1) wie beispielsweise "Neunzehnhundertvierzehn". Mit seinen originellen Vorträgen und witzigen Reimen kann er als ein sehr früher Vorläufer des klassischen "Stand-Up-Comedian" angesehen werden.

Ähnlich wie bei seinen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum minder beliebten Komiker-Kollegen Arnold Rieck2) (1876 – 1924), Leo Peukert2) (1885 – 1944) und Guido Herzfeld2) (1851 – 1923) versuchte man, vor allem während des Ersten Weltkriegs, Thielschers enorme Popularität auch für den Film zu nutzen. Der Schauspielkollege und Regisseur Paul Otto2) (1878 – 1943) holte ihn 1915/1916 für einige ganz auf Thielscher zurechtgeschnittenen Geschichten vor die Kamera. So entstanden die Streifen "Guido im Paradies" (1915), "Guido der Erste oder Der getäuschte Wurstfabrikant" (1915) und "Guido und seine Kinder" (1916) sowie der an "Charleys Tante" angelehnte Film "Florians Tante" (1916) mit Thielscher als "Tante". Unter dem Namen "Guido Teschler" trat er in Joseph Delmonts phantastischem Stummfilm "Theophrastus Paracelsus" (1916) an der Seite des Protagonisten Guido Herzfeld (als Wissenschaftler Paracelsus1)) in Erscheinung. Doch die Arbeit für den Film blieb eher ein Intermezzo, nur 1920 spielte er als Gärtner Antonio noch einmal eine kleinere Rolle in Max Macks Beaumarchais-Adaption "Figaros Hochzeit" mit dem legendären Alexander Moissi in der Titelrolle und Hella Moja als Page Cherubin.

Thielscher blieb in der Folgezeit auch weiterhin primär dem Theater verbunden, Anfang der 1920er Jahre ermöglichte der Bühnenveteran der 20-jährigen Nachwuchskünstlerin Marlene Dietrich als Revuegirl einen ihrer ersten Auftritte im Rahmen seiner eigenen Schauspieltruppe. Am 27. März 1928 wurde Thielscher zu Ehren im Berliner "Lustspielhaus" ein Festprogramm aufgeführt, um (leicht verspätet) sein 50-jähriges Berliner Bühnenjubiläum zu feiern.
Thielscher blieb bis ins hohe Alter ein höchst agiler Vollblutkomödiant, "Mit erstaunlicher Elastizität ist er auch noch im Greisenalter, da andere Menschen sich der Geruhsamkeit widmen und von der Erinnerung zehren, über die Bühnenbretter gerollt, gehüpft, gesprungen und gekugelt." hieß es 1941 in einem Nachruf im "Deutsches Bühnen-Jahrbuch"3). Erst an seinem 75. Geburtstag verabschiedete sich der Künstler 1934 von der Bühne und zog sich ins Privatleben zurück. 1938 veröffentlichte er seine Memoiren unter dem Titel "Erinnerungen eines alten Komödianten".

Guido Thielscher 1909 in der Maske des Zipfel
in "Halloh! Die grosse Revue" am "Metropol-Theater",
mit der Paul Lincke zusammen mit dem Textdichter Julius Freund
auch satirisch auf die Zeppelin-Flüge im Jahre 1909 anspielte.
Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche
Quelle: Wikimedia Commons; Angaben zur Lizenz siehe hier
Anmerkung: Der 18. November 1909 ist das Datum des Poststempels auf der Karte,
daher muss das Foto vor diesem Datum aufgenommen worden sein.
Weder der Fotograf noch der Verlag sind auf der Karte vermerkt.
Siehe auch das Foto bei www.bildpostkarten.uni-osnabrueck.de sowie
weitere Fotos bei Zentral- und Landesbibliothek Berlin

Guido Thielscher 1909 in der Maske des Zipfel in "Halloh! Die grosse Revue" am "Metropol-Theater", mit der Paul Lincke zusammen mit dem Textdichter Julius Freund auch satirisch auf die Zeppelin-Flüge im Jahr 1909 anspielte. Urheber: Unbekannter Fotograf der Epoche; Quelle: Wikimedia Commons
Der Humorist, Couplet-Sänger, Komiker, Kabarettist und Schauspieler Guido Thielscher starb am 29. Juni 1941 während eines Erholungsurlaubes im schlesischen Bad Salzbrunn im Alter von 81 Jahren an einem Herzschlag. Anlässlich seines Todes wurde noch einmal an seine Popularität erinnert: "Durch seinen unverwüstlichen Humor und seinen Berliner Dialekt wurde er zum beliebtesten Komiker der Reichshauptstadt."3)
Die letzte Ruhe fand der Künstler in einem Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Friedhof Wilmersdorf, der Grabstein trägt die Inschrift "Sein Leben war treueste Pflichterfüllung, Liebe und Güte." In dem Ehrengrab wurde später auch seine Ehefrau Ida Thielscher (* 03.01.1868) beigesetzt, die am 4. Februar 1958 mit 90 Jahren verstarb → Foto der Grabstelle bei Wikimedia Commons und knerger.de.
Quelle (unter anderem*)): Wikipedia, www.cyranos.ch
*) Ludwig Eisenberg: Großes biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert (Verlag von Paul List, Leipzig 1903); Digitalisiert: Guido Thielscher: S. 1034
Link: 1) Wikipedia, 2) Kurzportrait innerhalb dieser HP
3) "Deutsches Bühnen-Jahrbuch", Jg. 53, 1942, S. 130
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Filme
Filmografie bei der Internet Movie Database
(Link: Wikipedia, filmportal.de)
  • 1915: Guido im Paradies
  • 1915: Guido der Erste oder Der getäuschte Wurstfabrikant
  • 1916: Guido und seine Kinder
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