Zur Zeit der Weimarer Republik wurde Claire Waldoff zum Inbegriff der "Berliner Pflanze" und feierte mit Gassenhauern wie "Warum soll er nicht mit ihr", "Wegen Emil seine unanständige Lust", "Wenn der Bräutigam mit der Braut so mang die Wälder jeht", "Ach Jott, wat sind de Männer dumm", "Wer schmeißt denn da mit Lehm?" oder der Tucholsky-Vertonung "Mutterns Hände" ihre größten Erfolge . Es identifizierten sich vor allem die "kleinen Leute" mit "ihrer" Claire, die nie ihre Wurzeln im Bergarbeitermilieu Gelsenkirchens vergaß. Waldoff war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild für Frauen ihrer Generation: Sie war eine der ersten, die Fahrrad fuhr, Gymnasialkurse besuchte, ein Auto besaß (und es auch selbst steuerte) und die in Männerkleidung auftrat.3) Sie feierte Triumphe bei den beiden bekanntesten Berliner Variétes, der "Scala"1) und dem "Wintergarten"1), begeisterte das Publikum im "Kabarett der Komiker"1), gab Gastspiele und erreichte mit ihren Liedern, die auch von so renommierten Autoren bzw. Musikern wie Kurt Tucholsky1) (1890 1935) oder Friedrich Hollaender1) (1896 1976) geschrieben wurden, über das neue Medium Rundfunk Millionen von Zuhörern. Mit ihrer Lebensgefährtin Olga von Roeder (1886 1963) war sie zugleich Mittelpunkt des lesbischen Berlin. Regelmäßig besuchte sie den Damenklub "Pyramide", der sich im Toppkeller in Berlin-Schöneberg traf. Dort verkehrten unter anderem die Tänzerinnen Anita Berber4) (1899 1928) und Cilly de Rheydt, elegante Frauen, Malerinnen und Modelle.2) Wenige Male stand Claire Waldoff auch für stumme Streifen vor der Kamera, so zeigte sie sich in "Mieze Strempels Werdegang" (1915) von Regisseur Waldemar Hecker1) (1873 1958), Leonhard Haskel1) (1872 1923) besetzte sie in "Die Dame im Schaufenster" (1918), Richard Löwenbein1) (1894 1943) in dem Lustspiel "Der Jüngling aus der Konfektion" (1926) neben Protagonist Curt Bois4) (1901 1991). Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erhielt Claire Waldoff Anfang 1933 vorübergehend Berufsverbot und durfte keine Schallplatten mehr veröffentlichen, erst im Herbst 1933 wurde ihr wieder eine Tournee durch Süddeutschland gestattet. Für die "braunen Machthaber" stand der Inhalt der Waldoff-Lieder sowie ihr Auftreten auf der Bühne mit Hemdbluse, Schlips und kurzen Haaren nicht im Einklang mit dem nationalsozialistischen Frauenbild; auch ihre lesbische Beziehung zu Olga von Roeder war nicht im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie und so wurde sie zur "unerwünschten Person" erklärt. Weiteres Missfallen erregt eine im Volksmund auf Hermann Göring hinzugedichtete und weit verbreitete Strophe ihres Erfolgs "Hermann heeßt er": "Rechts Lametta, links Lametta und der Bauch wird immer fetta und in Preußen ist er Meester Hermann heeßt er!" 1936 schließlich untersagte Propagandaminister Joseph Goebbels Claire Waldoff in der Berliner "Scala" aufzutreten, ihre Engagements an anderen Berliner Bühnen wurden zunehmend weniger. 1939 verließ Claire Waldoff Berlin und ließ sich in Bayrisch-Gmain, einem Ort zwischen Berchtesgaden und Bad Reichenhall, nieder; ihren letzten öffentlichen Auftritt während des NS-Regime hatte sie 1943.
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Claire Waldoffs Verdienste liegen vor allem im Bereich der Vortragskunst bzw. der Interpretation. Da sie keine
ausgebildete Musikerin war, komponierte sie nicht, nur einige wenige Lieder verfasste sie selbst. Stattdessen wählte
sie aus den Angeboten von Autoren oder Komponisten wie Walter und Willi Kollo, Kurt Tucholsky, Claus Clauberg oder
Ludwig Mendelssohn die für ihr Repertoire passenden Texte und Lieder aus. Daraus schuf sie dann ihren eigenen
Bühnentypus, in dem sie Elemente des Vortrags- und Gesangstils von Diseuse, Volkssängerin, Operetten-Darstellerin
und Chanson-Sängerin miteinander verschmolz. Mit ihrer (vermutlich auch durch das exzessive Rauchen geprägten)
charakteristischen Stimme vermochte sie den Menschen, vor allem auch den Frauen, aus der einfachen Berliner
Bevölkerung eine Stimme zu geben. Meist stellte sie auf der Bühne Berliner
"Typen" dar, robust und im Leben stehend, die mit Alltagssorgen (und gelegentlich auch mit der Obrigkeit)
zu kämpfen haben. Ihre Lieder umfassen thematisch
eine Bandbreite vom originalen Volkslied bis zu politisch angehauchten Chansons Tucholskys und Hollaenders. Als
intelligente und gebildete Frau stand sie in regem Austausch mit diversen Künstlerinnen und Künstlern des
öffentlichen Lebens, wobei sie junge, noch unbekannte Künstler oft förderte (so z.B. Marlene Dietrich oder Willi Kollo).3) Das Leben der stimmgewaltigen "Krawallschachtel" Claire Waldoff kann man in der Biografie "Wer schmeißt denn da mit Lehm. Eine Claire-Waldorff-Biographie" (1984?) von Helga Bemmann nachlesen, die Chansonsängerin und Autorin Maegie Koreen1) veröffentlichte 1997 unter dem Titel "Immer feste druff" Erinnerungen an die erste Chansonette Deutschlands, die auch als verwegene Draufgängerin und unangepasste "Boheme-Natur" in die Geschichte eingegangen ist. |
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Textbausteine des Kurzportraits stammen von der Seite des "Deutschen
Historischen Museums" Siehe auch Wikipedia mit einer umfangreichen Auflistung der Lieder und Chansons, www.fembio.org sowie den Artikel bei "Hochschule für Musik und Theater" (MUGI) Filmografie bei der Internet Movie Database |
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Link: 1) Wikipedia, 4) Kurzportrait innerhalb dieser HP Quelle: 2) Wikipedia (abgerufen 07.10.2011) 3) Carolin Stahrenberg, Artikel "Claire Waldoff", in: Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 27.03.2006. (mugi.hfmt-hamburg.de; abgerufen am 07.10.2011) 5) Zitat aus "Weeste noch ?" |
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