Der Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor Henry Stuart erblickte am 1. Februar 1885 als Court Henry Eduard Hess in Kairo1) (Ägypten) das Licht der Welt. Der Sohn des Schweizer Arztes Dr. Eduard Hess (1848 – 1923), der seit 1872 in Ägypten1) tätig und Vorstandsmitglied im "Internationalen Spital" von Kairo war, kam um 1900 zurück nach Europa, studierte in Großbritannien sowie in Paris1). Den Wunsch seines Vaters, eine Diplomatenlaufbahn einzuschlagen, hatte er verworfen, plante zunächst Kunstmaler zu werden und ließ sich in München an der "Kunstakademie"1) entsprechend ausbilden.
Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges ging er in die österreichische Hauptstadt Wien und kam dort erstmals mit der Filmszene in Kontakt. Die Kriegsjahre verbrachte er erneut in Großbritannien, kehrte dann nach Deutschland zurück und startete Anfang der 1920er Jahre eine Karriere im Stummfilm. Sein Leinwanddebüt gab er mit einem kleinen Part in der Komödie "Ein Glas Wasser"1) (1923), von Ludwig Berger1) gedreht nach dem Lustspiel  "Das Glas Wasser"1) von Eugčne Scribe1) mit Mady Christians in der weiblichen Hauptrolle der Königin Anna von England, Rudolf Rittner1) als deren Erzfeind Lord Bolingbroke1) und Hans Brausewetter als jungem Offizier und Herzensbrecher John William Masham. "Seit dieser Zeit habe ich mich ganz dem Film gewidmet und mir die Malerei als Erholung in meinen Mußestunden aufgehoben." ließ er später sein Publikum wissen. "Mich reizt am Film besonders die Möglichkeit, menschliche Charaktere psychologisch zu gestalten. Es ist mein Ehrgeiz, in allen von mir verkörperten Charakteren mit möglichst sparsamen mimischen Hilfsmitteln jede verborgene menschliche Eigenheit zum Ausdruck zu bringen. Ich liebe es vor allem, gütige Charaktere zu spielen, die die Sympathie des Zuschauers erwecken und diesem einen angenehmen Eindruck hinterlassen. Ich halte es für eine wesentliche Aufgabe der gesamten Kunst, den Menschen nur Schönes und Angenehmes zu geben, und möchte in diesem Sinne durch meine Arbeit meinen Teil dazu beitragen."*)

Henry Stuart, 1925 fotografiert von
Ernst Barteck (1876 – 1938),
"Atelier Rembrandt" (Berlin-Lankwitz1)) 
Quelle: Wikimedia Commons; Ross-Karte Nr. 1946/1
Angaben zur Lizenz (gemeibfrei) siehe hier

Henry Stuart, 1925 fotografiert von Ernst Barteck (1876–1938), "Atelier Rembrandt" (Berlin-Lankwitz); Quelle: Wikimedia Commons; Ross-Karte Nr. 1946/1: Lizenz: gemeibfrei
Lichtbild/Szenenfoto mit Henry Stuart aus dem Stummfilm "Die freudlose Gasse" (1925); Quelle: cyranos.ch; Lizenz: gemeinfrei Bereits in seinem zweiten Film, der von Berthold Viertel1) in Szene gesetzten "phantastischen" Geschichte "Die Perücke"1) (1925) mit Otto Gebühr in der Doppelrolle des alten, glatzköpfigen Querulin sowie Fürsten, erhielt er als Liebhaber der Fürstin (Jenny Hasselqvist) eine tragende Rolle. Auch in den weiteren stummen Produktionen wurde der blendend aussehende Schauspieler meist als nobler Liebhaber oder perfekter Gentleman besetzt.
So mimte er in dem von Georg Wilhelm  Pabst1) nach dem Roman von Hugo Bettauer1)  realisierten Meisterwerk "Die freudlose Gasse"1) (1925), einem Querschnitt menschlicher Schicksale im Wien der Inflationszeit, den schillernden Bankbeamten und Frauenverführer Egon Stirner, der als vermeintlicher Mörder an der reichen Rechtsanwaltsgattin Lia Leid (Tamara Tolstoi) in das Visier der Polizei gerät – das in Stirner verliebte Straßenmädchen Mizzi (Asta Nielsen) hat jedoch die vermeintliche Konkurrentin umgebracht. Die später "die Göttliche" genannte Greta Garbo spielte übrigens als Greta die Tochter des verarmten Hofrats Rumfort (Jaro Fürth).
  
Lichtbild/Szenenfoto mit Henry Stuart aus
dem Stummfilm "Die freudlose Gasse" (1925)
Quelle: cyranos.ch; Angaben zur Lizenz (gemeinfrei) siehe hier
Henry Stuart zeigte sich mit Hauptrollen in Stummfilmen wie in dem Henny Porten-Streifen "Das Abenteuer der Sybille Brant" (1925), dem Drama "Der Mann im Feuer"1) (1926) oder "Die Straße des Vergessens" (1926), wo er sich an der Seite von Hella Moja (auch Drehbuch) als Kapitän der spanischen Armee präsentierte. In Manfred Noas1) Kriegs-Melodram "Die versunkene Flotte"1) (1926) nach dem gleichnamigen Roman von Kapitänleutnant a.D. Helmut Lorenz über die Skagerrakschlacht1) schlüpfte er in die Uniform des britischen Marineoffiziers der "Royal Navy"1) bzw. Kommandanten Dick Norton, der heimlich in die Gattin (Agnes Esterházy) seines besten Freundes, dem deutschen Korvettenkapitän Barnow (Bernhard Goetzke), verliebt ist; in weiteren Rollen sah man unter anderem Nils Asther als Torpedo-Offizier Günther Adenried, Hans Albers als Oberheizer Tim Kreuger und Heinrich George als Obermaat Röwer.
Stuarts bemerkenswerteste Rolle war wohl die des Interpol-Inspektors Tom Wilkins bzw. "Mann der tausend Verkleidungen und Masken" in Rolf Randolfs1) Krimi "Der Bettler vom Kölner Dom"1) (1927). Die Detektiv-Story mit Carl de Vogt in der Titelrolle des "Bettlers" bzw. Anführers der Diebesbande wartete mit Action- und Abenteuereinlagen auf: "Der Bettler vom Kölner Dom" bietet ein charmantes Spiel mit dem Genre, welches im Film mit seinen maskierten Schurken und verkleideten Ermittlern ironisiert wird. Niemand ist der, der er zu sein vorgibt." notiert unter anderem programm.ard.de. Eine digital restaurierte Fassung dieses rasanten Stummfilms ist inzwischen im Handel erhältlich → edition-filmmuseum.com.
Henry Stuart trat unter anderem als Theodor Kaiser in Erscheinung, Studienfreund von Fritz Lobheimer (Fred Louis Lerch), der ein Verhältnis mit der verheirateten, kapriziösen Bankiersgattin Doris Velten (Vivian Gibson) hat, sich dann aber in dem Streifen "Liebelei"1) (1927) in die junge Christine (Evelyn Holt), Tochter des betagten Cellisten Weyring (Jaro Fürth) verliebt. Diese von Jakob Fleck1) und Luise Fleck1) inszenierte Geschichte basierte auf dem gleichnamigen Schauspiel1) von Arthur Schnitzler1). Unter der Regie von Erich Waschneck1) präsentiere er sich in "Die Frau mit dem Weltrekord"1) (1927) neben Titelheldin Lee Parry als der wohlhabende Sportmäzen Will Carry, stand erneut für Waschnek vor der Kamera und stellte in dem nach dem Roman "Die Geliebte Roswolskys" von Georg Fröschel1)1) gedrehten Drama "Skandal in Baden-Baden"1) (1929) den eleganten Baron Egon von Halden dar, der von der aufstrebenden Tänzerin Vera Kersten (Brigitte Helm) geliebt wird und deren Allianz mit dem Millionär John Leeds (Ernst Stahl-Nachbaur) zum titelgebenden "Skandal in Baden-Baden" führt. Zu Stuarts letzten Arbeiten vor der Stummfilm-Kamera zählte der Kostümstreifen "Der Günstling von Schönbrunn"1) (1929) mit der Figur des Kaisers Franz I.1). Der von Erich Waschneck und Max Reichmann1) realisierter Film, entstand bereits mit Ton-Sequenzen, Frauenschwarm Iván Petrovich trat als Oberst Franz Freiherr von der  Trenck1) und Lil Dagover als Kaiserin Maria Theresia1) auf. Zwischendurch zog es Henry Stuart nach Indien, wo er für die Berliner "Lola Kreutzberg-Film GmbH" von Lola Kreutzberg1) als Darsteller und Regisseur in Personalunion das Jugend-Abenteuer "Der Ring der Bajadere" (1929) drehte sowie die Dokumentarfilme "Der Maharadschah von Mysore hat Geburtstag" (1929) und "Nuri, der Elefant" (1929) über einen Elefantentreiber und seine Familie in Szene setzte → Übersicht Stummfilme.
 
Im Tonfilm blieb Henry Stuart – vermutlich aufgrund mangelnder Sprachtechnik – weitgehend beschäftigungslos, erst in dem von Josef von Báky1) starbesetzten, opulent gedrehten Abenteuer "Münchhausen"1) (1943), dem dritten abendfüllenden deutschen Farbfilm mit Hans Albers in der Rolle des legendären Lügenbarons Münchhausen1), gehörte er mit dem kleinen Part des Lord Sir Fitzherbert wieder zur Besetznng eine Kinoproduktion. Eine letzte, ebenfalls kleine Nebenrolle erhielt er als britischr Diplomat Sir Edward Craigh von Regisseur Max W. Kimmich1) in der propagandistisch gefärbten Adaption "Germanin"1) (1943) mit dem Untertitel "Die Geschichte einer kolonialen Tat" nach dem gleichnamigen, 1938 erschienen Roman von Hellmuth Unger1). Der Film war eine gezielte Werbeaktion für die "Bayer AG"1), thematisiert wurde die Entwicklung des Arzneimittels "Suramin"1) gegen die Schlafkrankheit1), das zunächst "Bayer 205" und später in Deutschland unter dem Handelsnamen "Germanin" vertrieben wurde.
Als Regisseur versuchte sich Stuart erneut mit dem Kurz-Spielfilm "Zwischen 12 und 2" (1933), brachte mit "Krishna. Abenteuer im indischen Dschungel" (1941) eine Tonfilmfassung von "Nuri, der Elefant" aus dem Jahre 1929 in die Lichtspielhäuser. filmdienst.de notiert hierzu: "Das schlichte Lebensbild eines kleinen indischen Elefantentreibers und seiner Familie. Der Film wurde an Originalschauplätzen mit Laiendarstellern realisiert und versteht es, Jung und Alt auf sympathische Weise anzusprechen." Das Drehbuch stammte von Stuart selbst, bereits bei dem von Henry Lynn (1895 – 1984) inszenierten Drama bzw. der in Jiddisch1) gedrehten US-amerikanischen Produktion "Die Kraft von Leben" (1938, "The Power of Life") fungierte er als Co-Autor → Übersicht Tonfilme.
 
Da Stuart bei Film nicht mehr gefragt war, trat er nach Ende seiner Stummfilm-Karriere laut Wikipedia an verschiedenen Berliner Theatern auf, so an den "Reinhardt-Bühnen", dem "Renaissance-Theater"1) und an dem von Adele Hartwig1) im "Theater in der Behrenstraße"1) gegründeten "Englisches Theater", arbeitete zudem für den Rundfunk sowie als Manuskript- und Titelübersetzer.
Im Zuge der Kriegswirren  verließ Henry Stuart in den 1940er Jahren Deutschland und ließ sich in der Schweiz nieder, wo er auch die Schweizer Staatsbürgerschaft erhielt.
Der heute weitgehend vergessene Schauspieler, Filmregisseur und Drehbuchautor Henry Stuart, über dessen Privatleben derzeit nichts bekannt ist, starb am 26. Januar 1948 kurz vor seinem 63. Geburtstag in der "Krankenanstalt Neumünster" (heute "Stiftung Diakoniewerk Neumünster"1)) in Zollikerberg1), einem Dorfteil der Schweizer Gemeinde Zollikon1) im Kanton Zürich1); die Asche seiner sterblichen Überreste wurde im Familiengrab in der Gemeinde Bülach1) beigesetzt. (Quelle: Wikipedia laut Gemeinde Zollikon, Todesregister Zivilstandsamt Zollikon, Nr. 22/1948.)
Quellen (unter anderem*)): Wikipedia, cyranos.ch
Fotos bei virtual-history.com, filmstarpostcards.blogspot.com
*) Henry Stuart. In: Dr. Hermann Treuner (Hrsg.): Filmkünstler – Wir über uns selbst (Sybillen Verlag, Berlin, 1928)
Fremde Links: 1) Wikipedia
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