Wolfgang Gruner wurde am 20. September 1926 in Rathenow1) an der Havel
geboren. Ursprünglich wollte er nach seiner Schulausbildung
Steuerberater werden, doch seine Berufspläne wurden durch den 2. Weltkrieg
und seinen Einsatz an der Front zunichte gemacht. Gruner
geriet in russische Kriegsgefangenschaft, wurde in ein Arbeitslager
gesteckt und entdeckte dort sein schauspielerisches Talent, als sich die
Gefangenen Abends mit Laienspielen die Zeit erträglicher machten. Zu
den damaligen Leidensgenossen gehörte auch der spätere Autor vieler
bekannter Fernsehserien, Heinz Oskar Wuttig1) (1907 1984), der Gruner den Rat gab, sich als
Schauspieler ausbilden zu lassen. Als Gruner 1949 aus der
Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, beherzigte er diesen Rat, nahm im
darauffolgenden Jahr in
Berlin Unterricht bei Marlise Ludwig1)
(1886 1982) und machte sein Diplom als
Schauspieler.
Erste professionelle Bühnenerfahrungen sammelte er anschließend beim Kabarett
"Die Fliegenpilze", wo er von den Kollegen des
politisch-satirischen Kabaretts "Die
Stachelschweine"1) entdeckt
wurde, ein Engagement erhielt und erstmals beim 8. Programm "Das Brettl
hoch" (Premiere 7. April 1951 im Burgkeller am Kurfürstendamm;
Regie: Joachim
Teege) mit
von der Partie war. Rasch avancierte Gruner bei dem
legendären Kabarett "Die Stachelschweine" neben den Stars wie
Jo Herbst
(1928 1980), Achim Strietzel
(1926 1989), Inge Wolffberg
(1924 2010) und zeitweilig auch Günter Pfitzmann
(1924 2003) zum
Publikumsliebling und gehörte bald zu den ganz Großen der deutschen
Kabarett-Szene. Einen großen Teil seiner Texte schrieb Gruner selbst und führte
zudem auch mehrfach Regie.
Über 50 Jahre stand er dort auf der Bühne, war einer
der führenden Köpfe und kommentierte ironisch, witzig und sarkastisch
die Ereignisse in der Bundesrepublik; noch im Herbst 2001 feierte Gruner seinen
75. Geburtstag auf den Brettern des berühmten Kabaretts.
Als Schauspieler hatte er früh weitere Erfahrungen am deutsch-englischen Theaterclub
"British Centre" gesammelt, wo er den Schufterle in "Die Räuber"1) in der Inszenierung von
Kurt Meisel spielte. Im Berliner
"Schloßparktheater"1) spielte er in der "Dreigroschenoper"1) die Rolle des Moritatensängers in der Inszenierung von
Boleslaw Barlog1).2)
Gastspiel des Kabaretts "Die Stachelschweine in Düsseldorf am 19.10.1956
Wolfgang Gruner (links) in der Szene "Menschen wie Du und Sie"
mit Achim Strietzel (1926 1989)
Quelle: Deutsches
Bundesarchiv, Digitale
Bilddatenbank, B 145 Bild-F004044-0007;
Fotograf: Rolf Unterberg / Datierung: 19.10.1956 / Lizenz CC-BY-SA 3.0.
Genehmigung des Bundesarchivs zur Veröffentlichung innerhalb
dieser Webpräsenz wurde am 11.10.2010 erteilt.
Originalfoto und Beschreibung:
Deutsches Bundesarchiv B
145 Bild-F004044-0007 bzw. Wikimedia
Commons
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Gruner war ein vielbeschäftigter Darsteller
bei Film, Funk und Fernsehen und für das Publikum der "Berliner mit
Herz und Schnauze" schlechthin. In der Regionalsendung "Berliner Abendschau"1)
des SFB kommentierte er als "Telekehrer Otto Schruppke" in den
1950er und 1960er Jahren regelmäßig auf ureigenste Art Tagesereignisse,
im SFB-Hörfunk kommentierte er das aktuelle Geschehen alle vierzehn Tage am Schluss der Sendereihe
"Rund um die Berolina" in 41 Folgen als Taxifahrer Kalle Bräsicke (Autor:
Michael
Alex1)).2)
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Gruner wirkte zudem in etlichen Film- und TV-Produktionen mit und
drückte beispielsweise auch der TV-Serie "Hals über Kopf"1)
mit der Rolle des Polizeiobermeisters Hund ab 1987 seinen Stempel auf. Bei Wim Thoelkes
Quizserie "Der große Preis"1) war Schnellsprecher Gruner
seit Mitte der 1970er Jahre Dauergast mit der Rolle des Taxifahrers "Fritze Flink",
der im hohen Tempo aktuelle Ereignisse kommentierte, an die sich eine Frage für die Kandidaten anschloss.
"Macky Pancake" (1961), 3-teilige Comedy.Serie mit
Wolfgang Neuss als "Meisterdetektiv" Macky Pancake
Szenenfoto mit Wolfgang Gruner als Kriminalreporter Schmidt
und Inge Wolffberg
als Elsbeth Pimpinelle → Die
Krimihomepage
Abbildung DVD-Cover bzw. Foto mit freundlicher
Genehmigung
von Pidax-Film,
welche die Produktion Ende August 2020 auf DVD herausbrachte.
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Gruners Ausflüge auf die Leinwand waren eher selten, 1955 wirkte er
erstmals in Max Nossecks Satire bzw. Literaturadaption "Der Hauptmann und sein Held"1)
als Rekrut Ladiges neben Jo Herbst und Ernst Schröder in
einer Kinoproduktion mit. Ein Jahr später spielte er den
kleinen Part des Hans Merkel in dem Heimatfilm "Johannisnacht"1)
an der Seite von Protagonist Willy Birgel. Nebenrollen in
den Streifen "Geliebte Corinna"1) (1956) und "Viktor und Viktoria"1) (1957)
folgten. 1957 mimte er in "Die Zwillinge vom Zillertal"1) den Konstantin Opel
und 1960 beispielsweise agierte er als leidenschaftlicher Jazz-Musiker Arthur in der
zeitkritischen Satire
"Wir Kellerkinder"1) zusammen mit
seinen Kollegen Wolfgang Neuss
(1923 1980) und Jo Herbst. Zu
Gruners weiteren Kinoproduktionen zählen unter anderem "Meine
99 Bräute"1) (1958), "Hurra, die Schule
brennt"1) (1969), "Hurra,
wir sind mal wieder Junggesellen!"1) (1971) sowie "Marianne und Sophie" (1983)
→ Übersicht Filmografie. Darüber
hinaus war Gruner ein gefragter Synchronsprecher, lieh beispielsweise Gene Kelly,
Paul McCartney1),
Corey Allen1),
Buddy Hackett1)
und Peter Sellers seine unverwechselbare
Stimme → mehr bei synchronkartei.de.
Der beliebte Schauspieler und Kabarettist Wolfgang Gruner, Inbegriff der
"Berliner Schnauze", erlag am 16. März 2002
mit 75 Jahren in einem Berliner Krankenhaus seinem Krebsleiden; bereits zum Jahreswechsel war
Gruner wegen eines Herzinfarktes im Krankenhaus behandelt worden. Anlässlich der Trauerfeier
am 25. März 2002 in der Berliner "Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche"1)
nahmen neben der Familie mehr als 800 Trauergäste Abschied von dem Berliner
Original. Zu diesen zählten Persönlichkeiten wie Bundespräsident
Johannes Rau1) und
der ehemalige Regierende Bürgermeister Klaus Schütz1),
Freunde bzw. Kollegen wie Friedrich Schoenfelder,
Peer Schmidt,
Edith Teichmann,
Brigitte Mira oder Wolfgang Völz
sowie zahlreiche Fans. Der damalige Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit1) würdigte Gruner unter anderem
mit den Worten "Er war für mich Otto Schruppke, gab der Stadt eine Stimme, prägte das Bild Berlins auch über die Grenzen hinaus.
Als die Stadt in der Zeit der Mauer am Boden lag, war er es, der die Ängste des Tages vertrieb. Mit feinem Spott hat er die Themen der
Zeit aufgegriffen. Er war eine lebende Legende.". Wowereits Amtsvorgänger,
Eberhard Diepgen1), der ein Freund der Familie Gruner ist, sprach in sehr persönlichen Worten von der Menschlichkeit, Zuverlässigkeit und Geradlinigkeit des Kabarettisten. Ihm sei es nie nur um die Pointe gegangen, sondern
"er wollte auffordern und aufrütteln", etwas bewegen für die Stadt und das Land. Das sei wahrgenommen worden über die
Grenzen Berlins hinaus in Ost und West. Dabei habe Gruner immer Partei genommen ohne parteiisch zu sein außer auf dem Fußballplatz.
Diepgen zeigte sich sicher, dass die Menschen in Berlin Wolfgang Gruner nicht so schnell vergessen werden.3)
Die Beisetzung fand im engsten Familienkreis statt, die
letzte Ruhe fand der unvergessene Künstler auf dem Berliner Friedhof Heerstraße1),
seit November 2010 ist es ein Ehrengrab des Landes Berlin.2) → Foto
der Grabstelle bei knerger.de.
Gruners Ehefrau Eva, die 33 Jahre mit ihm verheiratet war, ist inzwischen ebenfalls
verstorben; aus der Verbindung stammen die Töchter Sabine und Stefanie.
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1980 hatte man Gruner für seine
Leistungen mit dem " Bundesverdienstkreuz" geehrt, 1997 konnte er
den "Verdienstorden
des Landes Berlin"1) entgegen nehmen.
Neben seiner Berliner Wohnung
besaß Wolfgang Gruner auch einen Bauernhof in Schleswig-Holstein, auf dem er
seine knapp bemessene Freizeit verbrachte. Seine Erinnerungen veröffentlichte Gruner 1977 unter dem Titel "Schnauze mit Herz. Mein Leben und das als Stachelschwein".
Ihm zu Ehren wurde am 10. November 2011 an seinem Wohnhaus, Westendallee 57 in
Berlin-Westend1), eine Gedenktafel enthüllt . Eine nach seinem Abbild geschaffene Wachsfigur
war von 2013 bis 2014 im "Panoptikum Mannheim"1) zu sehen.
"Wolfgang Gruner war Schauspieler, Sänger, Autor, Regisseur und er war ein
"überzeugter Berliner"! Auf seiner Anfang der neunziger Jahre erschienenen CD
"Durch die Blume gesungen" befindet sich u. a. seine
"Liebeserklärung" an die Stadt, der er sich auch in der Zeit ihrer Teilung verbunden fühlte:
"Berlin, ick liebe dir janz". sagte unter anderem der damalige
Kulturstaatssekretär André Schmitz1)
in seinem Grußwort anlässlich der Enthüllung der Gedenktafel → vollständiger
Text bei www.gedenktafeln-in-berlin.de.
Berliner Gedenktafel, Wolfgang Gruner
Urheber: OTFW,
Berlin; Lizenz: CC BY-SA 3.0;
Quelle: Wikimedia
Commons
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