Pierre Fresnay
Pierre Fresnay wurde am 4. April 1897 als Pierre-Jules-Louis Laudenbach und Sohn eines Philosophielehrers in Ermont geboren. Nach dem Schulabschluss am "Lycée Henri IV" absolvierte er, ermutigt durch seinen Onkel, dem Theater- und Stummfilmschauspieler Claude Garry, eine Ausbildung zum Schauspieler am Pariser Nationalkonservatorium für dramatische Kunst. Sein Bühnendebüt gab er 1911 in Paris, ab 1915 war er bis Mitte der 1920er Jahre Mitglied der "Comédie Française" und brillierte dort vor allem in Stücken von Molière; so als "Tartuffe" oder als der "Geizige", aber auch in Dramen von Musset François Coppée, Georges de Porto-Riche, François Porché oder Paul Geraldy machte er sich einen Namen. Während des 1. Weltkrieges wurde Fresnay 1916 als Soldat eingezogen, nach Ende des Krieges konnte er seine Karriere am Theater erfolgreich fortsetzen.
Seit 1937 leitete Pierre Fresnay das "Théâtre de la Michodière", wo er oft mit Yvonne Printemps1) (1894 – 1977), die 1934 seine dritte Frau geworden war, sowohl in klassischen als auch modernen Stücken auf der Bühne stand und die auch in einigen Filmen seine Partnerin war.
  
Zum Film war Fresnay Mitte der 1910er Jahre gekommen, sein Leinwanddebüt hatte er achtzehnjährig mit einer kleinen Rolle in dem Stummfilm "France d'abord" gegeben. Es folgten einige wenige weitere stumme Streifen, seinen internationalen Durchbruch als Filmschauspieler hatte er jedoch erst mit Beginn des Tonfilms und seiner Titelrolle in Marcel Pagnols Dreiteiler "Marius" (1931), "Fanny" (1932) und "César" (1936). Dazwischen lagen Filme wie "La Dame aux camélias" (1934, Die Kameliendame), "Le Roman d'un jeune homme pauvre" (1935), Alfred Hitchcocks erste Version von "The Man Who Knew Too Much"
1) (1934, Der Mann, der zuviel wusste) oder Maurice Tourneurs Literaturadaption "Königsmark" (1935). 1937 übertrug ihm Jean Renoir den Part des Hauptmanns de Boeldieu, der in dem dramatischen Antikriegsfilm "La grande Illusion"1) (Die große Illusion) als Offizier mit festem Ehrenkodex dem Leutnant Maréchal (Jean Gabin) und seinem Kameraden, dem Juden Rosenthal (Marcel Dalio) zur Flucht verhilft und dabei von dem deutschen Kommandanten des Gefangenenlagers von Rauffenstein (Erich von Strohheim) erschossen wird.
In "Le duel" (1939) spielte er den Abbé Daniel Maurey und führte hier auch das einzige Mal Regie, in "Le Dernier des six" (1941, Sie waren Sechs) mimte er einen Kommissar und in "Le Journal tombe à cinq heures" (1942) den Pierre Rabaud. Zu Fresnays markantesten Rollen während des 2. Weltkrieges zählt sein schrulliger Detektiv Wenceslas Wens in Henri-Georges Clouzots Regiedebüt "L'assassin habite au 21" (1942, Der Mörder wohnt Nr. 21) sowie der unterwürfige Arzt Rémy Germain in "Le corbeau"1) (1943, Der Rabe).
   
Nach Kriegsende sah man den Schauspieler unter anderem mit der Hauptrolle des charismatischen Heiligen Vincent de Paul in Maurice Cloches "Monsieur Vincent"1) (1947, Der heilige Vinzenz), eine Rolle, für die Fresnay in Venedig ausgezeichnet wurde. Als Jacques Offenbach1) stand er für das Musikdrama "La Valse de Paris" (1949, Der Pariser Walzer) vor der Kamera, der Geschichte der leidenschaftliche Beziehung zwischen dem Komponisten und der Operettendiva Hortense Schneider1), dargestellt von Yvonne Printemps. Man erlebte ihn in dem Heimatfilm "Barry" (1949, Barry, der Retter von St. Bernhard) und in Jean Delannoys Literaturadaption "Dieu a besoin des hommes" (1950, Gott braucht Menschen), nach dem Roman von Henri Queffelec, mimte er eindrücklich den Sakristan Thomas Gourvennec, der sich auf einer bretonischen Insel die Funktionen des Priesters aneignet. 1951 verkörperte er in "Monsieur Fabre" den französischen Schriftsteller und Naturwissenschaftler Jean Henri Fabre1) (1823 – 1915), im gleichen Jahr den Chirurg Louis Delage in dem Melodram "Un grand patron" (Chefarzt Dr. Delius). 1952 folgte die Rolle des berühmten Arztes Dr. Albert Schweitzer
1) in André Haguets Filmbiografie "Il est minuit, docteur Schweitzer" (Es ist Mitternacht, Dr. Schweitzer) nach einem Theaterstück von Gilbert Creston → Filmlexikon. In "Le Défroqué" (1954, Der Abtrünnige) schlüpfte er in die Rolle des Priesters Maurice Morand, der den Glauben verloren hat und in maßlosem Stolz zum erbitterten Feind der Kirche wird. In dem packenden Drama "Les Évadés" (1955, Die Geflüchteten) war er der Leutnant Pierre Keller, der zusammen mit zwei weiteren Kriegsgefangenen aus einem Lager bei Rostock flieht. Für das Familiendrama "Les Aristocrates" (1955, Aristokraten) nach dem Roman von Michel de Saint-Pierre stand er als französischer Landadeliger Marquis de Maubrun vor der Kamera, in "L' homme aux clefs d'or" (1956, Der Mann mit dem goldenen Schlüssel) spielte er den gutmütigen Lehrer Antoine Fournier, der dreien seiner Schüler einen Diebstahl nachsieht und durch deren Rachsucht seinen Posten verliert.
  
Bis Ende der 1950er Jahre folgten unter anderem Streifen wie "Les oeufs de l'autruche" (1957), "Les fanatiques"  (1957, Die Erbarmungslosen), "Et ta soeur?" (1958), "Tant d'amour perdu" (1958) sowie die Filmsatire "Les affreux" (1959, Die Gerechten oder Die Ballade von der weißen Weste). Gilles Grangier besetzte Fresnay als Baptiste Talon in seiner Tragikkomödie "Les vieux de la vieille" (1960, Der Himmel ist schon ausverkauft) neben Jean Gabin und Noël-Noël, in Robert Menegoz' Satire "La millième fenêtre" (1960, Das Haus der 1000 Fenster) war er der kauzige Individualist Armand Vallin, der in einem baufälligen Häuschen inmitten von Hochhaus-Wohnblocks lebt.
Danach zog sich Pierre Fresnay für lange Zeit aus dem Filmgeschäft zurück und widmete sich ausschließlich seiner Arbeit für das Theater; erst Anfang der 1970er Jahre stand er noch wenige Male vor der Fernsehkamera.
 
Pierre Fresnay starb am 9. Januar 1975 mit 77 Jahren in einem Krankenhaus in Neuilly-sur-Seine bei Paris; er hinterließ seine dritte Ehefrau, die Sopranistin und Schauspielerin Yvonne Printemps
1) (1894 – 1977). Die letzte Ruhe fand er auf dem Alten Friedhof in Neuilly-sur-Seine, wo später auch Ehefrau Yvonne Printemps beigesetzt wurde → Foto der Grabstelle bei www.knerger.de.
In erster Ehe war Fresney von 1917 bis 1920 mit der Schauspielerin Rachel Bérendt (1893 – 1957) verheiratet gewesen; seine zweite Verbindung mit der belgischen Filmkollegin Berthe Bovy1) (1887 – 1977), die er 1923 geehelicht hatte, endete 1929 vor dem Scheidungtichter.
   
In einem Nachruf schrieb die "Neue Zürcher Zeitung" damals unter anderem: "Seine Begabung war vielseitig, sie bewährte sich auch in Komödien und Boulevardstücken, aber ihre kräftigsten Akzente, und jene, die Pierre Fresnay in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg dann manchmal fast bis ins Kultische stilisierte, führten ihn zur Darstellung von Personen voll psychologischer Verstrickung, Personen, die geplagt sind von religiösen Heimsuchungen, verankert in einer tiefen Spiritualität. … Als Schauspieler hat auch Fresnay in solchen Filmen des konstitutionellen Pessimismus mitgewirkt – die Erinnerung bleibt da vor allem an die beiden Werke von Henri-Georges Clouzot "L'assassin habite au 21" (1942) und "Le corbeau" (1943), zwei Kriminalfilme aus der französischen Provinz, die in ihrer Art der Denunziation der innerlichen Zerstörung das moralische Klima des von den Deutschen überrannten Frankreichs signalisierten. Auch in solchen Rollen wird indessen spürbar, was Fresnay schließlich zu den Interpretationen von unvergesslichem Rang vertieft hat: die "aristokratische" Spiritualität, die innere Unruhe, die intellektuelle Heimsuchung, Eigenschaften und Aspekte seiner Darstellerkunst, die alle in seinen dunklen, bannenden Augen versammelt schienen."
 
Link: 1) Wikipedia
Siehe auch Wikipedia, www.cyranos.ch 
Filmografie bei der Internet Movie Database
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