Die Tänzerin Cléo de Mérode wurde am 27. September 1875 als
Diane-Cléopatre de Mérode und Tochter österreichischer Eltern in
Paris geboren. Nach Angaben des Biologen und Tiergeografen Vincenz Brehm1) (1879 1971), der ihr 1903 am Achensee begegnete,
war sie die Tochter des renommierten österreichischen Landschaftsmalers
Carl Freiherr von Mérode1)
(1853 1909), der damals in Mödling bei Wien wohnte; Carl Freiherr von Mérode war der Spross
einer berühmten, weitverzweigten belgischen
Adelsfamilie.
Bereits mit sieben Jahren erhielt Cléo Ballettunterricht an an der Pariser Oper bei
Mademoiselle Théodore, mit elf Jahren trat
sie erstmals professionell auf. 1888 erregte die damals Dreizehnjährige an
der Pariser Oper als Tänzerin Aufsehen, avancierte rasch zur
Primaballerina und bald lag ihr ganz Paris zu Füßen. Nicht nur
wegen ihres tänzerischen Talents wurde sie berühmt, sondern auch wegen ihrer
außergewöhnlichen Schönheit und Ausstrahlung, Tourneen führten sie im Laufe der Jahre in
viele Europäische Städte und auch in Amerika war das Publikum von ihr
verzaubert.
Als "Königin der Tänzerinnen" kam sie von einem Gastspiel in New York
zurück, alle großen Weltzeitungen brachten seitdem regelmäßig Berichte von dieser
"schönsten Frau", ihre Kleidung wurde tonangebend und vielfach
kopiert; die von ihr eingeführte "Cléo-de-Mérode-Frisur", wo
das Haar mit einem Stirnband zusammengehalten wurde, machte Mode.
Cléo de Mérode 1902, fotografiert von Charles Ogerau
(1868 1908)
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Auch der belgische König Leopold II.1)
(1835 1909) war ein großer Verehrer von
Cléo de Mérode, Gerüchten zufolge soll die Tänzerin seine Geliebte
gewesen sein und ihretwegen wurde der Monarch in Witzblättern als "Cléopold"
verrissen. Doch Leopold II. hatte aus diplomatischen Gründen nie diese
Gerüchte dementiert: Im Jahre 1890 standen die europäischen Kabinette vor der Besorgnis,
dass England die Niederschlagung des Mahdi-Aufstandes im Sudan zu einer bedeutenden
Machterhöhung benutzen würde, indem es den Sudan in Besitz nahm, Ägypten in völlige Abhängigkeit brachte und
die Verbindung quer durch Afrika nach der Kapkolonie herstellte. Besonders beunruhigt waren die Regierungen Frankreichs und
Belgiens, und daher suchte
Leopold II. nach einer "harmlosen" Ablenkung des öffentlichen Interesses für seine häufigen Pariser Besuche.
Er ließ sich vom Direktor der
"Großen Oper" die Tänzerin vorstellen, verbrachte den Abend mit ihr und benutzte seitdem des öfteren
den Bühneneingang zur Oper statt das Hauptportal, wenn er in Paris weilte.
Während der Aufführung aber verließ er durch einen Nebenausgang ungesehen das
Theatergebäude und traf im Arbeitszimmer des französischen Außenministers
Gabriel Hanotaux1) (1853 1944) mit diesem
zu wichtigen außenpolitischen Besprechungen zusammen.
Cléo de Mérode 1895, fotografiert von Charles Ogerau (1868 1908)
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Die angebliche Liaison mit dem belgischen König machte
Cléo de Mérode noch populärer, als sie es ohnehin schon war; sie selbst
hatte immer gegen diesen Unterstellung protestiert, doch sie sollte dieses
Gerücht ihr Leben lang nicht mehr loswerden. 1950 verklagte sie die
Schriftstellerin Simone de Beauvoir1) (1908 1956), die in ihrem Buch "Das zweite Geschlecht"
(Le deuxième sexe) geschrieben hatte, die Tänzerin sei die Geliebte Leopolds
und eine "Halbweltdame" gewesen. Simone de Beauvoir
musste die Behauptung zurücknehmen,
Cléo de Mérode bekräftigte glaubhaft, sie habe von Leopold nach einer
Aufführung lediglich einmal einen Strauß roter Rosen erhalten.
Für einige Zeit verließ
Cléo de Mérode Paris, um dem Klatsch zu entfliehen, gab Gastspiele in Hamburg,
St. Petersburg, Budapest und erneut in New York. Auch in Berlin machte die
Tänzerin von sich reden, im Sommer 1898 unterschrieb sie einen Vertrag mit
der Direktion des Wintergartens, wo sie ab November 30 Vorstellungen lang das
Publikum begeisterte; für ihr Auftreten soll sie die für damalige Verhältnisse
horrende Summe von 45.000 Francs erhalten haben.
1900 schuf sie ihren berühmten Tanz "La Cambodgienne", den sie zur Pariser Weltausstellung im
"Théâtre Indochinois" präsentierte. 1901 trat sie zum ersten Mal in den
"Folies Bergère" auf. Zahlreiche Gastspielreisen führten sie durch
ganz Europa. Während ihres Aufenthalts in München stand sie zwischen 1903 und 1904 den Malern
Friedrich August von Kaulbach und Franz von Lenbach Modell. 1908 tanzte sie für
Kaiser Wilhelm II. und
die Kaiserliche Familie in Berlin und im gleichen Jahr interpretierte sie die Rolle der
"Phoébe" in "Endymion et Phoébe" in der "Opéra Comique" an der Seite
der ersten Tänzerin der Oper von Bordeaux, Régina Badet. Cléo de Mérode war in ihren großen Jahren
eine der am häufigsten abgebildeten Frauen der Welt (nach eigener Aussage: die meistfotografierte). Ihre Tourneen
wurden vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs unterbrochen, aber ab 1920 unternahm sie weitere Gastspielreisen in
Frankreich. Ihr Geburtsdatum wurde da oft mit "1885"angegeben.2)
Cléo de Mérode 1901 an den "Folies Bergères"
in "Lorenzo",
fotografiert von Léopold-Émile
Reutlinger1) (1863 1937)
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1912 wurde sie zur "schönsten Frau der Welt" gekürt, durch die Leser des
"Illustrator", der damaligen französischen Zeitung, zur "Schönheitskönigin" von Paris gewählt,
ab 1915 tanzte
Cléo de Mérode dann ausschließlich an der Pariser Oper. In den folgenden
Jahren zog sie sich mehr und mehr vom aktiven Tanz zurück und spielte fast
nur noch Theater. 1930 beendete sie völlig ihre Bühnenlaufbahn, 1950 veröffentlichte
sie ihre Erinnerungen unter dem Titel "Das Ballett meines
Lebens" (Ballet de ma vie).
Auch nach dem 2. Weltkrieg soll sie noch an der Mode ihrer Glanzzeiten
festgehalten haben und war als "Madame la Baronne" in ihrem
Pariser Stadtviertel schon zu Lebzeiten eine Legende.
Seit der Jahrhundertwende lebte die Künstlerin, die als eine der besten Ballerinen der Vorkriegszeit
galt, in einer großzügigen Villa in Paris, wo sie am 17. Oktober 1966 im
Alter von 91 Jahren starb. In ihren letzten Lebensjahren soll sie an
Arteriosklerose gelitten haben, was auch als Todesursache angegeben wurde.
Ihre letzte Ruhestätte fand die legendäre Tänzerin auf dem Pariser Friedhof
"Père Lachaise" (Abt. 90).
Der Maler
Toulouse-Lautrec1) (1864 1901) hielt sie ca. 1895 auf einer seiner Lithografien für die
Nachwelt fest. In dem Stummfilm "Frauen der Leidenschaft" (1926) widmete
ihr der österreichische Regisseur Rolf Randolf1) (1878 1941) die dritte Episode unter dem Titel "Cléo de Mérode, die Tänzerin seiner Majestät",
Fern Andra3) (1893 1974) verkörperte die legendäre Tänzerin; der Film fiel jedoch der Zensur zum
Opfer.
Der chilenische Regisseur Raoul Ruiz verfilmte mit "Klimt"1)
die Lebensstationen des Malers Gustav Klimt1) (1862 1918, dargestellt von
John Malkovich1)),
dessen opulente und erotisch angehauchte Werke als Inbegriff des Jugendstils
galten; in diesem Film, der 2006 in die Kinos kam, wird Cléo de Mérode,
zu der der Maler ein leidenschaftlichen Verhältnis gehabt haben soll, als
"Lea de Castro" von der britischen Schauspielerin Saffron Burrows1) dargestellt, Klimts Lebensgefährtin Emilie Flöge, spielt
Veronica Ferres1).
Cléo de Mérode fotografiert von Léopold-Émile
Reutlinger1) (1863 1937)
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