Start frei zum Weihnachtsmarkt

Montag, 1 Dezember, 15 Uhr:
Unter dem Motto "Ein Stück Frieden spüren" eröffnet Pastoralreferent Reinhard Höllerich-Nöhrenberg den alternativen Weihnachtsmarkt rund um die St. Johannis Kathedrale, versäumt es jedoch in seiner Begrüßung neben den Anwesenden auch den Anwesendinnen den Segen der Weihnacht zu wünschen.
Dies führt zu ersten Unmutsbezeugungen aus dem Menstruationskreis lesbischer Künstlerinnen, die den Rest der Ansprache mit Trillerpfeifen und Sackträger-Sprechchören übertönen.
15 Uhr 31:
Durch die im Meditationstanz versunkenen Mitglieder der Frauen-Selbsterfahrungsgruppe Silber-Elster, die mit ausgebreiteten Armen im ökologisch mit Senflauge gebatikten Wickelrock über die Kirchenwiese schweben, bahnt sich bölkend und hupend der MC Schmöllerheide auf schweren Harleys den Weg zum Rockzelt von Jugendpastor Helge Bösch, der für 16 Uhr zum Motorradgottesdienst geladen hat.
15 Uhr 56:
Eine glühendheiße Pappterrine mit herzhafter Gulaschsuppe klatscht gegen das Transparent Zucker ist Sünde am Stand des vegetarischen Ernährungskreises Mutter Erde an dem das Sumpfpumpenprojekt Eritrea durch den Verkaufserlös von mit Nelkenfett gesüßter Vollkornschokolade unterstützt wird.
Die Hauptverdächtige für diesen Anschlag, die Rentnerin Minna B., die am Nachbarstand für den Klön- und Strickkreis singender Seniorinnen mit dem Verkauf von kandierten Äpfeln, Rindsbratwurst und Räucherschinken für das Winterlager des Wanderzirkus Schöller sammelt, weist darauf hin, man sei im Vorfeld von besagtem Ernährungskreis lautstark als Tiermörder und Kadaverfresser verunglimpft worden.
16 Uhr
Die Leistungsschau der Bundeswehr auf der Holtmannwiese hinter dem alten Soldatenfriedhof wird in bedrohlicher Nähe zum Infostand der "christlich-autonomen-Kriegsdienstverweigerer" eröffnet. So ist es nur eine Frage der Zeit, wann die diamentralen Botschafter "Wir schaffen Frieden" auf der einen Seite mit den Thesen "Soldaten sind Mörder" sowie "Gelöbnis ist Meineid" auf der anderen Seite ins Gehege kommen. Zu tätlichen Übergriffen kommt es jedoch erst gegen 16 Uhr 7, nachdem sich Regimentspfarrer Öftering bei der Einsegnung zweier fabrikneuer BISON-FLAK-Panzer zu der Behauptung verstieg, Jesus sei eine Art Feldwebel Gottes geworden.
16 Uhr 12:
Erstaunlich lange hält sich der Bläserkorps vom Jagd- und Hegering II mit seinem adventlichen Vortrag unmittelbar neben der Punschbude militanter Tierschützer von der Initiative Waldfrieden, die mit Aufklebern Blutige Weihnachten - mitessen heißt mitschlachten oder auch Christus war ein Eichelhäher gegen Wildgerichte am Heiligen Abend zu Felde ziehen.
Zum offenen Schlagabtausch führt dann schließlich der weihnachtliche Blechchoral Jesus war ein Jagdgesell. Revierförster Manfred von Lausitz-Ölpen, dem im Verlaufe der Feinseligkeiten das Mundstück seiner schweren Zugposaune durch die Schneidezähne gedrückt wurde, gibt später zu Protokoll, er habe seinen Hirschfänger gegen diese Anarchisten in begründeter Notwehr einsetzen müssen.
17 Uhr 15:
Am gemeinsamen Stand der Stillgruppe Rumpelstilzchen und des Betkreises schwangerer Hausfrauen flackert das nächste Scharmützel auf. Das Handgemenge mit dem benachbarten Info-Tisch der HIV-Selbsthilfegruppe Heringsmoor beginnt mit dem gegenseitigen Niederreißen der Transparente Gib Aids keine Chance - Kondome schützen und auf der Gegenseite Verhütung ist Mord - Kondome sind Waffen.
17 Uhr 31:
Unter dem kleinen Zeltdach der orthodoxen Bibelgruppe Prohabilli eterna, die unter dem Motto Latein ist Gottes Wort allerlei Informationsmaterial feilhält, in dem frühchristliche Liturgieformen sowie Latein als Weltsprache gefordert werden, wächst die Nervosität über den zunehmenden Geräuschpegel des benachbarten Motorrad-Gottesdienstes. Nach der Predigt unter dem Motto Wasser zu Wein - Öl zu Benzin, Jesus war ein Biker und der Danksagung für das Überleben zahlreicher riskanter Überholmanöver der letzten Saison besteigt die gefürchtete Speed-Metal-Formation Rammbock die Bühne.
17 Uhr 33:
Am Ende der christlich-lateinischen Duldsamkeit angekommen, trifft der orthodoxe Religionswissenschaftler Dr. Johannes Görtz mit dem unkontrollierten Wurf einer 15 Kilo schweren, in Schweinsleder gebundenen Hetzschrift gegen Martin Luther die vordere der 24 in Reih und Glied abgestellten Motorräder, die in einer Kettenreaktion wie Dominosteine aufeinander fallen.
30 Sekunden später beschließt Harley-Club Schmöllerheide eine gründliche Flurbereinigung des gesamten Geländes.
17 Uhr 40:
Rund um die St.Johannis-Kathedrale tobt eine Schlacht, wie sie seit 1109, seit der Erstürmung der Höcklager Senke durch den Hunnenprinzen Bernward der Schlächter, in dieser Gegend nicht mehr erlebt wurde.

Mittendrin: Menschen wie Du und ich, die in der Weihnachtszeit nur mal Stück weit Frieden spüren wollten.

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